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Kritik zur UNCUT-Fassung:
Als laut wurde, Sylvester Stallone wolle RAMBO IV drehen, ist von fast überall nur ein Lächeln über das Projekt gefallen. Niemand wollte ihn so richtig ernst nehmen. Als ich das erste Mal von einem Teaser-Plakat erfuhr und ich es mir ansah, habe ich alles andere als darüber gelächelt. Ich habe mir gedacht: der Kerl hat doch echt Mut...ich bin gespannt, was er vorhat...
Was er dann letztlich auf die Leinwand gebracht hat, ist der brachialste Actionfilm seit sehr langer Zeit. Hier werden keine Gefangenen gemacht, keine Gnade geschenkt und die Bösen sind richtig böse...
Bei der Vorstellung, dass diese Gewalt tatsächlich auf dieser Welt so oder in ähnlicher Form praktiziert wird, kann einem schon der Atem stocken. Wenn man dann oft zu lesen bekommt, dass "...die Gewalt übertrieben ist bis ins Letzte...", "...völlig unrealistische Hollywood-typische Kriegsverherrlichung..." einen im Kino erwartet, muss man schon den Kopf schütteln. Krieg ist doch so unvorstellbar für uns in dieser heute so verwöhnten Gesellschaft. Wir haben doch alle keine Ahnung wie sehr sich der Film in der Darstellung von Gewalt zurückhält im Vergleich zur Wirklichkeit. Die Grausamkeiten, die sich in Birma abspielen, lassen sich wohl garnicht beschreiben, so Stallone selbst. "Ein Scharfschützengewehr richtet mehr aus, als nur einen kleinen roten Punkt auf der Stirn." Was tatsächlich mit einem Kopf und dem restlichen Körper passiert ist genauestens zu sehen im Film. Die gezeigte Brutalität dient aber nicht dem reinem Unterhaltungszweck, wie es im Mittelalter Todesurteile auf dem Marktplatz waren, sondern vermittelt einem die gegenwärtige Situation in Birma. Wozu beschönigen, wenn man klarmachen will, wie es woanders zugeht?
Die Gewalt ist überall DER KRITIKPUNKT, der die Leute spaltet. Die eine Seite sieht den Film wegen der expliziten Darstellung als tumben Gewaltporno an und die anderen preisen Stallone's erste RAMBO-Regiearbeit als grandiose Rückkehr zum kompromisslosen, bierernsten Actionfilm der 80er Jahre. Rambo tötet nicht aus Vergnügen, sondern weil er dazu gezwungen wird. Kriegspropaganda wie Teil II und III wird einem hier nicht geboten.
Mein Standpunkt ist der:
Einen Film allein aufgrund genau gezeigter Darstellung von Gewalt die Minimalwertung zu geben, ist schlicht unprofessionell. Seit wann ist Krieg schön anzusehen? Warum sollte ein Actionkriegsfilm die Wahrheit verschleiern? Weshalb soll sich Hollywood nicht mal abwenden von den geschönten Kriegsproduktionen von früher? Zudem wird man nicht gezwungen, sich solch einen Film anzusehen. Wer RAMBO sehen will, erwartet doch, dass es nicht zimperlich zugeht. Leute, denen Blut nicht gefällt, sind logischerweise diejenigen, die schlecht über den Film urteilen.
Nicht dass mir Blut gefällt, aber im Film ist es, wenn es richtig eingesetzt wird, in jedem Fall wirkungsvoll. Blut trägt zur Ästhetik bei. Bei Tarantino darf gemetzelt werden bis ins kleinste Detail, wenn es bei Rambo dann mal nicht schwarz/weiß ist, wird gleich drauf rumgehackt.
Es mag plakativ wirken, ist am Ende aber doch die beste Möglichkeit, eine breite Masse auf die Situation der Karen in Birma, aufmerksam zu machen.
Wenn es auf der Leinwand zur Sache geht, schwenkt die Kamere nicht zur Seite, sondern hält voll drauf: Körper werden zerschossen, zerfetzt, aufgeschlitzt, verbrannt, zerrissen, angefressen und in die Luft gejagt. 10 Soldaten auf einmal werden auf einem Lastwagen in Stücke zerschossen und Körperteile ausgerissen.Aber die Action ist nie mit einem heldenhaften, heroischen Thema unterlegt, sondern mit verzweifelten, hektischen Melodien, die die Panik und den inneren Zustand der Missionare, den Fliehenden und Kämpfenden wider. Nach dem Kampf ist kein Rambo zu sehen, der stolz von oben nach unten in die Kamera blickt und ein Heldenthema erklingt, sondern ein von innerer Zerrissenheit gezeichneter, betroffener Kämpfer, dem nichts anderes übrig blieb als zu kämpfen (in dem Film zieht Rambo hauptsächlich wegen der Frau in den Kampf).
John ist betrübt über alles was passiert ist. Er sieht die Welt als verloren. Die Menschen sind die grausamsten und dümmsten Lebewesen auf der Erde.
Die Armee der Birmesen besteht aus zwangsrekrutierten Kindern der Karen. Sollten die Söhne nicht mitkommen, wird die gesamte Familie erschossen und hingerichtet. Später bei einem weitern Überfall tötet vielleicht der Sohn seinen eigenen Vater oder die leibliche Mutter. Grausamkeiten werden an Menschen verübt, die nicht zu glauben sind. Selbst John sieht keine Hoffnung für die Karen, einem baldigen Ende des Bürgerkriegs ins Auge zu sehen. Er kann es zwar aufhalten, beenden aber kann er es nicht.
Beeindruckende Bilder von der Landschaft in Birma sind zu sehen. Das Leben von John als Schlangenfänger und Bootsmann wird zu anfangs in ruhigen Bildern kurz erläutert. Die Musik wirkt perfekt, gibt das First- Blood- Thema in ein wunderbar aktualisierten Form wieder. John' s Inneres wird durch eine neue, wirklich schöne Komposition von Brian Tyler dargestellt und fügt sich ein in eine durch und durch überzeugend stimmige Filmmusik, die so garnicht wie in Teil II und III ins heldenhaft Überzogene übergeht. Vielmehr bewahrt der Stil des neuen Scores den Geist von Teil I und verhindert so ein Abgleiten ins actiontypische Fach.
Insgesamt besinnt sich Sylvester Stallone auf den ersten Teil und spielt gerade nach dem Showdown nochmal den großen Trumpf aus, John als den darzustellen, der er eigentlich ist und nicht den, zu dem er gemacht wurde. Keine Kampfmaschine blickt auf das Schlachtfeld und die überlebenden Missionare und Söldner, sondern ein verzweifelter, bestürzter Mensch darüber, warum überall Kriege geführt werden müssen. Er weiß genau, dass es noch nicht vorbei ist. Rambo ist bestimmt nicht stolz darüber, wie viele Leute er getötet hat- vielmehr fragt er sich ob Frieden nicht nur eine Illusion ist oder nur die Ausnahme darstellt... Die Antwort darauf ist traurig.
Und der Film am Ende auch. Mit einem bewegenden Schlussbild blendet Stallone den Film aus. Mit dem Abspann ist nicht nur John Rambo vorbei, sondern eine, mit den Teilen I und IV an der Spitze durch ihre sozialkritische Botschaft wegweisende Actionfilmreihe, geht zu Ende.
Mit JOHN RAMBO wird einem erstklassige Action mit Botschaft geboten, die getragen von einem überragenden Stallone in die Annalen der Actionfilmgeschichte eingehen wird. Rambo findet mit Teil IV einen mehr als würdigen Abschluss, der zwar Teil I nicht in den Schatten stellen kann, die anderen beiden Fortsetzungen aber locker abhängt. Vielleicht ist er etwas kurz ausgefallen, jedoch durch und durch packend inszeniert. Einige Gewaltspitzen sind in Deutschland geschnitten und JOHN RAMBO nur in Österreich im Kino oder später ungeschnitten auf DVD zu sehen. Wenn man die Internet-Clips nicht bereits gesehen hat, fällt es wohl nicht auf, wohingegen andere einige Einstellungen vermissen werden. Außer, dass Rambo' s Gefecht in der UNCUT- Fassung logischer und flüssiger wirkt, stellen die zensierten Szenen kein Minus in der Bewertung dar. Etwas mehr Charaktertiefe bei den Nebenrollen und größere emotionale Verbundenheit zu den Karen hätte man sich aber doch gewünscht.
Alles in allem ist zu sagen: Sylvester Stallone ist neben dem Abschluss seiner anderen Kultfigur ROCKY BALBOA ein Finale geglückt, dass ihm so gut keiner zugetraut hätte. Nicht mehr Rambo der Kämpfer ist im Vordergrund, sondern John der Mensch.
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