Blade Runner 2049
Herstellungsland: | USA (2017) |
Standard-Freigabe: | FSK 12 |
Genre: | Drama, Science-Fiction, Thriller |
Alternativtitel: | Blade Runner 2 |
Bewertung unserer Besucher: |
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Note: 7,76 (46 Stimmen) Details |
Inhaltsangabe:
30 Jahre nach den Ereignissen des ersten Films fördert ein neuer Blade Runner, der LAPD Polizeibeamte K (Ryan Gosling), ein lange unter Verschluss gehaltenes Geheimnis zu Tage, welches das Potential hat, die noch vorhandenen gesellschaftlichen Strukturen in Chaos zu stürzen. Die Entdeckungen von K führen ihn auf die Suche nach Rick Deckard (Harrison Ford), einem seit 30 Jahren verschwundenen, ehemaligen LAPD Blade Runner. (Sony Pictures Deutschland)
Kurze Vorbemerkung: Die fehlende Spoilerwarnung ist gewollt! Fans, die den Film noch nicht gesehen haben, dürfen beruhigt weiter lesen: Es werden keine elementaren Handlungsstränge beschrieben!
Fliegende Autos. Dauerregen. Überbevölkerung. Origami. Replikanten. Voight-Kampff-Test. Tannhäuser Tor. Scott. Ford. Hauer. Olmos. Vangelis… es ist unschwer zu erkennen, dass die Liste an Indizien, die „Blade Runner“ zu einem unumschränkten Kultfilm werden ließ, länger ist als Clarence Boddickers Vorstrafenregister. Man kann mit Fug und Recht behaupten, dass Ridley Scott dereinst seiner Zeit voraus war, denn die ursprünglichen Kritiken und auch die Einspielergebnisse ließen anno 1982 sehr zu wünschen übrig, während anschließend so peu a peu sich das enorme Potential dieses Films herauskristallisierte. „Blade Runner“ stellte intelligente und brisante Fragen, die er zudem nur vage oder gar nicht beantwortete, viele Aspekte hinsichtlich Ausstattung und Design wurden im weiteren Verlauf der Filmgeschichte x-fach (schlecht) kopiert und über die, über allem stehende Grundthematik (Wann ist ein Mensch ein Mensch?) könnte man Doktorarbeiten verfassen.
Die Fan-Gemeinde wuchs über die letzten 35 Jahre ins schier Unermessliche und als wahrhaftig die Verfilmung einer Fortsetzung angekündigt wurde, lief es gewiss nicht nur meiner Wenigkeit eiskalt den Rücken herunter: Wie bitteschön kann man denn an ein derart visionäres Werk wie „Blade Runner“ adäquat anknüpfen?! Erst recht in der heutigen Zeit, in der das Mainstreamkino immer anspruchsloser und effekthascherischer geworden ist, scheint ein philosophisch angehauchter und viel Wert auf Aufmerksamkeit legender Film zum Scheitern verurteilt. Doch dann trudelten nach und nach die Eckdaten ein: Denis Villeneuve (Prisoners, Sicario) nahm auf dem Regiestuhl Platz, sein Stammkomponist Jóhann Jóhansson sollte für die Musik verantwortlich zeichnen, Originaldrehbuchautor Hampton Fancher verfasste das Skript, Altstar Harrison Ford (Der einzige Zeuge, Auf der Flucht) kehrte für seine Rolle als Deckard zurück und der ungemein charismatische Kanadier Ryan Gosling (Drive, Blue Valentine) durfte die Hauptrolle bestreiten. Als schließlich im Dezember 2016 ein erster Teaser veröffentlicht wurde, stieg die Vorfreude bei mir schließlich ins schier Unermessliche (dieser Soundtrack!).
Aufgrund dessen, dass Villeneuve & Co. im Vorfeld ein gewaltiges Mysterium um die Geschichte von „Blade Runner 2049“ machten – und weil überdies bereits nach nur wenigen Filmminuten ein erster wichtiger Bestandteil der Story aufgeklärt wird –, verweise ich auf die geläufige Beschreibung: Der LAPD-Cop K (Gosling) stößt auf ein Geheimnis, dass die Reste der bestehenden Ordnung ins Chaos stürzen könnte. Um Antworten zu finden begibt er sich auf die Suche nach dem seit 30 Jahren verschollenen Blade Runner Deckard (Ford).
Da ich, wie bereits versprochen, keine Spoiler verwenden möchte, halte ich mich bezüglich des Skripts von Fancher allgemein. „2049“ baut die Ereignisse vor drei Dekaden in sein Gerüst mit ein, verknüpft sie allerdings – glücklicherweise – mit eigenen Ideen. Die drei vorab veröffentlichten Kurzfilme „Black Out 2022“, „2036: Nexus Dawn“ und „2048: Nowhere to Run“ sind zum besseren Verständnis zwar nicht zwingend erforderlich, bieten allerdings durchaus einen kompetenten Vorgeschmack und sollten nicht außer Acht gelassen werden. Denn es erscheint für den unbedarften Kinogänger schon ein wenig befremdlich, weshalb in einer derart technisierten Zukunft der digitale Informationsfluss so mangelhaft ausfällt.
Dieser weitgehende Verzicht auf das Höher-Schneller-Weiter-Prinzip ist eine der großen Stärken des Drehbuchs. Es gibt technische Neuerungen wie die von der Kubanerin Amy de Armas (Knock Knock) gespielte Joi, eine täuschend echt wirkende holografische Gefährtin (quasi die personifizierte Weiterentwicklung von Siri, Alexa & Co.), doch Fancher lässt seine Fantasie nie Amok laufen, weshalb die Welt von „2049“ auch nur ein, zwei Jahre nach dem Original spielen könnte. Das passt insoweit hervorragend, alldieweil „Blade Runner“ nie gen unglaubwürdiges Action- und Effektegewitter abdriften will. Der Fokus liegt nach wie vor auf den Beziehungen und Differenzen zwischen Menschen und Replikanten und der drängenden Frage, was einen Menschen menschlich macht und eine Replikanten nicht. Fancher und Villeneuve gehen ins Detail, ja sogar manchmal tiefer als Scott damals. Ihre Figuren wirken ein gutes Stück verletzlicher als 1982 der abgestumpfte Deckard und der seine Sehnsüchte gut tarnende Roy Batty. Natürlich wird die eigentliche Story um Neuerungen erweitert – die hier selbstverständlich nicht näher erläutert werden. Man kann an jener Stelle aber durchaus festhalten: Das Skript passt, nimmt die Vorlage gekonnt auf und vergrößert das Blade Runner-Universum würdevoll. Es ist nicht die alles auf den Kopf stellende Revolution, die Villeneuve & Co. hier vorantreiben, aber ein stimmiger, respektvoller Umgang mit Scotts Film und interessanten Weiterentwicklungen.
Hinzu kommt, dass auch das eher nebensächliche Drumherum absolut im richtigen Verhältnis steht. Los Angeles ist noch immer ein Moloch sondergleichen; allerdings hat die Klimakatastrophe dafür gesorgt, dass auf Dauerregen innerhalb kürzester Zeit auch mal ein Temperaturfall erfolgen kann und die Stadt der Engel zugeschneit wird. Herausragend: Villeneuve nutzt dies nicht nur als netten Aspekt am Rand, sondern baut es – gerade am Schluss – gekonnt in eine sehr wichtige Szene ein. Große Kunst! Überdies werden Einwohner von San Diego und Las Vegas wohl einen Heulkrampf bekommen, wenn sie sehen, was die Macher mit ihren Städten so veranstaltet haben. Besonders die Szenen im Zockerparadies reißen mit, vor allem durch die herausragenden Bauten.
Und apropos Technik: Da muss man sich keinerlei Sorgen machen. Villeneuve nutzt jeden Cent des satten Budgets von fast 200 Mio. Dollar und lässt den Blade Runner anno 2049 mehr als nur auf der Höhe der Zeit ansiedeln. Das verkommene, düstere L.A. sieht fantastisch trostlos aus (ich möchte nicht übertreiben, aber man kann die Gischt beinahe spüren), ebenso bereits erwähnte Darstellungen von San Diego und Vegas. Kleines, feines Highlight: Die optische Verschmelzung von Computeranimation de Armas mit der „realen Person“ Mackenzie Davis (Halt and Catch Fire). Auch in den Actionszenen stimmt alles. Ganz, ganz wichtig: „2049“ ist kein dauerlärmendes Effekteinferno. Die ruppigen, reißerischen Parts sind klug und sinnvoll über die satte Länge von über 160 Minuten verteilt und nie selbstzweckhaft installiert. Villeneuve muss nicht die Uhr danach drehen, dass er alle fünf Minuten die nächste Explosion und die nächste Ballerei einzubauen hat, nein, der Mann hat ein Gespür dafür. Nichtsdestotrotz muss gerade Hauptcharakter K verdammt viel einstecken, bei den Faustkämpfen fließt der rote Lebenssaft ordentlich und auch das Messer hat den einen oder anderen terminalen Einsatz. Die FSK-12-Freigabe für Good Old Germany überrascht; noch dazu, weil durchaus bezweifelt werden darf, ob die meisten 12- oder 13-Jährigen die komplexe Story samt der bedrohlichen, dramatischen Atmosphäre überhaupt kapieren. Aber das müssen andere entscheiden.
Jüngere Zuschauer, die vielleicht sonst nur zu den „Tranformers“ oder „Superhelden-Movie Teil 97c“ ins Kino gehen, werden mit der Erzählstruktur Villeneuves sowieso ihre Probleme haben. Der Kanadier hat trotz des Budgets viele künstlerische Freiheiten bekommen und nutzt diese besonders bei der Entwicklung der Geschichte. „2049“ operiert mit langen Einstellungen, bedeutungsschwangeren Blicken seiner Darsteller und hebt den Sinn fürs Detail immer über das Bombastische. So sagen hier ein toter Baum in der Wüste oder ein hölzernes Spielzeugpferd mehr aus, als die Zerstörung ganzer Städte und eine einzelne Träne bietet mehr Emotionen als sämtliche Ich-werde-immer-bei-dir-sein-uaaarrrggghhh-Szenen dieser Welt. Natürlich sind auch hin und wieder die typischen Hollywood-Zwänge sichtbar (besonders gegen Ende hin steuert der Film kurzzeitig in eine gefährlich vorhersehbare Richtung), aber jene pendeln sich für die im Jahr 2017 geltenden Gesetzmäßigkeiten im absolut vertretbaren Rahmen ein. Positiv fällt darüber hinaus auf, dass die Macher sich nicht dem derzeit angesagten, unfassbar nervigen Zwang gefügt haben, den Ursprung jeder Schraube und die Folgen jedes Flohrülpsers erklären zu müssen. „2049“ hat wie auch sein Vorgänger viele Geheimnisse in petto, die er unbeantwortet lässt. Ja, gut, er beantwortet mehr Fragen als Scott, aber dem Zuschauer bleiben nach Ablauf des Streifens genügend Diskussionsthemen zur Auswahl. Seien es Motive der Figuren, Storyentwicklungen und bereits erwähntes Thema um die Authentizität der Replikanten – „2049“ ist bei weitem kein typisches Kino-Fast-Food der heutigen Tage.
Schauspielerisch macht „2049“ wenig falsch, wenngleich Villeneuve es auch leider nicht gänzlich gelingt, seinen Darstellern wahrlich erinnerungswürdige Momente zu geben. Ryan Gosling agiert mit der von ihm bekannten Art und Weise aus cooler Eigenbrötelei und verletzlichem Dackelblick, räumt seine Gegner knallhart aus dem Weg und ist zugleich von Selbstzweifeln zerfressen. Das klingt auf dem Papier äußerst verheißungsvoll, in Realität aber erfolgt es ein Stück weit zu oberflächlich. Sein K bleibt zu kühl, zu trocken, um den Zuschauer wirklich mitreißen zu können. Dabei verfügt Gosling über jenes Charisma, über jenes besondere Etwas, womit er durchaus in der Lage ist, einen solchen Film tragen zu können. Sein Co, Hollywoodlegende Harrison Ford, tritt erst sehr spät in Erscheinung, kann dann jedoch wieder eine, im Vergleich zu Streifen seiner jüngeren Vergangenheit, starke Leistung abrufen. Hand aufs Herz: Mimisch war Ford in „Blade Runner“ nicht in Top-Form; hierbei überrascht seine Härte und Verletzlichkeit. Klasse! Zudem: Ich kenne 50-Jährige, die schlechter ausschauen als der tiptop durchtrainierte und sage und schreibe 75 Lenzen zählende Ford…!
In Nebenrollen finden sich zudem Allzweckwaffe Robin Wright (House of Cards, Forrest Gump), der überraschend gute (Ex-)Wrestler Dave Bautista (Spectre), die Niederländerin (Grüße an Mijnheer Hauer!) Sylvia Hoeks und Carla Juri (Feuchtgebiete). Auch Edward James Olmos (Miami Vice) kehrt für seine Rolle als der geheimnisvoller Gaff zurück. Schade ist hingegen, dass die besonders durch die Kurzfilme interessant geschriebene Figur des Konzernchefs Niander Wallace, dargestellt von Jared Leto (Dallas Buyers Club), überraschend wenig zu tun bekommt. Als allmächtiger, gottähnlicher Herrscher über die Replikanten spielt Wallace diese Macht kaum aus, bleibt weitgehend im Hintergrund und erhält wenig zwingende Szenen. Dies könnte natürlich Kalkül vonseiten Villeneuves sein, der in „2049“ vom klassischen Gut-gegen-Böse-Schema abweichen will, aber wenn man schon einmal eine solch faszinierende Figur aus dem Hut zaubert, dann kann man sie ruhig öfter zum Zuge kommen lassen.
Fazit:
Auch wenn es anhand der momentanen Kinolandschaft nicht allzu schwer fällt, ist „Blade Runner 2049“ einer der besten Filme, die ich seit langer Zeit auf der großen Leinwand erleben durfte. Er ist gewiss nicht „perfekt“ und wird auch nicht an den Kultstatus seines ruhmreichen Vorgängers heranreichen, macht seine Sache aber nichtsdestotrotz prima. Villeneuve verbeugt sich knietief vor dem Original, setzt dessen Geschichte passend fort, der technische Aspekt bewegt sich auf höchstem Niveau (der Oscar für Kameramann Roger Deakins ist wahrlich zwingend) und die philosophischen Einschübe sind vorhanden. Villeneuve ist ein großes Wagnis eingegangen und darf sich mit dem Ergebnis sehr gern und mehrmalig auf die Schultern klopfen.
Kommentare
06.10.2017 20:00 Uhr - Necron |
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Sehr detaillierte Review ohne irgendwie zu spoilern. Sehr gut.
Freue mich schon aufs Kino :) |
06.10.2017 21:32 Uhr - dicker Hund |
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Mann, hab' ich jetzt Bock auf den...
Beste Grüße nach Snake Mountain: Top-Review! |
06.10.2017 22:05 Uhr - NoCutsPlease |
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![]() DB-Helfer ![]() ![]() |
Sehr schön, dass es mal wieder ein Lebenszeichen von dir gibt, Skeletor, und dazu noch ein dermaßen gut geschriebenes. :)
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07.10.2017 01:13 Uhr - TheRealAsh |
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07.10.2017 12:03 Uhr - Tom Cody |
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07.10.2017 20:24 Uhr - Necron |
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08.10.2017 09:01 Uhr - DOTD |
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08.10.2017 09:18 Uhr - Necron |
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08.10.2017 13:58 Uhr - DOTD |
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09.10.2017 22:30 Uhr - naSum |
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