Takeshi Kitano (Violent Cop, Boiling Point) wurde als Regisseur in den 90iger Jahren vor allem durch seine exzellenten Yakuza Dramen bekannt. Nach Brother wandte er sich allerdings vorerst von seinem Lieblingsthema ab und neuen Horizonten zu. Ein Resultat dieser Schaffensperiode war der Samuraifilm Zatoichi. Dieser stellte ein Reboot der gleichnamigen Filmreihe und zugleich den ersten Epochenfilm Kitanos dar. Dabei übernahm Kitano in Personalunion die Stellen des Regisseurs, Drehbuchautors, Hauptdarstellers und Cutters. Die Handlung dreht sich um den titelgebenden blinden Samurai. Dieser trifft in einem Ort auf ein als Geishas getarntes Geschwisterpaar auf der Suche nach den Mördern ihrer Familie und beschließt ihnen bei ihrem Rachefeldzug zu helfen.
Statt einen bitterernsten Samuraifilms abzuliefern, wurden die Actionsequenzen und dramatischen Momente mit einer ordentlichen Prise Humor angereichert. Dies ist meist durchaus witzig geraten, so sorgen besonders die Eskapaden von Shinkichi für den ein oder anderen Lacher und auch sonst sind viele Ideen herrlich amüsant. Auf der anderen Seite wurde aber auch nicht an überraschenden Wendungen (u.a. was die Identität der Mörder angeht) gespart und der nötige Ernst ist durch die Einbindung schwieriger Themen wie Prostitution oder Homosexualität mit eingebunden wurde. Die Figuren wurden zum Großteil auch erfreulich vielschichtig gezeichnet, so ist einer der Antagonisten etwa einerseits ein skrupelloser Killer, andererseits aber auch ein liebender Ehemann und auch unser Titelheld ist nicht immer moralisch einwandfrei und handelt an mancher Stelle so erbarmungslos wie seine Widersacher. Hinzukommen dann noch einige herrlich schräge Figuren, wie der jeden Tag mit seinem Speer durch die Gegend rennende Nachbarsjunge oder die gewiefte Tante. Eine Sache die in einem Samuraifilm natürlich nicht fehlen darf sind die Schwertkämpfe und auch in dieser Kategorie wird mehr als ausreichend geliefert, so kommt es im Laufe des Films immer wieder zu bewaffneten Auseinandersetzungen, was von einem entsprechend sehr hohen Body Count begleitet wird. Wenn Klinge und Fleisch aufeinandertreffen fließt dann der rote Lebenssaft auch reichlich bzw. spritzt in Kaskaden durch die Luft und vereinzelt sind sogar Splatterelemente wie eine abgetrennte Hand vorhanden, einziger Wehrmutstropfen ist, dass beinahe ausschließlich auf CGI zurückgegriffen wurde, was dann auch entsprechend künstlich aussieht.
Für die Kameraführung griff Kitano wiedermal auf Katsumi Yanagijima (Outrage, Battle Royale) zurück, welcher dann auch wunderschöne Bilder auf den Bildschirm zaubert, die dank ruhiger Kameraführung auch optimal überschaut werden können. Ebenfalls eine lobenswerte Erwähnung verdient die musikalische Untermalung von Keiichi Suzuki (Outrage Beyond, Ryuzo and the Seven Henchman), welche die Szenerie passend untermalt und teils mit dem gezeigten Hand in Hand geht (etwa wenn Bauern ihre Arbeit auf dem Feld genau im vorgegebenen musikalischen Rhythmus verrichten oder der Bau eines Hauses bzw. die dadurch erzeugten Geräusche zur Musik beitragen und stellenweise im Kontrast zu ihr stehen). Eine gesonderte Erwähnung verdient auch der am Filmende gezeigte Tanz der Dorfbewohner, in welchem er Elemente des klassischen japanische Kabuki Theaters mit afroamerikanischem Stepptanz verbindet. Auch optisch wissen die dargestellten Bauten und Kostüme zu überzeugen und transportieren den Zuschauer in die dargestellte Epoche.
Vor der Kamera sticht natürlich vor allem Kitano selbst als Zatoichi positiv hervor, so gelingt es ihn sowohl glaubwürdig eine blinde Figur zu verkörpern, als auch trotz seines recht hohen Alters in den Kampfszenen zu brillieren und auch seine Vergangenheit als Stand Up Comedian in einigen Momenten positiv durchscheinen zu lassen. Eine ebenfalls starke Performance gibt Tadanobu Asano (Ichi the Killer, Gemini, hat mit Auftritten in der Thorreihe auch schon den Sprung nach Hollywood geschafft) als Hattori Genosuke ab. Es gelingt ihm nicht nur im Umgang mit seinem Schwert zu brillieren, sondern auch den Zwiespalt seiner Figur zwischen der tiefen Liebe zu seiner kranken Frau und dem Wunsch sie zu retten und den brutalen und gnadenlosen Morden die er für seinen Meister begeht zu verkörpern. Für die komödiantische Auflockerung ist dann vorwiegend Taka Guadalcanal (Zebraman 2: Attack on Zebracity, Boiling Point) zuständig, der vor allem durch die Tollpatschigkeit und Naivität seines Charakters zum Lachen anregt, dabei aber auch recht sympathisch erscheint. Auch sonst sind in den Nebenrollen keine Ausreißer nach unten zu vermelden und alle Darsteller geben ihr Bestes um ihre Rollen auszufüllen.
Wie bisher alle hierzulande veröffentlichten Regiearbeiten Kitanos, bekam auch Zatoichi keinerlei Probleme mit der FSK und wurde mit dem 16er Siegel durchgewunken und erschien in dieser Form später auch auf DVD und Blu-Ray.
Mit seinem Ausflug ins feudale Japan ist Kitano sicher einer seiner zugänglichsten und spaßigsten Filme gelungen, der sich vor allem für Einsteiger in das Schaffen des Regiemeisters dank der gut abgeschmeckten Mischung aus Humor, Action und Dramatik eignet. Nicht so fantastisch wie seine Meisterwerke Hana Bi oder Sonatine, aber dennoch allemal einen Blick wert und auch sehr unterhaltsam, dafür gibt es von mir 8/10 blinde Masseure.
Zusatzinfos: Michiyo Ohkusu, die hier Tante Oume spielt, trat bereits 1966 in Zatoichi’s Pilgramage auf.
Takeshi Kitano blondierte sich für den Film seine Haare um seine Figur moderner zu gestalten und seinen Außenseiterstatus zu unterstreichen.
Kitano sagte in seinem Interview, seine Intention sei gewesen „das Blut wie auf dem Bildschirm erblühende Blumen erscheinen zu lassen“ um die Intensität der vielen Gewaltszenen etwas zu mindern.
Die gute Freundin des ursprünglichen Zatoichi Darstellers und Besitzerin der Filmrechte Chieko Saito wandte sich mit der Bitte an Kitano die Reihe fortzuführen und selbst die Hauptrolle zu übernehmen.
Kitano choreografierte die Kampfszenen zum Großteil selbst, da er mit geschlossenen Augen kämpfte kam es dabei mehrfach beinahe zu schweren Verletzungen.
8/10