Heute habe ich mir mal einen dokumentarisch angehauchten Action-Drama-Thriller ausgesucht, der eine der legendärsten Kommandooperationen bzw. Geiselbefreiungen der jüngeren Geschichte behandelt. Die Rede ist von
Raid on Entebbe,
in Deutschland besser unter seinem etwas reißerischen Titel bekannt als
…Die keine Gnade kennen.
Die TV-Produktion (!) von 1977 hält sich hierbei weitestgehend an die historischen Fakten.
Hierbei handelt es sich zunächst um folgendes: Am 27. Juni 1976 wurde ein Airbus der „Air France“ auf einem Flug von Tel Aviv nach Paris, nach einer Zwischenlandung in Athen, von Mitgliedern der "Volksfront zur Befreiung Palästinas - Auswärtige Operationen" (die allerding seit '72 unabhängig von der PFLP agierte) und zwei deutschen Mitgliedern sogenannter „revolutionärer Zellen“ (Wilfried Böse und Brigitte Kuhlmann) entführt. Dummerweise streikte das Sicherheitspersonal in Athen zu dieser Zeit! Nach einer Zwischenlandung in Libyen, ließen die Hijacker die Maschine bis nach Entebbe in Uganda fliegen, wo die Entführer unter dem Schutz des berüchtigten Diktators Idi Amin standen. Kurz nach der Landung wurden die Geiseln in das Flughafengebäude verlegt. Bald darauf wurden die israelischen (bzw. jüdischen) Geiseln vom Rest der Passagiere getrennt und in einem separaten Raum untergebracht. Während der nächsten Tage entspann sich ein dramatischer Verhandlungsmarathon um das Leben der Geiseln. Während sich Amin vor der Weltpresse als friedensstiftender Unterhändler aufspielte, hielt er doch in Wahrheit die schützende Hand über die Terroristen. Sehr schnell erkannte Israel, dass man hier nur mit Verhandlungen wahrscheinlich nicht weiterkommen würde. Hilfe von befreundeten Nationen war nicht zu erwarten. Also plante man zusätzlich eine militärische Befreiungsaktion, welches die Planer aber vor ungeheure Probleme stellte. Wie sollte man die enorme Entfernung von 4000 Kilometern bis nach Uganda überbrücken, wenn sich nicht irgendein Land finden ließe, wo man die Maschinen auftanken könnte? Wie konnte man sich das Überraschungsmoment bei einem Angriff auf das Flughafengebäude sichern, ohne das Leben der Geiseln zu gefährden? Wie sollte man mit ugandischen Soldaten verfahren, die so dumm wären, sich den Israelis in den Weg zu stellen? Und was war mit den in Entebbe stationierten Mig-Jägern? Wenn nur eine dieser Maschinen abheben würde, wäre die gesamte Operation zum Scheitern verurteilt…. Nachdem man endlich die Zusicherung hatte, in Kenia auftanken zu dürfen, starteten am 04. Juli 1976 mehrere C-130 Herkules-Maschinen und eine Boeing zur Luftüberwachung in Richtung Uganda. An Bord befanden sich gepanzerte Fahrzeuge, Jeeps, eine für den Überraschungsmoment sehr wichtige, schwarze Mercedeslimousine und ca. 100 Mann der Spezialeinheit „Sayeret Matkal“ unter ihrem Kommandanten Yonathan ‘Yoni‘ Netanjahu, dem älteren Bruder des späteren Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu. Eine der wagemutigsten Geiselbefreiungen der Geschichte nahm ihren Lauf…
Zum Jahreswechsel 1976/1977 entstanden gleich drei Filme über die Befreiungsaktion in Entebbe. Am schnellsten war 1976 die amerikanische TV-Produktion „Unternehmen Entebbe“ („Victory at Entebbe“). Trotz namhafter Stars wie Kirk Douglas, Helmut Berger, Elizabeth Taylor oder Burt Lancaster ist der Film wenig empfehlenswert, sondern wirkt eher wie ein billiger Schnellschuss, der auch optisch nie über einfachsten TV-Look hinauskommt.
1977 drehte die Israelis ihre eigene Kinoversion unter dem Titel „Mivtsa Yonatan“ („Operation Thunderbolt“), in der die deutschen Entführer von Klaus Kinski und Sybil Danning gespielt wurden. Regie hatte der spätere „Cannon-Films“-Produzent Menahem Golan. Obwohl „Operation Thunderbolt“ sogar für einen Oscar als bester ausländischer Film nominiert wurde, empfand ich selber den Streifen doch eher als holprig, etwas unbeholfen und mit Kinski als Bösewicht zudem recht klischeehaft besetzt.
Der dritte, ebenfalls 1977 entstandene und fürs US-TV produzierte Film ist nun der hier vorliegende „…Die keine Gnade kennen“ („Raid on Entebbe“). In Deutschland hat es der Streifen zudem auch zu einer Kinoauswertung gebracht. Allerdings war die deutsche Fassung des 140 Minuten dauernden Films lange Zeit nur in einer um satten 20 Minuten gekürzten Fassung erhältlich. Erst 2013 brachte der Verleih „Ascot“ eine ungeschnittene Fassung heraus. Die neu eingefügten Szenen wurden hierbei mit Untertiteln versehen.
Von allen drei Entebbe-Filmen ist dies mit Abstand der beste. Ich muss gestehen, ich liebe diesen Film (trotz kleiner Schwächen). Man muss natürlich mit den richtigen Erwartungen an „Raid at Entebbe“ herangehen. Trotz seines dramatischen, deutschen Titels und der Mitwirkung von Charles Bronson, darf man hier keinesfalls einen reinen Actionfilm erwarten! Der Film ist zunächst ein sehr dichter, spannender Mix aus Politthriller und Entführungsdrama. Sowohl bei der Schilderung der politischen Hinterzimmer-Diskussionen, wie man denn nun verfahren sollte, als auch der Tortur der Geiseln und der quälenden Ungewissheit über ihr Schicksal, ist der Film stets glaubhaft und mehr als überzeugend. Wenn die „Sayeret Matkal“ dann endlich der Befehl zum Starten bzw. das endgültige „Go!“ zum Losschlagen erhält, steigt natürlich auch beim Zuschauer das Adrenalinlevel. Zum gelungenen Finale hat der Film dann auch einige sehr gute Actionszenen zu bieten, die auf den Betrachter des Films im wahrsten Sinne des Wortes „befreiend“ wirken. ;-). Auch die neu eingefügten Szenen lassen den Streifen, trotz seiner doch recht langen Laufzeit, fast zu keiner Sekunde langweilig wirken. Einzige Ausnahme bleibt hier eine ca. dreiminütige Einstellung auf ein paar Fernseher, in der lediglich einige Nachrichten zur Situation laufen. Einige der zusätzlichen Szenen lassen sogar den deutschen Entführer etwas humaner wirken. Eine andere Szene, bei der Brigade General Dan Shomron, gespielt von Charles Bronson, vor dem Abflug noch ein letztes Mal durch das verlassene Flughafengebäude von Entebbe geht und nur die Leichen der getöteten Terroristen an einer Wand aufgereiht sieht, verleiht der ganzen Szenerie eine doch ziemlich melancholische Note. Insgesamt hält der Film durchgehend ein zufriedendstellendes Spannungs-Level und wird mit Beginn der Befreiungsaktion sogar wirklich aufregend. Wenn ich dann z.B. in einer Amazon-Review lese, dass der Film extrem langweilig sei und Chuck Norris‘ „Delta Force“ doch viel mehr rocken würde…da kann ich dann nur noch verzweifelt die Hände über dem Kopf zusammenschlagen.
Die Regie bei „Raid on Entebbe“ hatte Irvin Kershner, den die meisten sicherlich als Regisseur des wahrscheinlich besten Star Wars-Film überhaupt kennen, nämlich „Das Imperium schlägt zurück“ („The Empire Strikes Back“ 1980). Aber auch Filme wie „Die Augen der Laura Mars („The Eyes of Laura Mars“ 1978), „James Bond 007 - Sag niemals nie“ („Never Say never Again“ 1983) oder „Robocop 2“ (1990) gehen auf sein Konto.
Zudem kann „Raid on Entebbe“ mit einer durchaus sehenswerten Besetzungsliste aufwarten. Peter Finch („Network“ 1976) überzeugt als leicht zögerlicher Yitzhak Rabin, der (zu Recht) zunächst ein wenig davor zurückscheut, eine Soldatentruppe ohne die nötige Absicherung auf ein mehr als riskantes Kommandounternehmen zu schicken. Weitere bekannte Gesichter innerhalb des israelischen Stabes oder der Armee-Einheiten sind John Saxon, Jack Warden, Robert Loggia, Charles Bronson und James Woods. Yaphet Kotto (James Bond 007 – Leben und Sterben lassen“ (1973), „Alien“ (1979)) gibt einen wirklich widerlichen Idi Amin ab, der sich als Wohltäter und Unterhändler aufspielt, in Wahrheit aber die Terroristen durch seine schwerbewaffneten Soldaten schützt. Der eigentlich gar nicht mal unsympathisch gezeichnete Deutsche Wilfried Böse wird von Horst Buchholz verkörpert, der hierbei eine interessante Alternative zu den mit Helmut Berger und Klaus Kinski doch eher klischeehaften „Bad Guys“ der anderen Verfilmungen bietet. Zudem hat Böse wohl auch tatsächlich nicht mit seiner Waffe versucht, auf Geiseln zu schießen (obwohl er die Gelegenheit dazu hatte), sondern richtete sie "nur" auf die angreifenden israelischen Soldaten. Zu guter Letzt ist unter den Passagieren auch noch der stets verlässliche Martin Balsam zu finden, sowie Eddie Constantine als Flugkapitän des entführten Airbus.
Die Musik zu „Raid on Entebbe“ stammt vom bekannten Komponisten David Shire, der zu so unterschiedlichen Streifen wie „Fahr zur Hölle Liebling“ („Farewell my Lovely“ 1975), „Die Hindenburg“ (1975), „Die Unbestechlichen“ („All the President’s Men 1976), „Stoppt die Todesfahrt der U-Bahn 1-2-3 (The Taking of Pelham 123“ 1974) oder David Finchers „Zodiac- Die Spur des Killers“ (2007) den Soundtrack lieferte. Ein wahrer Triumph ist die Filmmusik in der Szene, in der die Flugzeuge startklar gemacht werden und die Einheiten in ihre Maschinen steigen (eine meiner absoluten „all-time-favourite-moviescenes“). Zusätzlich setzt sich unwiederbringlich die hebräische Hymne „Hine Ma Tov“ in den Gehörgängen fest, da sie an mehreren Stellen des Films zu hören ist.
Interessant am Rande: So ganz weit hergeholt ist der Vergleich zu „Delta Force“ (1986) mit Chuck Norris übrigens nicht. Der Film orientiert sich sicherlich auch an den Fakten dieser Befreiungsaktion von 1976 und stockt das Ganze mit jeder Menge übertriebener Action auf. Zudem war „Delta Force“ eine Produktion des von Menahem Golan gegründeten „Cannon“-Studios und Golan selbst hatte ja fast 10 Jahre zuvor Regie bei „Operation Thunderbolt“ geführt. Lustigerweise ist in beiden Filmen Martin Balsam in einer Rolle als Geisel zu sehen.
Abschließend würde ich sagen, "...die keine Gnade kennen" ist ein spannender, mitreißender und sehr gut gespielter Mix aus Politthriller, Drama, Actionfilm und Zeitgeschichte, den ich (trotz vielleicht ein oder zwei kleinerer, dramaturgischer Hänger) jedem, der nicht unbedingt auf ein Non-Stop-Actionfeuerwerk aus ist, uneingeschränkt (mit 8 von 10 Punkten) empfehlen kann.
8/10