Was habe ich damals mit mir selbst gekämpft, ob ich mir den Rape and Revenge-Film I SPIT ON YOUR GRAVE (1978) anschaue. Zusammen mit Wes Cravens THE LAST HOUSE ON THE LEFT ist dieser Streifen ein exploitativer Klassiker dieses klitzekleinen Genres, welches darstellt, wie Frauen, und selten auch Männer, die vergewaltigt wurden, sich blutig rächen. Bei der Darstellung von Mord, Folter und heftigen Schlägereien, da wird selten der moralische Zeigefinger erhoben, aber die Darstellung von Vergewaltigungen, das ist für viele böse böse böse. Na ja, man muss so etwas ja nicht gucken. Und wenn man weiß, dass man das nicht möchte, kann man sich ja immer noch dafür auf die Schulter klopfen, so etwas 'verwerfliches' abzulehnen. Ein wenig bin ich wohl auch darauf konditioniert, so etwas abzulehnen, aber ich habe dieses Genre auch für mich entdeckt, und das schon, als ich ISOYG gesehen hatte. Der in Argentinien und Spanien gedrehte I'll Never Die Alone ist im Grunde ein Exploitationsfilm unserer Zeit, der Ideen der besagten Klassiker aufgreift, und diese nach eigenen Ermessen formt. Das ist zum Teil gut gemacht, auch wenn das niedrige Budget und die Non-Professionalität seine Spuren hinterlassen hat. Der Regisseur und Drehbuchautor dieses Schmuddelfilmchens, Adrián García Bogliano, lässt durchblicken, welche Freude dieser Spanier an Exploitations- und Horrorfilmen (Texas Chainsaw Massacre wird auch zitiert) der Siebziger hat. Ein wenig mehr Mut zu einem Stil, der von den Vorbildern abweicht, wäre aber auch erfrischend gewesen. Beim simplen Drehbuch wurde Bogliano wie so oft von seinem Bruder, dem Regisseur und Drehbuchautor Ramiro unterstützt, 2006 wurde das Gespann für 36 pasos ausgezeichnet. Auch der Low Budget-Produzent, Schauspieler und Effekt-Spezialist Martín Frías, der auch für die Effekte von I'll Never Die Alone zuständig war, werkte an der Story.
Es scheint so, als ob die Rollen einfach so verteilt wurden, dass Männer mit grobschlächtigen Gesichtern zu Tätern, Frauen mit Kulleraugen zu ängstlichen zarten Pflänzchen, ohne Kindchenschema zu wehrhaften Amazonen auserkoren wurden. Keine schlechte Wahl, aber das Verhalten der Figuren ist fast vorherbestimmt. Die Persönlichkeiten der jungen modernen Frauen werden durch die Dialoge über Bekannte, Freundinnen und "Typen" oft nur angedeutet. Wobei interessant ist, dass eine der Täterinnen in Spe auch darüber spricht, wie der eigene Vater sie das Schießen gelehrt hat. Sind die Rollen nur so verteilt, dass Männer mit Gewalt verbunden werden? Im Prinzip ja. Die Reise der jungen Frauen durch die abgelegenen Gegenden, und damit die Begegnung mit den Verhältnissen dort, führt zu folgendem Fazit. Es wird dargestellt wie eine geschlechtlich bestimmte Machtverteilung innerhalb der Gesellschaft Missbrauch den Weg ebnen kann, aber auch, wie in einem Patriachat Männer, die sich gegen Missbrauch richten, zu Opfern werden können. Auch wenn das ja gar nicht dumm ist, dass die Individualität nicht gänzlich ignoriert wird, ist in I'll never die alone keine wirklich interessante Tiefe zu finden. Adrián García Bogliano kann allerdings eine bedrückende Atmosphäre aufbauen. Schade, dass er dies nicht durchgängig zu Stande bringt. I'll Never Die Alone ist in drei Teile aufgeteilt. Die Reise ins vermutlich argentinische Hinterland, die ellenlangen Vergewaltigungen und die Rache.
Die Inszenierung von Bogliano kann den Stil eines Roadmovies durch Kamerafahrten rund um das Auto der Frauen, oder kurz über dem Asphalt der Straße, gut präsentieren. Das Grau, welches so ziemlich jedes Bild umrahmt, kann eine dreckige Stimmung halten, der düstere Industriel, der in vielen Szenen relativ leise zu hören ist, passt überraschend gut. Oft wird das zarte Pflänzchen mit den Kulleraugen (mittelmäßig: Gimena Blesa: Penumbra, Here comes the Devil) mit nahen Einstellungen und Großaufnahmen zum Mittelpunkt vieler Bilder, ihre Rehaugen sind das perfekte Abbild des Kaninchens vor der Schlange. Die Umgebung, die zunächst unbekannten Figuren, alles wird durch dieses Kaninchen als Identifikationsfigur zur möglichen Bedrohung. Da sitzt diese Figur oft ängstlich im Vordergrund, und das Umfeld um sie herum ist wenig bis gar nicht zu sehen, was die Unsicherheit der jungen Frau verstärkt darstellt. Ein Kunststück, und die größte inszenatorische Stärke des Films. Der erste Teil von I'll Never Die Alone baut den Spannungsbogen geschickt auf. Und verliert im mittleren Teil an Spannung, als es zu den Vergewaltigungen kommt.
Als die Frauen missbraucht werden, besteht ihnen gegenüber eine starke dramaturgische Distanz, und von einer Protagonistin kann man von da an nicht mehr sprechen. Die Schnitte von Adrián García Bogliano und Hernán Moyano (Regie und Schnitte: Pequeña Babilonia) sowie die Kameraarbeit von Fabricio Basilotta (Masacre esta noche, auch von den Bogliano-Brüdern) konnten zuvor noch überzeugen, die langatmige Quälerei ist aber holprig inszeniert. Die Szenenbilder sind und der dargestellte Missbrauch verläuft plakativ. Die unmittelbaren Reaktionen der Frauen sind jedoch nicht eintönig, da diese nicht nur schreien und weinen, sondern sich auch apathisch der Situation ergeben. Was wirklich fies und effektiv durch geschickte Bilder-Wechsel in Szene gesetzt wird, ist, wie die Frauen dabei zuschauen, wie ihre Freundinnen leiden müssen, mit der Gewissheit, dass sie ähnliches erleiden werden. Einfallsreich ist das aber auch nicht gerade. Das Leiden der Frauen wird von den Akteurinnen nicht schlecht dargestellt, aber Marisol Tur (Schauspiel und Make up: Masacre esta noche), Blesa, die unbekannte Magdalena De Santo und meine favorisierte Rächerin, die Kostüm-Designerin (Mi amor, mi amor) und Schauspielerin (36 pasos) Andrea Duarte, haben in dem schlichten dramaturgischen Kontext wenig Chancen für bemerkenswerte schauspielerische Künste. Und auch die Täter sind von z. B. Leonardo Cuchettie (Temblar) und Leonardo Canga (El sepelio de Balma) nicht besonders schlecht gespielt, aber zu blass, um wirklich zu überzeugen. Was diesem Teil des Films aber fast das Genick bricht, das sind Szenen, in denen man den Schauspielern ansehen kann, wie "Und Action" gerufen wird, und sie verzögert handeln. Solche Szenen brechen ähnlich ärgerlich mit der Dramaturgie wie ein Mikrophon, das im Bild erscheint. Immerhin, das erste mal konnte ich bei einem Rape and Revenge Film sofort schmunzeln, unterhaltsam ist auch das. Natürlich, es ist immer erschreckend, wenn dargestellt wird, wie Menschen nackt und schutzlos ausgeliefert sind, und von brutalen Widerlingen geschlagen, erniedrigt und vergewaltigt werden, aber auch diese Schrecken sind wenig wirksam, wenn sie so gestellt sind. Im letzten Teil bekommt I'l never die alone aber wieder ein bisschen in Schwung.
Die Frauen, die zuvor nur wenig im Bild sind, zeigen sich jetzt direkt. Bei einem Film wie I'll Never Die Alone, der auch kein halbwegs ernst zunehmendes Drama ist, und der trotz Potential und obligatorischer Härte außerdem unfreiwillige Komik bietet, kann gute Laune aufkommen, wenn die Widerlinge gezüchtigt werden. Besonders Andrea Duarte kann ihr hübsches Gesicht so wunderbar wütend verziehen, dass "Yippie!" gerufen werden kann, wenn sie den Spieß umdreht. Dabei gibt es auch Szenen, die gestelzt und unglaubwürdig wirken, aber die sind künstlerisch trotzdem nicht schlecht durchdacht, und können echt gefallen. In blutigen Szenen sieht man allerdings das geringe Budget, die Effekte sind nicht besonders gut.
Man kann erkennen, dass Regisseur Adrián García Bogliano ein gewisses Talent hat, welches die diversen Auszeichnungen für beispielsweise seinen Film Here comes the Devil erklärt. Aber sein exploitativer Rape and Revenge-Film kann seinen Vorbildern nicht annähernd das Wasser reichen. Die Darsteller sind nicht schlecht, aber die zum Teil holprig inszenierten Gewalt-Szenen bleiben weit hinter den dramaturgischen Möglichkeiten, die das Thema bietet. Interessenten müssen den Film definitiv nicht scheuen, aber dieser Rape and Revenge -Beitrag macht die Couch nicht zur Achterbahn, er bietet eher etwas seichte Unterhaltung.
5/10