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Bone Tomahawk

Herstellungsland:USA (2015)
Standard-Freigabe:FSK keine Jugendfreigabe
Genre:Abenteuer, Horror, Drama, Western
Bewertung unserer Besucher:
Note: 7,33 (47 Stimmen) Details

Inhaltsangabe:

Das Jahr 1800. Irgendwo in der Nähe der Grenze zwischen Texas und Mexiko. Unwissentlich führt ein Gesetzloser eine Gruppe kannibalischer Höhlenbewohner in die friedliche Westernstadt Bright Hope. Dort verschwinden nach und nach einzelne Siedler, darunter auch die Frau des örtlichen Rinderbarons. Dieser begibt sich, trotz seines verletzten Beins gemeinsam mit dem Sheriff, seines alternden Deputys und einem zu allem entschlossenen Revolverhelden auf Rettungsmission. Was folgt ist die Hölle auf Erden, die durch die Brutalität der furchtbaren Gegner keine Gnade kennt... (Highlight Film)

eine kritik von dicker hund:

Regiedebuts betreffen nicht selten deftige Schocker. So wundert es nicht, dass "Bone Tomahawk" die erste Arbeit S. Craig Zahlers ist. Das Subgenre des Neokannibalenfilms hat er clever gewählt, denn dort gibt es wenig Konkurrenz, erst recht wenn man die Landschaft nach Kreuzungen mit Western absucht. Nach der Freude über diesen riesigen Sonderlingsstatus, den sonst nur wenige Titel wie "Ravenous" haben, kann man sich hineinstürzen in das Geschehen um Wilde und Revolver.

Erste Sekunde, erster Kehlenschnitt. Sid Haig, besser bekannt als Captain Spaulding kratzt sich mit seinem Schießeisen im Genitalbereich. Mal wieder spielt er einen Gauner; David Arquette, der hier "Purvis" heißende Deputy aus "Scream", wird offenbar von ihm in das Outlaw-Dasein eingelernt. Diesen Azubi verschlägt es schließlich in das staubige Wüstenkaff "Bright Hope" - einen Ort, der immer noch einladender ist als die unwirtliche Beinahe-Wüste um ihn herum oder gar die knochenweiße Berghöhle der zotteligen Menschenfresser. Wo die Geschichte auch landet, ob öde Steppe oder karges Interieur, die Umgebung wirkt gleichzeitig imposant und unangenehm verlassen. Schon früh entsteht dadurch eine zunächst unterschwellige, sodann zunehmend eindeutige Melancholie, die erst gegen Ende durch die sensiblen Streicher veredelt wird. Von jenen hätte man gerne mehr gehört, die Musik aus dem Abspann wäre als maintheme optimal gewesen.

Auf diese Weise entsteht andererseits zusätzlicher Raum für die toxische Stille zwischen den Machos in der tollkühnen Gruppe auf dem Weg zum Himmelfahrtskommando. Der kriegserfahrene Witwer Deputy Chicory versucht deren schlimmste Auswirkungen durch harmlose Konversation und galligen Zweckoptimismus zu verhüten. Richard Jenkins ("Blue Steel", "Cabin in the Woods") füllt damit eine der sympatischen Rollen aus und sorgt für ein wenig Lachen, das einem aber nicht selten im Halse stecken bleibt (Humor 2/10). An seine Seite gesellen sich andere, sperrigere Charaktere. Besonders zwiespältig erscheint Arthur O'Dwyer, der sich durch leichtsinnig ungesicherte Arbeiten am Dach seines Hauses eine Beinverletzung zugezogen hat und es nicht mit seinem Stolz vereinbaren kann, dass so eine Wunde eben Heilung braucht. Wenigstens weicht seine verbissen unvernünftige Entschlossenheit nicht, wenn es um die Rettung seiner entführten Ehefrau geht. Mit ihr schafft er es zuvor trotz seines Ärger über sein Handycap noch zu scherzen - und intim zu werden, was in gewohnt kurzer US-Erotik zu sehen ist (Sex 3/10). Patrick Wilson ("Hard Candy", "The Conjuring") meistert die anspruchsvolle Figur vorbildlich. Noch mackerhafter als diese tritt der geschniegelte Single John Brooder (Matthew Fox) auf, ein arroganter Womenizer mit überlegenem Survival-Wissen und zugleich erschreckender Skrupellosigkeit. Die Stimme der Vernunft schließlich spricht Sheriff Franklin Hunt, gespielt von niemand geringerem als Kurt "Snake Plissken" Russel, der routiniert die Moderation der mehr oder weniger latenten Binnenaggressivität der Gruppe übernimmt. 

Diese lässt nichts Gutes erahnen, die übel zugerichteten Leichen sowieso nicht. Dergleichen ist selten zu betrachten - wenn, dann aber wirkungsvoll (Horror 6/10). Insbesondere die Impressionen der "Mütter" an exponierter Stelle dürften so schnell nicht vergessen werden. Sie lassen erahnen, welches Schicksal Arthurs Frau Samantha ereilen könnte, so sie denn nicht aus den Fängen des unzivilisierten Stammes befreit wird. Lilli Simmons transportiert dabei ausreichend Sympathie, um nicht nur eine zu rettende Trophäe für die todesmutigen Haudegen darzustellen. Ohnehin baut "Bone Tomahawk" geschickt Kritik an einem Verständnis von Männlichkeit ein, das auf dem Willen zur Unbesiegbarkeit und zum Heldentum basiert. Ein tiefstapelnder alter Mann und eine vordergründig wehrlose weibliche Geisel sind dafür intelligent gewählte Sprachrohre, ohne dass dem Drehbuch dabei der Fehler unterläuft, den Zeigefinger allzu hoch zu erheben. Jenes bemüht sich sogar, den Kategorie-immanenten Rassismus durch einige Relativierungen abzumildern, was zu Lasten des Sleaze-Faktors geht, aber recht überzeugend gelingt.

Eine ambitionierte Charakterisierung und die Konstruktion beiläufigen Anspruchs brauchen Zeit. Diese vergeht gefühlt recht angenehm, was den schön treffsicher geschriebenen Dialogen zu verdanken ist. Allein das Verhör zwischen dem Sheriff und dem unter dem Aliasnamen "Buddy" auftretenden Purvis erweist sich als kleines Fest für die Ohren, woran die prima betonte Synchro einen nicht unerheblichen Anteil hat. Nachteil des Ganzen ist eine unleugbare Langatmigkeit, die auf die erste nennenswerte Goreszene mehr als 90 Minuten warten lässt. Sobald das Kunstblut allerdings zu fließen beginnt, sind die einschlägigen Passagen individuell gestaltet und ausgezeichnet ausgearbeitet. Was hier an drastischer Härte gezeigt wird, braucht sich hinter manch einem Exploiter aus den späten 1970ern nicht zu verstecken (Gewalt 7/10). Angesichts dessen hätte man die lange Wartezeit auf das Gekröse locker verziehen, wäre da nicht der viel zu abrupte Schluss. Dort entsteht der unangenehme Eindruck, nach dem ausgiebigen Getrödel würde nun die Zeit fehlen, die Story angemessen abzurunden. Im Anschluss an einen derart epischen Auftakt sieht das einfach nach Stilbruch aus.

Und was lernt man nun daraus? Nun ja, Chauvinisten sind ätzend, aber manchmal nützlich:

"Ein wirklich kluger Mann heiratet nicht."

Und die weite Prärie ist auch nicht besser als der Dschungel am Amazonas:

"Ich glaube ja, dass die Welt angeblich rund ist. Aber wenn ich mir das hier ansehe, habe ich so meine Zweifel."

Wer eine Antenne für ein nachdenklich-tristes Szenario auch in einem Kannibalenstreifen hat, wird wie der Autor den "Bone Tomahawk" als kleine Filmperle zu schätzen wissen (7/10 Punkten). Andere werden wie der Kollege JasonXtreme die dubiose Sprache des Deputys einfach nur als nervig und die ersten drei Viertel der Spielzeit als verschwendet empfinden, weshalb die genannte Kritik als Kontrastprogramm zu diesem Review hier empfohlen sei. Wen das nicht abschreckt, der kann sogar bei der Fassung mit dem roten FSK-Flatschen zugreifen. Wie schon bei "The Green Inferno" lassen die Prüfer dem Subgenre inzwischen einiges durchgehen. 

7/10
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Kommentare

13.03.2018 07:21 Uhr - Nubret
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Mag den auch. Deftiger Schocker in ungewöhnlichem Ambiente. Wie immer schmackhaft angerichtet, liebes Hündchen!

13.03.2018 08:21 Uhr - NoCutsPlease
1x
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Wuffi gräbt derzeit ein 'Gebein' nach dem anderen aus. ;)
Dieser hier interessiert mich schon eine ganze Weile und du hast mir durchaus Appetit darauf gemacht.

13.03.2018 09:09 Uhr - JasonXtreme
1x
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Danke werter Kollege, zuviel der Ehre ;) der gefällt gefühlt eh fast jedem besser als mir - aber wieder vortreffliche Arbeit!

13.03.2018 10:11 Uhr - TheRealAsh
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Da muss ich mich auch anschließen, mir ist der sogar eine 9 wert, da ich Zahler grandios finde. Du beschreibst den Film übrigens sehr treffend und es liest sich sogar wie eine höhere Wertung. Mit der Kritik hast du den Nagel auf den Knochen getroffen.

13.03.2018 11:10 Uhr - Knochentrocken
1x
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Mir ist er sogar eine 10 Wert. Wunderschöne Landschaftsaufnahmen, großes Kaliber an grandiosen Schauspielern, welche aber nicht diese typischen Figuren spielen, heisst: sympathische Figuren, ein Twist von Western zu Horror, sehr wenig Cgi (ich glaube nur der Kill am Ende war Cgi) ansonsten Set-design, Setting und Gore mit praktischen Effekten bzw. handgemacht.

Und, das hatten wir glaube schon Mal @Ash, dass der Film keine Musik besitzt, du mir aber schriebst, dass es einige ruhige Kläne gibt.

Für mich ein hammer Western der Neuzeit!

13.03.2018 18:39 Uhr - tschaka17
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War von "Brawl in Cell Block 99" von Zahler echt begeistert, bin hier allerdings stark am überlegen. Langsamer Aufbau wäre kein Problem, extrem derber Gore hingegen schon. Review ist sehr gelungen, mir gefallen besonders immer die einzelnen Kategorienwertungen wie Humor oder Gewaltgrad. Sorgt für eine detailiertere Einschätzung.

13.03.2018 19:21 Uhr - dicker Hund
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Vielen lieben Dank für das ausgiebige Feedback!

@Nubret
Ja, das schmackhafte Anrichten liegt in meiner Komfortzone;-)

@NCP
Habe auch oft Appetit...

@Jason
Ehre, wem Ehre gebührt!

@Ash und Gott
Das Zahlensystem versteht jeder anders. Eine 7 ist bei mir eine Empfehlung für Genrefans, aber noch nicht für Gelegenheits-Schockerfreunde.

@tschaka
Freut mich sehr. Wenn extrem derber Gore nichts für Dich ist, werden wir allerdings nur selten Berührungspunkte haben. Wobei sich noch die Frage stellt, was genau Du darunter verstehst. Zur Illustration: "Gewalt 7/10" ist auch das Niveau vom ersten "Hostel", wenn das weiterhilft.

13.03.2018 22:02 Uhr - tschaka17
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Hab mir tatsächlich all diesen Folter-Splatter à la Saw oder Hostel etc. gespart, ist einfach nicht mein Fall. Hatte nur gelesen, dass Bone Tomahawk mit Kannibalismus und Ausweiden stellenweise nicht geizt?! Das wäre dann eher weniger für meine zarten Nerven :D

13.03.2018 22:38 Uhr - dicker Hund
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13.03.2018 22:02 Uhr schrieb tschaka17
Hab mir tatsächlich all diesen Folter-Splatter à la Saw oder Hostel etc. gespart, ist einfach nicht mein Fall. Hatte nur gelesen, dass Bone Tomahawk mit Kannibalismus und Ausweiden stellenweise nicht geizt?! Das wäre dann eher weniger für meine zarten Nerven :D


Yep, carnivore Rohkost ist dabei.

14.03.2018 08:40 Uhr - JasonXtreme
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Naja aber nun wirklich nur am Ende in zwei drei Szenen - den kannst also getrost schauen und dann drüber wegspulen ;)

14.03.2018 12:48 Uhr - naSum
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Bei nur 7 Punkten für gratis Knochen im Titel musste ich erst schmunzeln. Deine Schreibe überzeugt dann aber gewohnt prägnant.
Mir ist der, wie auch Ash, eine 9 wert, da mir die von dir als Stilbruch betitelte Genreveränderung am Schluss besonders gefallen hat. Sie akzentuiert den kulturellen Konflikt bis ins Äußerste und betont die zwecklosen Friedensbemühungen zwischen Cowboys und Indianern. Ich fands spitze inszeniert und von authentischem Schauspiel getragen. Kann deine Unmut aber verstehen. Bei der 5 vom Jason wirds knackig ;) Da muss ich nochmal nachlesen.

14.03.2018 14:53 Uhr - tschaka17
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Hab ich ebenfalls schon gemacht naSum:

"Regisseur Craig S. Zahler war hier übrigens für Drehbuch und auch als Komponist für einen Track verantwortlich... ob der nach so einem Debüt noch was brauchbares nachliefern kann - ich glaube es ehrlich gesagt nicht." (JasonXtreme - Review Bone Tomahawk).

Dann interessiert mich deine Meinung zu Brawl in Cell Block 99 ja mal ganz besonders :D Und ich hab gehört, du zahlst bald meinen Therapeuten?!^^ Ich glaub, diesmal passe ich wirklich.

14.03.2018 21:42 Uhr - DriesVanHegen
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Ich fand ihn gerade wegen seiner dialoglastigen zwei Drittel so besonders, die harte Kehrtwende sorgt dann aber für ein hartes und erbarmungsloses Finale.
Das war auch eine meiner aller ersten Blu-Rays, die ich mir als Einzel-VÖ gekauft habe.
Toller Cast (jaja,Kurt Russel, aber ich freue mich viel mehr, wenn ich Richard "Nathaniel Fisher" Jenkins mal wieder sehen kann), staubtrockene Bilder und eine eben solche Atmosphäre. Allerdings muss ich zugeben, dass ich mir das Werk seitdem kein zweites Mal angeschaut habe - irgendwie fehlt mir in letzter Zeit die Lust für solche langsamen und elegischen Stücke...

16.03.2018 08:54 Uhr - JasonXtreme
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14.03.2018 14:53 Uhr schrieb tschaka17
Hab ich ebenfalls schon gemacht naSum:

"Regisseur Craig S. Zahler war hier übrigens für Drehbuch und auch als Komponist für einen Track verantwortlich... ob der nach so einem Debüt noch was brauchbares nachliefern kann - ich glaube es ehrlich gesagt nicht." (JasonXtreme - Review Bone Tomahawk).

Dann interessiert mich deine Meinung zu Brawl in Cell Block 99 ja mal ganz besonders :D Und ich hab gehört, du zahlst bald meinen Therapeuten?!^^ Ich glaub, diesmal passe ich wirklich.


Ich bin auch gespannt, das kannst mir glauben :D

24.05.2021 09:39 Uhr - Rullep
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Gelungene Review mit passender Punktzahl!

Ich empfand eigentlich nur das fehlen von Kurt Russels üblicher Synchronstimme (Manfred Lehmann) als Defizit. "Bone Tomahawk" mag gewiss kein Meisterwerk sein, doch er ist trotz seiner großzügigen Länge ein unterhaltsamer Western. Dagegen fand ich den (auch mit Russel) im gleichen Jahr gedrehten "The Hateful 8" wesentlich schlechter, obwohl ich Tarantino-Fan bin. Gerade die Dialoge, welche mich bei diesem Schneekammerspiel im Kino zum einschlafen animierten waren ein Grund dafür.

Bei "Bone Tomahawk" ist gerade das Drehbuch ein großer Pluspunkt und sämtliche Hauptfiguren waren interessant. Die entspannte Erzählweise passte ebenso, wie der fein eingestreute Humor an manchen Stellen. Letztlich Geschmackssache aber für mich der klar bessere Russel-Western aus 2015.

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