Die neue Verfilmung des Videospiel-Klassikers Tomb Raider beruht auf dem bei Fans gut weggekommenen Game-Reboot aus dem Jahr 2013, wo Lara Crofts Entwicklung von einer - sagen wir mal - "normaleren" jungen Frau zur knallharten Survival-Königin nachgezeichnet wird. Der "Fall", den Lara in der Verfilmung (und im Game) untersucht, betrifft eine japanische Königin, die aufgrund eines Fluchs viel Unheil über die Welt bringen soll, was sie auf die abgelegene südpazifische Insel Yamatai führt, wo Oberbösewicht Mathias Vogel im Auftrag des Weltverschwörungsordens Trinity die Vorteile dieser Sage in bare Münze umwandeln soll.
Der Unterschied zum Reboot des Games ist in der Verfilmung klar die Konzentration auf Laras Vater, der als Antrieb für sie genommen wird, um überhaupt die Reise anzutreten. Dies ist gleichzeitig schon einer der positiven Punkte, die den Film ausmachen. Lara hat eine deutliche Wunde in ihrem Leben, mit der sie nicht umgehen kann. Gerade dieser Film macht ihren Charakter ein Stück weit glaubwürdig und nachvollziehbar.
Und ja, Tomb Raider ist ein durchaus harter Survival-Film, dessen beste Momente tatsächlich im Überlebenskampf von unserer Heldin liegen, die eben keine Superkräfte hat, sondern eine zähe und drahtige junge Frau ist, die schon zu Beginn als passionierte Sportlerin eingeführt wird, womit sich natürlich erklärt, warum sie die härtere Gangart aushält. Dabei finde ich besonders gut, dass sie als nicht unfehlbar dargestellt wird, sich aber verteidigen kann.
Negative Aspekte möchte ich eigentlich gar nicht so sehr hervorheben, aber meine Angst lag lange Zeit darin, dass der sehr starke mittlere Teil, der den Überlebenskampf und die Flucht auf Yamatai betrifft, einem unrealistischen Fantasy-Mythos am Ende weichen muss, wo dann Zauberei und weiterer Firlefanz hinzukommen. Glücklicherweise bleibt dies vor allem bei Lara in einem aufgeklärten Weltbild, in dem sogar die hinterlassenen Aufzeichnungen von Laras Vater diesen mehr als Wahnsinnigen und Besessenen zeichnen, dessen Hauptfehler eigentlich darin lag, sich nicht um seine Tochter gekümmert zu haben.
Diese Verfilmung hat eine lange Produktionsgeschichte. Neben Catherine Hardwicke (Lords of Dogtown, Twilight) und Mimi Leder (Deep Impact) wurde wohl auch Kathryin Bigelow (Near Dark, The Hurt Locker, Zero Dark Thirty) für den Regieposten gehandelt, was natürlich schon eine Nummer gewesen wäre und dem Film eine sicher gänzlich andere Härte und Ausrichtung gegeben hätte. Die Besetzung mit dem "röhrenden" Norwegerhirsch Roar Uthaug war allerdings sicher kein Fehler, auch wenn man merkt, dass er seine Vision insgesamt - vor allem in Bezug auf das Ende - wohl nicht ganz durchziehen konnte und einige Abstriche für das Tomb-Raider-Universum machen musste. Seinen Horror-Thriller Cold Prey und den Katastrophenfilm The Wave gilt es durchaus zu entdecken.
Weiterer wichtiger Punkt: Alicia Vikander (Ex Machina, Jason Bourne). Selten habe ich eine taffere weibliche Action-Heldin gesehen, wie sie. Wer auf Beatrix Kiddo aus Kill Bill steht, die neue Wonder Woman cool findet und Katniss Everdeen (Die Tribute von Panem) was abgewinnen kann, der wird die neue Lara mehr als lieben. Das Beste an Vikanders Darstellung ist einerseits ihre manchmal etwas kindlich wirkende Art der noch unerfahrenen Lara, die sie in Extremsituationen aber zu einer widerständigen und schmerzerduldenden Überlebenskünsterlin führt, die eben keine Superheldin mit Superduperkräften ist, sondern menschlich und fehlbar.
Oberschurke Mathias Vogel wird von Walton Goggins (Django Unchained, The Hateful Eight) übrigens ebenfalls hervorragend verkörpert, da ich mir persönlich einen Psychopathen auf diese kranke und doch zurückhaltende Art vorstelle. Überhaupt muss man sagen, dass die Figurenzeichnungen durchaus eine ungewohnte Tiefe haben (Stichwort: familiärer Hintergrund, Alkoholismus, Vernachlässigung), die dem ganzen Cast um Hannah John-Kamen, Dominic West, Kristin Scott-Thomas, Nick Frost und Daniel Wu zu Gute kommen.
Altes Thema, gleicher Inhalt: Der Soundtrack von Tom Holkenborg (Deadpool, Mad Max: Fury Road, Brimstone, The Dark Tower) veredelt Tomb Raider mal wieder in jeder Hinsicht auf seine ureigene Art, die sich zwischen laut pumpender Elektronik und ruhig und still vor sich hinstreichender Klassik bewegt. Ich muss zugeben, dass ich mir manchmal Filme schon allein wegen der Soundtrack-Komponisten anschaue (z.B. Game Night, Spectral oder Criminal Squad).
Ich bin ein großer Abenteuer-Freund und wurde beim neuen Tomb Raider fast nicht enttäuscht. Gerade die unwegbare Insel Yamatai hat mir hervorragend gefallen und mich an Klassiker wie Robinson Crusoe, Indiana Jones, Lost oder Auf der Jagd nach dem grünen Diamanten erinnert. Für Comic-Fans in dieser Richtung möchte ich meinen absoluten Spirou-und-Fantasio-Liebling Tora Torapa empfehlen, der zwar völlig anders ist, aber in einem ähnlich coolen Insel-Setting spielt.
Zur FSK-12-Freigabe muss ich bemerken, dass sich hier keiner abschrecken lassen sollte. Gerade die Schmerzen im Survival-Kampf, die Lara aushalten muss, haben mich ein Stück weit an Sylvester Stallones Leidensmimik und vor allem an Rambo erinnert. So weit ist der Vergleich nicht mal hergeholt, aber das muss jeder selbst entscheiden. Wer seinem 12-jährigen Sohn oder seiner Tochter eine Freude machen möchte, sollte die Möglichkeit wahrnehmen und ihn oder sie (oder beide) mit ins Kino nehmen, um ihnen ein einschneidendes Filmerlebnis mit Mama und Papa zu bescheren, das durchaus prägsam sein könnte. Und zur Freigabe muss man sagen, dass die FSK 12, wie letztens ja auch bei Blade Runner 2049, hierbei durchaus brutale und unmotivierte Filmtote zu verzeichnen hat. Fürchtet euch also nicht!
Insgesamt ist Alicia Vikander eine supercoole Lara Croft, bei der ich echte väterliche Gefühle bekomme, und Tomb Raider der Beginn einer harten und erstaunlich ernsthaften Filmreihe, von der ich hoffe, dass die phantastischen Elemente nicht überhandnehmen.
Möge die heilige Trinity mit uns sein, springen kann das Mädel, unglaublich!
8/10