SCHNITTBERICHTE | # | A | B | C | D | E | F | G | H | I | J | K | L | M | N | O | P | Q | R | S | T | U | V | W | X | Y | Z
Titel suchen:
Dead Space Remake · der Sci-Fi-Survival-Horrorklassiker · ab 59,99 € bei gameware Diablo 4 · Looten und Leveln · ab 77,99 € bei gameware

The Killing of a Sacred Deer

Herstellungsland:Großbritannien, Irland (2017)
Standard-Freigabe:FSK 16
Genre:Horror, Drama, Mystery
Bewertung unserer Besucher:
Note: 8,25 (12 Stimmen) Details

Inhaltsangabe:

Steven (Colin Farrell) ist ein erfolgreicher Herzchirurg und verheiratet mit der Augenärztin Anna (Nicole Kidman). Mit ihren beiden Kindern Bob und Kim leben sie in einem schönen Haus in einem idyllischen Vorort – eine perfekte Familie. Doch unter der makellosen Oberfläche beginnt es zu brodeln, als der 16-jährige Halbwaise Martin (Barry Keoghan) auftaucht. Der Teenager aus einfachen Verhältnissen freundet sich mit Steven an und versucht ihn, mit seiner Mutter zu verkuppeln. Als sein Plan scheitert, belegt er Stevens Familie mit einem Fluch. (Alamode Filmverleih)

Diese Kritik enthält Informationen über den späteren Handlungsverlauf der Geschichte.
eine kritik von therealash:

ACHTUNG: das ist kein herkömmlicher Horrorfilm und kann für viele Genrefreunde sicher ein enttäuschendes Seherlebnis werden. Allerdings ist dies aus meiner Sicht ein Film, der zu den besten der nächsten Jahre gehören wird und in Uni-Freizeiten und ökumenischen Kirchen-Seminaren bis zum unheiligen Tode überinterpretiert wird. Auch wissen sollte man, dass die Sprache bewusst starr gehalten ist und eine Arthousefilm-Kunstsprache geboten wird, die zwar im englischen Original für mich besser rüberkommt, aber nichts daran ändert, dass die deutsche Synchronisation ziemlich gut umgesetzt ist.

Aber zum  Film. Schon allein dieser Titel: die Tötung eines heiligen Hirschs oder auch Rehs. Ich meine, was soll das? Was ist ein heiliges Wild? 

Geht es um den heiligen Hubertus, Schutzpatron der Jäger, der beim halluzinatorischen Anblick eines Kreuzes das Gewehr gesenkt hat und den prächtigen Zwölfender oder 32-Ender verschont hat, weil es für ihn ein Geschöpf Gottes oder gar Gott selbst war?

Ehrlich? Ich weiß es nicht. In The Killing of a Sacred Deer geht es um all das und auch wieder um viel weniger. Der Regisseur Yorgos Lanthimos ist schon ein Schelm und bringt das griechische Kino enorm auf Trab, was seine internationale Aufmerksamkeit betrifft. Als ähnlich verrückter Grieche fällt mir da höchstens noch Nikos Nikolaidis mit Singapore Sling ein, der die Grenzen des Geschmacks der herkömmlichen Filmzuschauer wohl sprengt. Mit seinem Hauptdrehbuchautor Efthymis Filippou hat Lanthimos bisher einige gute Kritik für die Filme Dogtooth, Alpis und den ebenfalls mit Collin Farrell gedrehten Dystopie-Liebesfilm The Lobster bekommen. Mit The Killing of a Sacred Deer schießt er aber wirklich den Vogel ab (oder das Reh, ist ja auch egal).

Schauspielerisch kann sich Lanthimos echt nicht beschweren. Internationale Top-Akteure wie Farrell oder Nicole Kidman in solche Arthouse-Kopfverrenkungen zu kriegen, ist für viele Regisseure wohl nicht umsetzbar. Auch Barry Keoghan (Dunkirk) und die gute Alicia Silverstone (Clueless) sind hervorragend gewählt, sowie die Jungschauspieler Sunny Suljic und Raffey Cassidy. Bill Camp sehe ich in letzter Zeit eh gerne und zum Glück häufiger (Red Sparrow, Black Mass, The Night of, Molly's Game).

Die Handlung ist schnell erzählt und wird vom Verleih konzentriert darauf, dass der junge Martin sich mit dem Kardiologen Steven anfreundet und ihn mit seiner Mutter verkuppeln möchte. Aus meiner Sicht ist das zwar ein Teil der Handlung, aber nicht handlungstragend. Vielmehr geht es aus meiner Sicht in einem sehr einfachen Gerüst um einen Rachethriller mit einem leichten Folterfilm am Ende, allerdings ganz anders gemacht, als man sich das zunächst vorstellt. Man könnte auch von einem Stalker-Film sprechen, der sich ein bisschen mit Home-Invasion kreuzt. Aber das ist ebenfalls nicht ganz richtig. All diese Genreversatzstücke werden eher symbolisch verwendet und kommen am Ende im Kern zu einem Opfer-Plot, in dem es um die Tötung eines geliebten Menschen geht.

Mehr verrate ich jetzt nicht, da solche Geschichten schon in der Bibel sehr beliebt waren und Colin Farrell erinnert mit seinem Hipster-Bart und grimmigem Blick nicht umsonst an einen strafenden und zornigen Moses oder an einen biblischen Abraham, der von Gott persönlich auch schon zu einem belastenden Opfer aufgefordert wurde.

Ein wichtiges Thema des Films ist das Herz, mit dessen expliziter und offener Operation der Film beginnt. Denn Steven ist Kardiologe, also Herzchirurg. Die klassische Musikuntermalung steuert dem biblischen Kontext noch Franz Schuberts Stabat Mater "Jesus Christus schwebt am Kreuzel" bei, sodass man natürlich sofort an das für Liebe stehende "Herz Jesu" denken muss, das hier etwas unschön und recht klinisch gezeigt wird.

Mit solchen Symbolen spielen Lanthimos und Filippou wie ein paar Jongleure. Denn zum normalen filmischen Symbolrepertoire passend (man denke an Ein andalusischer Hund) ist Stevens Frau Anna eine Ophtalmologin, also eine Augenärztin. Auch das Geschenk, das Steven Martin zu Beginn macht, ist symbolträchtig eingesetzt, wenn es um ein Metallarmband in Bevorzugung eines Lederarmbands für eine Uhr geht, von dem man letzteres schließlich aus Tierhaut macht.

Ehrlich gesagt sind die Interpretationsmöglichkeiten so mannigfach, dass man es auf keine Tierhaut bekommt. Deshalb möchte ich nur ein paar Stichpunkte liefern, die ich als "Fragebogen" formuliert habe und die einerseits nichts verraten, andererseits aber eine kleine Handreichung bereitstellen sollen:

1. Machen lange Haare einen Jungen weiblich und muss er sich für den Beruf seines Vaters oder seiner Mutter entscheiden? 

2. Macht Sex unter Vollnarkose Spaß oder hat das eher mit einer "Verzückung" durch den Heiligen Geist zu tun?

3. Ist die kleinbürgerliche Familie mit Vater, Mutter, Sohn und Tochter ein Paradies, in dem man lediglich die Pflanzen gießen muss und den Hund Gassi führen?

4. Sind umgedrehte Arztwitze lustiger, wenn der Arzt es nicht überlebt, aber der Patient?

5. Ist es gut für meine Entwicklung, wenn meine Mutter meine beste Freundin ist?

6. Was verdammt nochmal hat Pasolinis Teorema - Geometrie der Liebe mit diesem Film zu tun?

7. Kann Nichtrauchen auch tödlich sein und macht das Leben ohne Alkohol überhaupt Sinn?

8. Muss ich so viele Achselhaare haben wie mein Vater und beeinflusst das meine Art Spagetti zu essen?

9. Wenn mir zwei kämpfende Hunde Angst machen, habe ich dann gleich ein Aggressionsproblem?

10. Was verdammt hat Und täglich grüßt das Murmeltier in diesem Film verloren, wenn sich Bill Murrays Charakter wieder mal für Gott hält?

11. Was soll ich tun, wenn mein rationales Weltbild zusammenstürzt und auf einmal irgendwelche psychosomatischen Probleme ins Feld rücken, die man nicht greifen kann?

12. Muss man immer ein Opfer bringen, um einen unbekannten Gott zu befriedigen?

13. Ist das Herz nur ein Muskel oder der Sitz der Liebe? 

14. Hat der Mensch von heute kein spirituelles Dach mehr über seinem von Göttern verlassenen Kopf?

Man beantworte die Fragen bitte auf einem separaten Blatt, lege ein frankiertes Rückkuvert bei und kontaktiere mich zur Auswertung. Ich liefere dann das dementsprechende Störungsbild anhand der international gültigen ICD-10-Verschlüsselung (in Ausnahmefällen auch DSM-IV).

Letztes Jahr hatte ich den Film Film, basierend auf Samuel Beckett, besprochen, der mit Warten auf Godot diese Lage der verlorenen Spiritualität beispielhaft ausgedrückt hat. Lanthimos lässt Godot zurückkommen, oder zumindest seinen Stellvertreter Martin, der die Dinge wieder ins Lot bringt. Martin ist eine Heilsfigur und vielleicht die heilige Hirschkuh selbst. Allein, ich finde, dass Lanthimos echt gerissen ist, weil er gekonnt Fährten legt, denen am Ende vielleicht selbst das filmische Herzblut fehlt, nur um darauf hinzuweisen, dass das Herz nicht im Film liegen kann und doch wiederum nur in ihm. Man muss das nämlich nicht alles glauben. Lanthimos ist nämlich ein herrlicher Blender, der die Symbolik so weit verschlüsselt, dass ihr selbst der Schlüssel fehlt.

Ich könnte ewig so weiter machen. In The Killing of a Sacred Deer gibt es keine logisch motivierten Handlungen der recht flachen Figuren und trotzdem haben sie eine größere Tiefe als vieles andere. Es geht um die Schuldfrage nicht nur von Anästhesisten und Chirurgen, sondern um abgewehrte Gefühle, von denen sich höchstens noch die Wut zeigt, die in einer hypermodernen und klinischen Geschwindigkeits-Gesellschaft übrig bleibt.

Dieser Film ist, um mit den Worten von Martin zu sprechen, ein "Beispiel", eine "Metapher" und dieses "Beispiel" ist "metaphorisch" und "symbolisch" zu verstehen. Das heilige Reh oder der heilige Hirsch sind vielleicht Abbilder von etwas in den Figuren selbst. Vielleicht ist es die Ausweglosigkeit des Schicksals, der Weg Gottes oder doch die Suche nach Liebe und danach, wie man mit sich selbst umgeht und mit seiner Familie und seinen Mitmenschen.

Eine gewisse lose Referenz am Ende zu Michael Hanekes Funny Games stellt die Frage nach diesem Schicksal und dem freien Willen in einem russischen Roulette noch einmal völlig auf den Kopf. Es bringt alles nichts, manchmal wird man auch in unserer naturwissenschaftlich erschlossenen Welt von einem Racheengel heimgesucht, der einen mit seinen inneren Dämonen konfrontiert.

Ihr seht schon, Lanthimos schießt wirklich den Vogel der Interpretationtsmöglichkeiten ab. Das Thema des Inzesttabus kann man ebenso reinlegen, wie den Sündenfall. Und der Mythos um Iphigenie ist ebenfalls enthalten, bei dem Agamemnon eine heilige Hirschkuh tötet, weshalb Jagdgöttin Artemis stinksauer wird und als Vergeltung seine Tochter Iphigenie als Opfer möchte. Zum Glück muss Stevens Tochter Kim hierüber nur ein Referat in der Schule halten. Am Ende musste ich übrigens an den Schluss von Die Sopranos denken, wo es so eine metaphorische Kommunion in einem Diner gibt und der Symbolgehalt von Pommes Frites und Limonade auf den Prüfstand gestellt wird.

Der Soundtrack mit Songs von Ellie Goulding, Johann Sebastian Bach ("Herr, unser Herrscher" aus der Johannes-Passion), Györgi Ligeti und die Interpretationen des finnischen Akkordeonisten Janne Rättyä sind neben einigem anderen herausragend und machen für mich als eigentlichem Score-Freund, die modern-klassische Filmmusik genauso zeitlos-unzeitgemäß wie bei 2001, Shining oder Der Exorzist.

Hört sich irgendwie alles ziemlich verrückt an, ist aber extrem geil und für mich einer der interessantesten Filme, die ich seit längerem gesehen habe, da er meine Seh- und Erzählgewohnheiten über den Haufen geworfen hat.

Jeder, der offen ist für den etwas anderen Film, sollte sich diese oberflächlich gesehene Geschichte eines desillusionierten Herzchirurgen ansehen, der als trockener Alkoholiker von einem jugendlichen Rächer aufgesucht wird, der ihn für den Tod seines Vaters verantwortlich macht und zur Rechenschaft zieht.

Und immer dran denken, der Film bietet keine Unterhaltung, sondern vor allem anstrengende Symbolik.

"Im Bus sind 20 Herzen und 20 Ärsche..."

10/10
Weiter:
mehr reviews vom gleichen autor
Titane
TheRealAsh
10/10
Godzilla
TheRealAsh
9/10
Lux
TheRealAsh
10/10
die neuesten reviews
Organ
dicker Hund
6/10
Löwen
Kassiopeia
5/10
Saw:
Ghostfacelooker
Fast
Draven273
7/10
Pearl
EvilCat
6/10
Saw
Saw
Kassiopeia
7/10
Congo
Kassiopeia
8/10

Kommentare

23.05.2018 18:23 Uhr - TheRealAsh
2x
User-Level von TheRealAsh 10
Erfahrungspunkte von TheRealAsh 1.399
Mein Dank gilt JasonXtreme, ohne dessen interessanten und aufschlussreichen Austausch ich dieses Review wohl nicht geschrieben hätte. See you in holy Camp Crystal Lake, erledigen wir den Hirsch;-)

23.05.2018 18:52 Uhr - Nubret
3x
User-Level von Nubret 9
Erfahrungspunkte von Nubret 1.126
Hoffentlich ist nicht die Tötung des heiligen Wildpret gemeint, har har..

Ansonsten wieder geniale Rezi. Der wird garantiert bald über meinen Bildschirm flimmern!

23.05.2018 18:58 Uhr - NoCutsPlease
3x
DB-Helfer
User-Level von NoCutsPlease 23
Erfahrungspunkte von NoCutsPlease 12.137
Hier hat sich deine berühmt-berüchtigte Kreativität mal wieder verselbstständigt, aber das scheint ja zu diesem Film zu passen.
Sobald ich wieder die Zeit für neue Zelluloidware habe, gönne ich mir den mal!

23.05.2018 20:05 Uhr - JasonXtreme
1x
DB-Co-Admin
User-Level von JasonXtreme 13
Erfahrungspunkte von JasonXtreme 2.545
23.05.2018 18:23 Uhr schrieb TheRealAsh
Mein Dank gilt JasonXtreme, ohne dessen interessanten und aufschlussreichen Austausch ich dieses Review wohl nicht geschrieben hätte. See you in holy Camp Crystal Lake, erledigen wir den Hirsch;-)


Hey Hey zu viel der Ehre! Den Hirsch haben wir erlegt, denn Deine Rezi ist super gelungen - herrlich anderer Stil, gewandt und trotz aller Infos und Hinweise kein wirklicher Spoiler. Hut ab!

23.05.2018 20:09 Uhr - TheRealAsh
1x
User-Level von TheRealAsh 10
Erfahrungspunkte von TheRealAsh 1.399
Na da bin ich ja beruhigt, gerade weil wir schon so viel Spoiler frei besprochen haben, wusst ich nicht, wie ichs mache, aber dann dacht ich, einfach mal reinbringen und die, die ihn kennen, werden was mit manchen Anspielungen anfangen können, die anderen eben - wie es sein soll - noch nicht.

Danke, oder wie der Grieche nach dem ersten Ouzo sagt:

ευχαριστώ!!!

23.05.2018 21:27 Uhr - sonyericssohn
2x
Moderator
User-Level von sonyericssohn 22
Erfahrungspunkte von sonyericssohn 10.089
Scheisse !!! ....sorry....
Jetzt muss ich wegen euch beiden den Film auch ansehen. Unfassbar !


Paragalo !

24.05.2018 00:03 Uhr - TheRealAsh
2x
User-Level von TheRealAsh 10
Erfahrungspunkte von TheRealAsh 1.399
so läuft das, du griechischer Bajuvare;-) Kantharos, in Maßen, nicht in Massen!

24.05.2018 08:50 Uhr - sonyericssohn
2x
Moderator
User-Level von sonyericssohn 22
Erfahrungspunkte von sonyericssohn 10.089
Kalimera !
So langsam aber sicher ;-)

24.05.2018 11:41 Uhr - Lukas
2x
Grundsätzlich eine sehr spannend und interessant zu lesende Rezension, wobei weniger auch manchmal mehr ist und die Qualität einer Rezension nicht unbedingt proportional zur Länge steigt. ;-) Witzig auch, dass du gleich am Anfang schreibst, dass der Film wohl "bis zum unheiligen Tode überinterpretiert wird", und dann selbst (wie öfter mal) genau in diese Fall tappst. ;-) Denn so einige analytische Aspekte aus deinem Text sind doch recht schwer nachzuvollziehen und wirken etwas abstrus.
Sicher lassen sich im Film zahlreiche Metaphern finden und auf diverse Arten interpretieren, ein zentraler Punkt dabei dürfte aber (wie schon der Titel nahelegt) die Anspielung auf "Iphigenie in Aulis" sein, wobei in der Geschichte Artemis ja auch nicht direkt die Opferung Iphigenies fordert, sondern mittels einer Windflaute Agamemnons Weiterfahrt von Aulis nach Troja behindert und ein Seher Agamemnons ihm daraufhin dazu rät, seine Tochter zu opfern.

24.05.2018 13:15 Uhr - JasonXtreme
1x
DB-Co-Admin
User-Level von JasonXtreme 13
Erfahrungspunkte von JasonXtreme 2.545
@ Lukas
Mag sein, aber Interpretationen stehen dem Seher ja auch frei - und solange der Regisseur seine Intentionen nicht selbst preisgibt, sind diese ja nicht in Stein gemeißelt. Dementsprechend tappt er ja in keine Falle, sondern führt aus was er sieht, egal was nun der zentrale Punkt für Dich oder mich sein soll. Lanthimos verfilmt hier ja nicht ausdrücklich eine moderne Variante des Iphigenie-Themas, oder sagte er das irgendwo? (die Frage meine ich ernst, nicht provokativ, kenne keinen Audiokommentar oder dergleichen bisher)

24.05.2018 13:31 Uhr - TheRealAsh
1x
User-Level von TheRealAsh 10
Erfahrungspunkte von TheRealAsh 1.399
Hey Lukas,

danke erstmal für deinen Kommentar und das frustrationstolerante Mitlesen. Klar, ich bin schon ein Fan von steilen Thesen, aber der Film ist nun wirklich heftig.

Ich wäre ohne Jason übrigens gar nicht so sehr auf Iphigenie gestoßen, ehrlich gesagt und es ist mir erst durch seinen Hinweis aufgefallen, dass Kim das ein Referat in der Schule gehalten hat (ist ja nur ein Verweis und wird nicht gezeigt). Mit dem Iphigenie-Mythos (vor allem Aulis) hast du wohl recht, aber es gibt ja mehrere Varianten des Mythos, in dem meiner Erinnerung nach auch eine recht rachewütige Artemis auftaucht, die freilich nicht ohne Hintergedanken gegenüber Iphigenie ist (aber das müsste man nachschauen und vergleichen).

Apropos "abstrus", das interessiert mich jetzt natürlich schon genau. Was findest du denn an meinen Anspielungen und Gedanken zu abstrus? Interessiert mich wirklich, da wir hier ja vielleicht noch tiefer in die Materie des Films eintauchen können. Ich nenne nur als Beispiel das Pommes-Essen (Martin hebt sich die Pommes bis zum Schluss auf, weil er sie am liebsten hat; Kim isst später auch Pommes, während sie ihn anschaut und er seine geliebte Limonade trinkt). Ich bin ja der Meinung, dass solche Sachen sicher interpretiert werden können, von Lanthimos aber eher als "strukturelle" Fährten eingebaut werden, um den Film zu gliedern und auch vielgestaltig zu machen. Genau so finde ich es mit den Uhrenarmbändern. Klar, Leder wird aus Tierhaut gemacht, es stinkt und wird irgendwann speckig und unhygienisch. Das leuchtet es mir ein, dass unser Herzchirurg lieber ein hygienisches und sterilisierbares Metallarmband hat. Das kann man schon dahingehend deuten, aber so wirklich Sinn gibt es meiner Meinung nach für die Gesamtstory nicht, ist eher so ein Zusatzaspekt.

Jo, gerne eine Antwort, Lukas, ich glaube, da beginnt es doch spannend zu werden. Wie gesagt, der PM-Austausch mit massiven Spoilern hat mich erst zu der Review inspiriert, da ich eigentlich nichts über den Film erstmal schreiben wollte, da ich ihn beim ersten Mal schauen gar nicht fassen konnte. Über den Austausch ist er aber jetzt extrem gewachsen für mich.

Ash

24.05.2018 16:09 Uhr - BFG97
2x
Moderator
User-Level von BFG97 14
Erfahrungspunkte von BFG97 3.457
Wiedereinmal lässt du mich sprachlos zurück, Ash. Eine geniale Besprechung zu einem mehr als nur interessanten Film, der bald den Weg auf meinen Bildschirm finden wird. Eine kreative, geniale und fesselnde Kritik :D

Wieso fühle ich mich bei verrückter Grieche angesprochen...?

24.05.2018 18:12 Uhr - sonyericssohn
3x
Moderator
User-Level von sonyericssohn 22
Erfahrungspunkte von sonyericssohn 10.089
Sind wir nicht alle ein bisschen Ouzo ?

24.05.2018 20:02 Uhr - TheRealAsh
3x
User-Level von TheRealAsh 10
Erfahrungspunkte von TheRealAsh 1.399
Hellas, Brüder, ich hab mir heute The Lobster gekauft, hahaha ;-D

Und zum Abendessen gibt's Calamares mit Zaziki... und Ouuuuzo!

24.05.2018 20:14 Uhr - BFG97
2x
Moderator
User-Level von BFG97 14
Erfahrungspunkte von BFG97 3.457
24.05.2018 20:02 Uhr schrieb TheRealAsh
Hellas, Brüder, ich hab mir heute The Lobster gekauft, hahaha ;-D

Und zum Abendessen gibt's Calamares mit Zaziki... und Ouuuuzo!


So ists richtig ;D

@sony ich bin sogar Vollblutouzo ;)

24.05.2018 20:24 Uhr - sonyericssohn
2x
Moderator
User-Level von sonyericssohn 22
Erfahrungspunkte von sonyericssohn 10.089
Die metoo Kampagne heisst in Griechenland übrigens Metaxa ! :-D

24.05.2018 21:14 Uhr - NoCutsPlease
2x
DB-Helfer
User-Level von NoCutsPlease 23
Erfahrungspunkte von NoCutsPlease 12.137
24.05.2018 11:41 Uhr schrieb Lukas
Grundsätzlich eine sehr spannend und interessant zu lesende Rezension, wobei weniger auch manchmal mehr ist und die Qualität einer Rezension nicht unbedingt proportional zur Länge steigt. ;-) Witzig auch, dass du gleich am Anfang schreibst, dass der Film wohl "bis zum unheiligen Tode überinterpretiert wird", und dann selbst (wie öfter mal) genau in diese Fall tappst. ;-) Denn so einige analytische Aspekte aus deinem Text sind doch recht schwer nachzuvollziehen und wirken etwas abstrus.
Sicher lassen sich im Film zahlreiche Metaphern finden und auf diverse Arten interpretieren, ein zentraler Punkt dabei dürfte aber (wie schon der Titel nahelegt) die Anspielung auf "Iphigenie in Aulis" sein, wobei in der Geschichte Artemis ja auch nicht direkt die Opferung Iphigenies fordert, sondern mittels einer Windflaute Agamemnons Weiterfahrt von Aulis nach Troja behindert und ein Seher Agamemnons ihm daraufhin dazu rät, seine Tochter zu opfern.

Willkomen in Ashs verrückter Hüttenwelt am Rande des unheimlichen Schattenwaldes.

24.05.2018 23:25 Uhr - TheRealAsh
2x
User-Level von TheRealAsh 10
Erfahrungspunkte von TheRealAsh 1.399
Bei mir ist jeder willkommen 😈

Oder um es mit den Worten des unsterblichen Hartmut Engler zu sagen: „Der Eintritt kostet den Verstand„ ;-p

25.05.2018 10:22 Uhr - Lukas
2x
@JasonXtreme: Klar haben wir hier keine explizite moderne Verfilmung der Iphigenie-Geschichte, aber im Gegensatz zu allen im Film vorhandenen oder erahnten Anspielungen und Metaphern ist der Filmtitel etwas ganz eindeutiges und ein klarer Bezug auf ein anderes Kunstwerk. Dementsprechend weiß man hier zweifellos, dass sich der Regisseur davon inspirieren ließ und der Film ein Stück weit darauf Bezug nimmt, wohingegen alles, was man dann im Film an sich zu sehen bekommt, überwiegend spekulativ interpretiert werden muss. Das wollte ich zum Ausdruck bringen. :-)

@TheRealAsh: So frustrationstolerant musste ich dann auch nicht sein, keine Sorge. ;-)
In den meisten Varianten des Iphigenie-Mythos die ich kenne, ist es eigentlich so, dass Artemis ja sogar Iphigenie in letzter Sekunde vor der Opferung durch Agamemnon rettet. Wobei natürlich Agamemnon gar nicht erst in die Bredouille gekommen wäre, wenn Artemis nicht davor sein Heer aufgehalten hätte.
Bzgl. "abstrus": Alles, was du im Fließtext so schreibst, ist im Grunde überwiegend ganz gut nachvollziehbar, aber bei deinen 14 Fragen bin ich dann schon irgendwo zwischen "Also so ganz ist mir jetzt nicht klar, was gemeint ist" und "What the flying fuck!?!?" geschwankt. :-DDD
Viel Spaß auf jeden Fall mit "The Lobster", den fand ich auch echt gut, wenn auch nicht ganz so beeindruckend wie "The killing of a sacred deer". Besonders gespannt bin ich auf deine Meinung zum Ende.
Witzigerweise war ich gestern übrigens auch beim Griechen zum Abendessen. ;-)

25.05.2018 11:40 Uhr - JasonXtreme
1x
DB-Co-Admin
User-Level von JasonXtreme 13
Erfahrungspunkte von JasonXtreme 2.545
Top, alles klar :-)

25.05.2018 12:51 Uhr - TheRealAsh
User-Level von TheRealAsh 10
Erfahrungspunkte von TheRealAsh 1.399
Cool, danke für die ausführliche Antwort! Das mit den Mythen ist ja nicht immer so eindeutig und es gibt mehrere Variationen. Für mich lag der erste Blick tatsächlich als katholisch erzogenes Schulmädchen zuerst auf Moses, was ja irgendwie auch wieder eine Variation des griechischen Mythos ist (so eindeutig kann man das ja nicht sagen), aber spannend ist das auf jeden Fall, vor allem für Lanthimos, der die griechischen Mythen ja wohl in der Schule als Standard hatte, im Gegensatz zu unserer Schulbildung.

Und zum Fragebogen. Das war natürlich ein Gag von mir, um den ganzen Spoileraustausch mit Jason etwas zu verstecken und trotzdem drin zu haben. Wer aber den Film anschaut oder kennt, der weiß das mit dem Spagettiessen ja oder den Pommes;-)

Sehr gut, ich glaube ich mache am Wochenende auch einen Besuch beim Griechen. Bleibt nur noch die Frage, ob in Sonys Taverna oder zu BFG. Ich warte ja ab, bis die "Iphigenie-Mix-Platte" in die Speisekarte aufgenommen wird (Artemis-Rehnuss, Heiliger-Hirsch-Spieß, Lamm-Gottes-Opfer-Gyros, wahlweise Pommes oder Spagetti mit Zaziki und Salat;-D


21.12.2018 12:36 Uhr - Dr.Ro Stoned
1x
Danke für die gute rezension.

Hab den film eben gesehen.
Ich versteh nur nicht, wie du ausgerechnet auf mose kommst?

Ich hätte jetzt eher Abraham genommen, der seinen sohn opfern soll, um gott sein vertrauen und glauben zu beweisen.

Oder sogar das opfer( lamm= heiliges tier) jesus, welcher stirbt, damit andere gerettet werden.
Diese symbolik kam mir gegen ende des films eher in den kopf.

Da ich selbst 3 kinder habe, war ich lange nicht mehr so schockiert und bewegt von einem film.
Sehr harter stoff.

Ganz zu schweigen von dem sehr bizarren soundtrack und der echt kranken kameraführung.
Erinnerte mich manchmal an Stanley kubrick stil.




03.01.2019 01:34 Uhr - TheRealAsh
User-Level von TheRealAsh 10
Erfahrungspunkte von TheRealAsh 1.399
Danke für die Rückmeldung und die Korrektur, natürlich meinte ich Abraham;-)

20.02.2019 16:35 Uhr - kokoloko
1x
User-Level von kokoloko 10
Erfahrungspunkte von kokoloko 1.486
Großartige Review zu einem noch großartigerem Film, viele interessante Ideen und Beobachtungen bei, gar einige auf die ich auch nach dem Rewatch noch nicht gekommen bin.

kommentar schreiben

Um Kommentare auf Schnittberichte.com veröffentlichen zu können, müssen Sie sich bei uns registrieren.

Registrieren (wenn Sie noch keinen Account hier haben)
Login (wenn Sie bereits einen Account haben)