Der deutsche Titel dieses grandiosen Männerfilms ist die erste Frechheit. Warum kann man eigentlich keine deutschen Titel mehr machen? Mir persönlich würde angelehnt an den Originaltitel Den of Thieves eine Übersetzung wie Die Räuberhöhle oder Die Höhle der Löwen eigentlich gut gefallen. Meinetwegen auch Ali Baba und die Vierzig Bankräuber. Oder was weiß ich? Aber Criminal Squad? Es ist einfach nur lächerlich und nichtssagend. Den of Thieves ist ein toller Titel, der rundum passt (ich hätte noch The Professionals akzeptiert, da es um Profis geht) und der vom Regisseur wohl nicht ohne Grund gewählt wurde. Wie zum Teufel kommt jemand auf Criminal Squad? Der Titel ist genauso flach wie sein deutscher Schnitt. Soll der deutsche Titel uns zeigen, dass die Kriminellen auf beiden Seiten stehen? Wow, ganz schön intelligent gelöst. Okay, aber trotzdem bleibt mir dieser Titel zu flach.
Wir können gegen solche Verleih-Entscheidungen sowieso nichts tun, aber beschweren möchte ich mich schon mal ausführlich. Denn Den of Thieves ist super. Er zeigt, dass die "Guten" manchmal die Kriminellen sind und die Kriminellen manchmal die "Guten". Die "Regulators" (wie sich die Polizeieinheit undercover nennt) regulieren sich mit Alkohol und Prostitution (oder dergleichen), während die eigentlich Kriminellen weder auf Zivilisten schießen, noch ein ausschweifendes Leben führen und eigentlich gerne im Schoße der Familie und Freunde sind. Eines der Pseudonyme der Bankräuber ist sogar "Greenpeace". Ich meine, what the fuck? Das spricht doch Bände. Man sieht diese Gangster beim Grillen sogar lieber Mineralwasser trinken, als Bier, während bei den Cops der Whisky in Strömen fließt.
Erwähnen muss ich, dass Den of Thieves vom Optischen einfach nur grandios ist und ein Los Angeles zeigt, das in all seiner Neo-Noir-Pracht erscheint. Regisseur Christian Gudegast, der zusammen mit Drehbuchkollege Paul Scheuring schon das Drehbuch zu Extreme Rage mit Vin Diesel geschrieben hat und auch bei London Has Fallen am Script mitgewirkt hat, ist nach langen Jahren der Vorproduktion ein großer Wurf gelungen. Der Cast aus dem ultramännlichen Gerard Butler (300, Coriolanus) als "Big Nick", Pablo Schreiber (American Gods) als tragischem Ray Merrimen (der glückliche Mann?), ist in Punkto zeitgenössische Männlichkeitsvorstellung hervorragend gewählt, genauso wie Merrimens Gangster-Kumpel Levi (50 Cent) und Bo (Evan Jones). O'Shea Jackson Jr. (aka OMG, einer der Söhne von Ice Cube, der diesen sogar im Biopic Striaght Outta Compton spielte) hingegen hat eine völlig andere tragende Rolle, die sicher vielen gefallen wird. Die anderen Cops um die "Regulators" sind neben Big Nick zwar blass, aber bilden hinter ihm eine geschlossene Einheit, die sich für eine nicht ganz legale Linie entschieden hat, um gegen das Verbrechen vorzugehen. Interessant ist hierbei, dass es vor allem um Geld geht und nicht ein offensichtliches Unrecht wie Mord oder dergleichen. Die Bankräuber beklagen den zu Beginn fehlgeschlagenen Coup sogar, weil sie wissen, dass sie von nun an Cop-Killer sind und damit eine gerechtfertigte Zielscheibe. Zuletzt erwähne ich noch kurz den von mir hochgeschätzten Cliff Martinez, der wieder einmal mehr beweist, dass er mit einem auf den ersten Blick eher unscheinbaren elektronischen Soundtrack dem Film den letzten Schliff verleiht und ihm eine extreme Spannung und einen drückenden Puls gibt.
Was ist eine gute Geschichte? Männer rauben eine Bank aus. Die Polizei sagt, was ist denn das? Die Polizei verfolgt die Bankräuber, die wieder tätig werden, kriegt sie oder kriegt sie nicht. Schluss. So könnte man Den of Thieves knapp in seiner oberflächlichen Heist-Movie-Konsequenz zusammenfassen. Oder wollen wir wissen, ob der Cop Probleme mit seiner Frau hat oder auch mit Alkohol, während er eigentlich seine kleinen Töchter liebt, ihnen aber kein ausreichend guter Vater sein kann? Und vielleicht ist der Bankräuber ja privat ein ganz netter Kerl, der seinem Kumpel dabei hilft, wie er seine Tochter zu einem anständigen Mädchen erziehen möchte, die sich nicht auf leichtfertige Typen einlässt. Diese Fragen muss man sich stellen. Hopp oder Topp? Ich bevorzuge ganz klar die Variante des Action-Films mit Charakterstudie.
Der oft gehörte Vergleich mit Michael Manns Überfilm Heat ist nicht ganz passend und eigentlich führt er in die falsche Richtung. Aber natürlich ist da was dran. Man sollte vielleicht etwas genereller sagen, dass Den of Thieves ein Film ist, der sich zwischen Action und Charakterstudien von Profis und Privatmännern bewegt, wie es Michael Mann in Perfektion beherrscht (z.B. in Thief). Auch die Beziehung zwischen dem "Guten" und dem "Bösen" Hauptcharakter und einer gewissen Familienähnlichkeit von beiden gehört dazu, wie es ganz klar in Heat dargestellt wird. Ein paar witzige Verweise zeigen den Tiefgang von Gudegasts Werk außerdem, wie die Nennung von Rick's Café aus Casablanca oder das deutsche "Fräulein" im "Hofbrau" (sic!). Den Soundtrackbeitrag von "Ein Prosit der Gemütlichkeit" lasse ich mal wohlwollend beiseite.
Erwähnenswert ist, dass es wohl eine Fortsetzung geben wird, die aber auch nicht unbedingt sein müsste. Ich bin noch unschlüssig, vor allem in Bezug auf das alternative Ende. Aber trotzdem: Spaß macht das schon und ich bin gespannt, wie es weitergeht. Vorstellen kann ich mir das zwar noch nicht ganz in Bezug auf Gerard Butlers Charakter. Aber wir werden sehen.
Jetzt zur zweiten Frechheit. Die deutsche Kinofassung ist eine unaushaltbare Sauerei sondergleichen, da sie aus diesen zurückhaltend und fein gezeichneten Charakteren ultraflache Flat-Characters macht, die in der Unrated Fassung und auch in der US-Kinofassung sowas von tragend sind, so psychologisch leise vermittelt, dass ich den deutschen Verleih-Schnitt rundum ablehnen muss. Der Untertitel zu Criminal Squad heißt unsinnigerweise noch Dirty Jobs. Dirty Cops. Was für ein Blödsinn!
Man stelle sich mit dem vielzitierten Vergleich vor, ein Verleih hätte 1995 bei Michael Manns Heat (der bei der Kritik damals auch zwiespältig aufgenommen wurde) die ganzen Szenen mit Vincent Hannas Ehefrau und Neil McCauleys neuer Freundin herausgeschnitten, weil fast drei Stunden doch viel zu lange sind und der Film mit zwei Stunden mehr Drive hätte. Gerade die Tragik von Neil, der in Wirklichkeit doch gerne eine normale Beziehung zu einer geliebten Frau hätte und Vincents Unfähigkeit die Beziehung zwischen seiner Ehefrau und seiner Arbeit zu unterscheiden, ist schließlich der Kernpunkt von Heat. Mit Den of Thieves verhält es sich ähnlich. Der deutsche Verleih-Schnitt ist einfach nur schlecht, denn fast alle Szenen, die den Figuren einen Charakter verleihen und zeigen, wer diese beidseitigen "Kriminellen" eigentlich wirklich sind, sind beschnitten. Ich könnte hier vieles nennen: Die Aggression und der Alkoholismus von Big Nick. Das eigentlich recht biedere Privatleben von Merrimen, Levi oder Bo. Oder gerade eine der letzten Szenen, in denen Levi auf seine Kinder verweist. Dieser beschissene Schnitt nimmt dem Film seine größte Kraft. Stellenweise ist der Schnitt der US-Kinoversion im Gegensatz zur Unrated Fassung in diesem Sinne ebenfalls missglückt, was mal wieder zweigt, dass es Autorenfilmer im Action-Kino nicht leicht haben. Die US-Kinoversion lässt aber immerhin die wichtigsten Charakterzeichnungen übrig, wie zum Beispiel die emotional wichtige Szene von Big Nick mit seiner kleinen Tochter am Schulzaun, da sie zeigt, dass dieser Mann sein Privatleben und seine Arbeit ebenfalls nicht trennen kann und seine Familie für seine Arbeit opfert.
!!!SPOILER!!! Das Geniale am Ende ist, dass die Bankräuber eigentlich nichts gestohlen haben, wenn man es richtig betrachtet. Oder? Darüber müsste man sich eingehender unterhalten. Und dies stellt wieder die Trennwand zwischen Recht und Unrecht auf eine interessante Bühne. Über Meinungen hierzu wäre ich sehr gespannt. !!!SPOILER ENDE!!!
Kurz und einfach, die deutsche Kinoversion ist ein übergriffiges Zelluloid-Saw-Massaker an einem sehr gut umgesetzten Regie-Debüt, das aus einem Thriller und Männerfilm mit Referenz auf Michael Mann einen Action-Film machen will, der er letztlich eben nicht ist.
Den of Thieves ein zu überbordendes Testosteron zu bescheinigen, ist einfach nur langweilig, da ich persönlich auf Testosteron stehe und dies ein Film von Männern für Männer ist, die sich fragen, wie das eigentlich heute noch funktioniert mit der Männlichkeit. Eine ebenfalls herausgeschnittene und extrem wichtige Szene, bei der Levi das Date seiner Tochter in eine wirkliche "Höhle der Löwen" führt, wäre nicht nur für den Originaltitel bezeichnend, sondern insgesamt für die künstlerische Vision, die Gudegast wohl ursprünglich zeigen wollte. Übrigens sehen meine Erziehungsmethoden mit nur hormongesteuerten Freunden meiner Teenager-Tochter ähnlich aus.
Als Fazit möchte ich ziehen, dass Den of Thieves ein überragender Kriminalfilm im weitesten Sinne ist, der Profis und Privatmänner im Sinne von Michael Mann zeichnet, bei denen man am Ende die "Guten" ein bisschen weniger mag und die Sympathien für die "Bösen" ein bisschen höher legt.
Zu bevorzugen sind ganz klar die US-Kinoversion und die Unrated Fassung, wobei ich letztere persönlich am meisten schätze.
9/10