KILLING IN THE NAME OF THE 80ies
Wer The Strangers von Bryan Bertino aus dem Jahr 2008 mochte, der wird The Strangers: Prey at Night ebenfalls mögen. Nicht nur ist Bertino wieder am Drehbuch beteiligt, der ja nie müde wurde, darauf hinzuweisen, dass die Geschichte auf wahren Begebenheiten beruhte (von wegen Kindheitserinnerungen von Fremden an der Tür, die wohl jeder hat), sondern mit Regisseur Johannes Roberts wurde ein jüngerer Regisseur verpflichtet (aufgewachsen in den 80ern), der durchaus ein Gespür für das große Jahrzehnt des Horrors hat und mit 47 Meters Down schon beweisen konnte, dass er Creature-Feature-mäßig was kann.
Von den wenigen Schauspielern sticht vor allem Christina Hendricks heraus, die nicht nur als widerständige Sektretärin gegen Don Draper in Mad Men Kontakte mit dem Grauen hat, sondern auch bei Refns Drive Erfahrungen mit steilen Kurven. Hier zeigt sie, dass sie auch ein sehr gutes Opfer abgeben kann. Ihr etwas depressives Töchterchen wird von der früheren Kinderdarstellerin Bailee Madison gespielt, die der ein oder andere Disney-Fan aus Die Zauberer vom Waverly Place kennen könnte. Martin Henderson und Lewis Pullman bilden das Schlusslicht als Vater-Sohn-Gespann.
Die Story ist so simpel wie im ersten Teil und wie bei den meisten Slashern schnell erzählt: eine Familie begibt sich auf eine kleine Reise (Handlungsmotivation austauschbar) und wird an einem gruslig-schönen Ort von einer Entität (ob übernatürlich, menschlich, außerirdisch oder tierisch) bedroht und nach und nach mit einem meist scharfen Gegenstand aufgespiest, zerhackpetert oder sonstwie malträtiert.
The Strangers: Prey at Night macht da keine Ausnahme. Die Zutaten sind wunderbar zusammengefügt und funktionieren so, wie sie sollen. Die düstere Atmosphäre tut ihr Übriges. Es gibt allerdings einen kleinen und feinen Unterschied, der mich schon im ersten Teil überzeugt hat: wir erfahren nur bruchstückhaft von den Hintergründen sowohl der Gejagten, als auch der Jäger. Und das ist eben der Unterschied zu einem Michael Myers und einem Jason Voorhees. Von denen wissen wir nämlich einiges über ihre Kindheit. Das hier vorgestellte Mördertrio ist einfach da und lässt das Morden nicht. Was sie für eine Kindheit hatten, scheint egal. Nun ja, Michael und Jason musste man jetzt auch nicht heftig überzeugen. Aber lassen wir das.
Denn genau hier kommen wir an den Punkt, der diese Neuauflage des Altbekannten so unterhaltsam und doch wieder spannend macht. Die 80er Jahre werden als gewichtiges Element in den Vordergrund der Killer gestellt, die immer dann am liebsten töten, wenn ein schmissiger Hit aus diesem Jahrzehnt des düster-schwülstigen Supersynthiepop im Radio läuft. Mehr noch, 80er-Jahre-Songs zeigen die Bedrohung erst an und man weiß, dass gleich was passiert.
Was das nun bedeuten soll, bleibt so undeutlich vielleicht nicht. Erst einmal gab es in den 80ern einfach saugute Slasher und Horrorfilme, die nicht nur über die Halloween- oder Freitag-der-13.-Reihe reichen, sondern jedem Genrefreund ein Schatz in der inneren Videothek sind (wie Nightmare on Elm Street, Tanz der Teufel, Hellraiser, Chucky und viele andere. Wer nun aber erwartet, dass die alle bei The Strangers: Prey at Night dabei sind, den muss ich enttäuschen. Es geht eher um die Stimmung der 80er. Der Film selbst bleibt recht simpel.
Aber mit dieser Grundstimmung kommen wir schon zur zweiten Bedeutung: The Strangers: Prey at Night verbreitet eine Atmosphäre der Angst, die direkt aus den 80ern kommt, aber vielmehr für das Jetzt und Heute gilt. Dabei erscheint das vielen peinliche Jahrzehnt der 80er auch ein bisschen wie eine verlorene Zeit, in der man noch mit dem BMX um die Häuser gezogen ist, während Mama etwas manisch einen Käseigel geformt hat und Onkel Reinhard in seiner Gartenlaube mit einem Patronengurt Kümmerling bewaffnet Videokassetten überspielte, die wir uns klammheimlich reingezogen haben, um das Gruseln zu lernen.
Marcus Stiglegger hat solche Zusammenhänge in einem kürzlich geführten Interview in Bezug auf die aktuellen Filme A Quiet Place, Hereditary oder Get Out in einer spiegelbildlichen Metapher auf das politische Chaos der USA im Feld eines allgemeinen Misstrauens und einer paranoiden Grundstimmung verortet. Ich glaube, dass The Strangers: Prey at Night in eine ähnliche Kerbe schlägt. Die Ängste vor dem Boogey Man (wie in Halloween) oder einem axtschwingenden Psycho-Killer mit Eishockeymaske (Freitag der 13.) sind vielleicht noch dieselben, heute aber sind sie noch weniger greifbar und finden sowohl beim gelangweilten und übersättigten Vorstadtjugendlichen statt (siehe die Scream-Reihe), als auch in dem, was keinen Namen hat und in Form des Schwarzen Mannes immer wieder im Kinderzimmer auftritt.
Die USA von heute hat eben keinen Schauspieler-Präsidenten der 80er Jahre mehr, der noch den Gründungsmythos von der "City Upon a Hill" verkörpern wollte und deshalb wohl zurecht bei Carpenter und anderen Horror-Filmern ins Fadenkreuz der Kritik geriet, sondern einen bösen Clown und Spaßpräsidenten, der Kinder von ihren Eltern trennt und nicht einmal versteht, was er da überhaupt tut. Pennywise ist dagegen nach wie vor ein Scheißdreck. Mehr noch aber glaube ich, dass The Strangers: Prey at Night dieses gehypte und nostalgisch verbrämte Jahrzehnt von E.T. und Die Goonies als das demaskiert, was es eben auch war: ein Scheiß-Jahrzehnt, in dem nicht nur der Erste Golfkrieg begann, der HIV-Virus um die Welt ging (ebenfalls eine damals sehr düstere Bedrohung), in Tschernobyl eine nukleare Havarie losbrach und dann auch noch Zündapp pleite ging.
Wie gesagt, The Strangers: Prey at Night ist ein ziemlich einfach gestrickter, aber spannend gemachter Slasher, der über diese Zusammenhänge eigentlich nichts verliert, aber der Film zeigt trotzdem ein Grauen, das in den 80ern begann und noch heute anhält. Die Genrezitate sind breit gestreut und sollen nicht weiter erwähnt werden, bis auf eine gewisse Schlussszene aus The Texas Chain Saw Massacre, die mir persönlich eine unheimliche Freude im Kino bereitet hat, dass ich fast den Popcorn-Jugendlichen neben mir etwas gewürgt hätte.
Das beste Setting war für mich eindeutig der Neon-Palmen-erhellte Pool, in dem alles, was das Leben und Sterben in den US of A bedeutet, enthalten war. Diese Bilder werden in meiner inneren Videothek einen festen Platz einnehmen.
Alles in allem eine spannende, unterhaltsame und blutige Reise ins Herz der Angst.
8/10