Melancholie und Kälte scheinen in diesem Film, in dem Jeremy Renner, erneut eine einprägende Hauptrolle spielt, gemeinsam mit dem Weiß des Schnees, der vieles bedeckt hält, um die Gunst des Zuschauers buhlen zu wollen.
Einprägend ist ebenso daß Weiß, welches nur in kurzen schockartigen Momenten durch helles oder dunkles Rot geziert wird. Einem Rot, daß für das Blut jener zu leuchten scheint, die es darauf gewollt gezwungen oder gezwungen gewollt, vergießen.
Diese fast poetische Symbiose der Natur, dieser Kulisse Wyomings, wird nur durch die Trauer der Menschen die sie bevölkern durchbrochen. Eine Trauer, die durch Gewalt hervorgerufen unter dem jungfräulichen Schnee selbst begraben scheint.
Einerseits ist es die Gewalt von Mutter Natur, die dem Recht des Stärkeren den Vorzug zu leben gibt, andererseits ist es die Stärke jener die sich über Mutter Natur stellend ihren Vorzug gegenüber schwächere nehmen, ohne dabei groß über Konsequenzen nachzudenken.
So sind auch die Protagonisten darin, bis auf die junge FBI Agentin Banner (Elizabeth Chase Olsen, ja richtig die jüngere Schwester der Olsen-Twins) augenscheinlich von einer gewissen Kälte, unter der aber bei näherer Betrachtung sehr viel Wärme zu finden ist. Bestes Beispiel ist hierfür, Graham Greene, der selbst in einem Reservat geboren wurde und indianischer Abstammung ist, im Verhalten seiner Figur zu den Bewohnern.
Natürlich wird durch seine Rolle auch ein wenig an die Figur des Indianersheriffs in Halbblut erinnert, zumindest denke ich, daß es jenen so geht, die diese Film gesehen haben, während sie diesen Film sehen werden.
Renner´s Figur hingegen, bildet hierbei eine symbiotische Balance zwischen natürlicher und von Menschen erzeugter Gewalt, obgleich er den selben Schmerz und die selbe Trauer spürt, als jene sie spürten für die er einzustehen sucht. Doch den Grund für seinen Schmerz soll der Zuschauer meiner Meinung nach durch diesen Film selbst ergründen, denn nur dann versteht er, welche Art Gerechtigkeit in dieser Balance gründet.
Die Spannung um eine junge Frau, deren Flucht durch den Schnee den Auftakt bildet, steigert sich mit dem Motiv ihrer Flucht und den Hintergründen dazu in melancholischen Wechselspiel zwischen Krimi und Drama.
Gekonnt schafft es Sheridan der hiermit sein Regiedebüt gab, die Geschichte ohne große Langeweile für den Zuschauer und ohne pathetischen Nationalstolz auf beiden Seiten, spannend für den Zuschauer, allein basierend auf den Fakten und den Hintergründen der Charaktere zu erzählen.
Auch wenn mich Taylor Sheridan´s Drehbuchdebüt Sicario, weniger als die meisten zu begeistern wusste, so ziehe ich vor diesem Werk, mit diesem Review meinen mir möglichen Hut, denn obwohl dieser Film eine, einerseits visuelle Eintönigkeit der Natur birgt und es wenig Action gibt, so ist es andererseits die emotionale Intensität der Geschichte selbst, die zu fesseln weiß.
Doch tragend für den Film bleibt Renner selbst, in der Rolle des Jägers, Corey Lambert, der seinen Job auch dazu zu nutzen scheint seine schon angedeutete, innere Agonie zu bewältigen und zu dem man als Zuschauer, trotz des kühlen Gebarens einfach Sympathie aufbauen muß.
Von dem Punkt an, in dem man als Zuschauer metaphorisch gesehen, Gelegenheit bekommt, unter die gefrorene Schneedecke zu gelangen, über den visuellen Höhepunkt des Films, der sich in einem neuzeitlichen High-Noon-Showdown zu präsentieren weiß bis zum emotional finalen Höhepunkt des Films, sollte man sich vielleicht als Leser dieses Reviews die letzten Sätze dieses Werks als Statement dessen ins Gedächtnis rufen, wofür es auch stehen kann und mit denen ich schließen möchte:
Für amerikanische Ureinwohner gibt es keine Vermissten-Statistik, was bedeutet im Land der so glorifiziert unbegrenzten Möglichkeiten, besteht also noch immer die Unmöglichkeit der Ungleichheit im Menschsein.
10/10