Die 80er Jahre war nicht nur die Blütezeit des Horrorgenres sondern auch die schlimmste Phase der Zensur in Deutschland wenn es um einige der bekanntesten Vertreter geht. John Carpenters „Halloween“ aus dem Jahr 1978 brachte die Lawine für Slasher und Serienkillerfilme ins Rollen. Eine Sache, die in dem Zeitraum groß diskutiert wurde war der berühmt berüchtigte §131StgB (Gewaltverherrlichung), welcher genutzt wurde um viele nennenswerte Klassiker wie „Phantasm (1979)“, „The Texas Chainsaw Massacre (1974)“ oder „The Evil Dead (1981)“, welcher mittlerweile komplett rehabilitiert wurden zu verbieten. Hier geht es aber nicht um die Zensurgeschichte Deutschlands sondern um den ersten Film, der bei uns deswegen beschlagnahmt wurde und zwar William Lustigs Kultklassiker „Maniac“ aus dem Jahr 1980 welcher eine unaufhaltsame Beschlagnahmungswelle auslöste.
Die Story dreht sich um Frank Zito, einen Serienkiller, der seine Freizeit damit verbringt, junge und schöne Frauen zu jagen und zu töten. Was auf dem ersten Blick wie ein stumpfer 08/15 Horrorstreifen wirkt, ist bei genauer Betrachtung ein Werk das neben einem Horrorfilm auch eine tiefergreifende Charakterstudie über einen Mann ist, der in seiner Kindheit von seiner Mutter misshandelt wurde. Beachtlich ist, dass sich Joe Spinell der die Hauptrolle von Frank Zito spielt, sich ausführlich mit verschiedenen Serienmördern der 60er und 70er beschäftigt hat, um seinem Charakter Tiefe und Authentizität zu verleihen. Ein kraftvoller Beitrag welcher mit der Angst und der Paranoia der Großstadt spielt. Die Angst alleine und verwundbar zu sein und dem negativen Einfluss der eigenen Umgebung hilflos ausgesetzt zu sein.
Der Cast der in diesem verstörenden Glanzstück vertreten wird, ist phantastisch und schafft es die brutalen Ereignisse glaubhaft zu präsentieren. Neben Joe Spinell, der eine wahre Meisterleistung abliefert und es zu mehr als 100% schafft, seiner Rolle Leben zu verleihen. Jemand der in Klassikern wie „The Godfather (1972)“, „The Godfather Part.2 (1974)“, „Taxi Driver (1976)” und nicht zu vergessen „Rocky (1976)“ dabei war, weiß wie man eine fabelhafte Performance abliefert. Den Counterpart der Fotografin Anna D’Antoi wird von keiner anderen als der schönen Caroline Munro verkörpert. Die meisten werden sie wahrscheinlich aus Produktionen wie „The Spy Who Loved Me (1977)“, „Starcrash (1978)“, „Don’t Open Till Christmas (1984)“ oder aus zahlreichen Hammer Filmen kennen. Sie schafft es ihrer Rolle Glaubhaftigkeit zu verleihen. Auch der restliche Teil der Schauspieler wissen zu überzeugen, auch wenn diese natürlich nicht an die Intensität von Joe Spinell rankommen. Die Special Make Up Fx Legende Tom Savini hat eine kleine Gastrolle, die im wahrsten Sinne des Wortes ihren Kopf verliert…
Das Grundgerüst dieses Meisterwerkes ist klar strukturiert und schafft es die Stärken pointiert hervorzuheben. Die Balance zwischen der narrativen und der performativen Komponente ist optimal, und schafft es dadurch den Spannungsbogen der von Anfang bis zum Ende aufgebaut wird auf einem hohen Niveau zu halten. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass einem die Hauptfigur trotz seiner Grausamkeiten zu einem gewissen Maße Leid tut, weil der Film den Fokus auf diesen und seinem Leid legt. Der Grat zwischen Verständnis und Verachtung fügt sich nahtlos in das Geschehen ein und sorgt dafür, dass der Zuschauer einen tiefen Einblick in das gestörte Innenleben bekommen. Die Interaktionen mit der jungen Fotografin sind authentisch und verdeutlichen, wie gut diese gestörten Individuen sich ihrer Umgebung anpassen können, damit diese in der Lage sind, ein weiteres Opfer zu erlegen. Es gibt ebenfalls interessante Metaphern zu entdecken, die eine Erwähnung wert sind.
- Die Szene, wo Frank die Zigarette auf einer der Schaufensterpuppen ausdrückt, spiegeln Franks eigene Erlebnisse mit seiner Mutter wieder.
- Die Ansammlung mehrerer Schaufensterpuppen innerhalb seiner Wohnung, verdeutlichen den Wunsch nach einer Familie als auch nach Liebe und Geborgenheit, die er in seiner Kindheit nie hatte
- An einer Stelle des Filmes, sieht man eine Sammlung von Schlüsseln an der Wand was darauf schließen lässt, dass er von Beruf Hausmeister oder Vermieter ist.
- Der Moment, wo die Schaufensterpuppen zum Leben kommen um sich für die an Ihnen angetane Grausamkeit zu rächen spiegelt Franks eigenes Schuldgefühl und Verachtung für das Leid, welche er seinen Opfern aussetzte.
Die zur Schau gestellte Gewaltdarstellung ist explizit und geizt nicht damit, einen realistischen Einblick in die Vorbereitung und Ausführung zu präsentieren. Die Veröffentlichung dieses knüppelharten Streifens brachte Feministinnen auf die Barrikaden und sorgte für öffentliche Proteste vor den Kinos, wenn man bedenkt, dass die 70er und 80er Jahre die Zeit war, wo Serienkiller immer häufiger in die Schlagzeilen kamen hat William Lustig den Nerv der Zeit getroffen. Hier hat Tom Savini seine komplette Trickkiste ausgepackt und demonstriert wozu er fähig ist, wenn man ihm freie Hand lässt. Es gab allerdings Ideen, die nicht in dem Film kamen, weil Regisseur William Lustig als auch Special Make Up Experte Tom Savini der Meinung war, dass diese etwas zu weit gehen würden. Jedoch begeht man nicht den Fehler, die Grausamkeiten zum reinen Selbstzweck ausarten zu lassen sondern setzt diese als Stilmittel ein um zu verdeutlichen, wie übel Frank unter seinen Traumata zu leiden hat. Wenn diese Frauengruppen den Film genauer betrachtet hätten, hätten diese festgestellt, dass die Gewalt in keinem Moment positiv konnotiert ist.
Die pessimistisch konnotierte Atmosphäre spiegelt sich perfekt in den trostlosen Orten in denen das Publikum von dem kranken Individuum entführt wird wieder. Die Wirkung der tristen Farbpaletten die man in den ausgewählten Set Pieces serviert bekommt, trifft in jedem Moment ins Schwarze. Jede Möglichkeit, einfallsreiche Ideen einzubauen um den Kern der Erzählung zu verdichten, wird effektiv eingesetzt. Speziell wenn Franks dunkle Seite zum Vorschein kommt, wird diese durch die emotional packende Komposition von Jay Chattaway, der auch für die musikalische Untermalung von Werken wie „Invasion U.S.A (1985)“, „Maniac Cop (1988)“ und „Red Scorpion (1988)“ unterstrichen. Dass es der Film in Deutschland schwer bei Zensoren hatte, ist bei all der Härte in der das Ganze präsentiert wird keine große Überraschung, weil so gut wie jede Veröffentlichung wurde in Deutschland eingezogen.
Die Schauplätze sind atemberaubend und bieten dem Publikum einen guten Eindruck über das dreckige New York in den 80er Jahren und nicht zu vergessen einen Überblick über die 42nd Street, bevor diese von Touristen besucht wurde. Zusammen mit der Kameraarbeit von Robert Lindsay harmonisieren diese Faktoren zu einer Einheit. Die Intensität ist in jedem Moment zu spüren. Von der Subjektivierung der Opfer, bis zu abwechslungsreichen Einstellungen und signifikanten Aufnahmen der Highlights stimmt alles. Dadurch, dass hier ausschließlich die natürliche Beleuchtung der Umgebung genutzt wurde, wird der harte Realismus der Thematik hervorgehoben. Interessant ist auch, dass in einer Szene die Windschutzscheibe eines Autos, mit einer echten Schrottflinte und nicht zu vergessen mit echter Munition zerstört wurde, um einen Kopf zu zerfetzen als auch die Aufnahmen der U – Bahn, welche ebenfalls ohne Erlaubnis gedreht wurden und eines von vielen Highlights ist.
Fazit: Mit „Maniac“ hat William Lustig einen der besten als auch verstörtesten und effektivsten Horrorfilme der frühen 80er geschaffen. Der düstere Grundton, der packende Realismus der Story, die brillanten schauspielerische Leistung von Joe Spinell und nicht zu vergessen die exzessive Gewaltdarstellung ergeben eine Symbiose und verschmelzen zu einem überzeugenden Gesamtbild, welches perfekt eingerahmt ist. Von mir gibt es für diesen zeitlosen Klassiker verdiente 10/10 Skalps.
*Der Begriff Performativ ist den Büchern von Prof. Dr. Marcus Stiglegger entnommen.
10/10