Fede Alvarez besetzte den Thriller "Don't Breathe" drei Jahre nach seinem Remake zu "The Evil Dead" mit derselben Hauptdarstellerin, Jane Levy, die auch das Cover ziert. Ihre Rolle Rocky ist Mitglied einer Einbrechergruppe, der noch ihr vorlauter Macker Money (Daniel Zovatto) und ihr geduldiger Anhimmler Alex (Dylan Minnette) angehören. Diese drei höchst diversen Individuen können als Sympathieträger mit Fragezeichen begriffen werden, deren Taten zwar moralisch verwerflich, vor dem Hintergrund ihrer Lebenslage jedoch verständlich erscheinen können.
"Einen Blinden zu berauben ist nicht wirklich cool, oder?"
Dieser ist indes eine ebenfalls ambivalente Figur, welche ihr Mime Stephen Lang mit anerkennenswerter Derbheit ausfüllt, freundlich unterstützt von den Make-Up-Spezialisten, die seine Augen für die optimale Mischung aus Mitleid und Abscheu hergerichtet haben. Seine Räumlichkeiten im abgeschiedenen Vorstadthaus sind öde, trostlos und schaurig-schön zugleich, womit sie eine gewisse Ähnlichkeit mit den Behausungen der Protagonisten aufweisen.
"Alle ziehen hier weg."
Das schließlich zum Zielobjekt markierte Haus birgt indes nicht nur in architektonischer Hinsicht so manches Geheimnis, so dass die aus dem Bruch folgenden Ereignisse kaum vorhersehbar sind. Schon bald steigt die Spannung, wobei der Score besonders die ansonsten stillen Momente effektiv intensiviert. Während wenig, dafür aber auf den Punkt gesprochen wird, findet die Kamera eine angenehme Balance zwischen Innehalten und Bewegung. Dann knallt es.
Was Alvarez an Gewalt (5/10) zeigt, ist im Prinzip zwar nur von durchschnittlichem Niveau, geht dem Zuschauer aufgrund der interessanten Charaktere aber nahe. Dank weiterer fieser Ideen weiß sein "Don't Breathe" wirkungsvoll eine gehörige Portion Schrecken (Horror 6/10) zu verbreiten. Vorneweg fällt hierbei die einzige Szene, die im weiteren Sinne mit Sex (2/10) zu tun hat, viel mehr in eine solche Kategorie als in jene der Erotik - und dürfte am Nachhaltigsten im Gedächtnis verhaften.
Ganz fehlerfrei geriet die Variante der HomeInvasion in "Don't Breathe" allerdings nicht. Denn in dem um Realismus bemühten Subgenre besteht eine gewisse Anfälligkeit für Kritik an überkonstruierten Abläufen und unschlüssigen Szenen, die man dem typischen Slasher- oder Zombieflick viel leichter nachsieht. Einige Beispiele hat der Kollege Fratze schon erwähnt, leider zu Recht, zieht sich der Eindruck unlogischer Klischees doch bis zum Ende durch das Drehbuch. Befriedigende Antworten auf Fragen wie "Kann man nach so etwas einfach wieder aufstehen?" und "Ist die Person so erprobt oder unerfahren im Nahkampf, dass sie derart austeilen beziehungsweise verfehlen kann?" lassen sich anfangs noch finden, werden im weiteren Verlauf dann aber ohne Not Mangelware. Bar ironisierenden Humors (1/10) schlagen die vielen Ungereimtheiten voll zu Buche, was angesichts einiger vorausschauend angedeuteter Details wie dem gläsernen Dach schade ist. Denn an derlei Kleinigkeiten und der anfänglichen Konsistenz wird sichtbar, dass durchaus Potential für eine in sich rundum geschlossen erzählte Geschichte vorhanden war.
Doch trotz der zunehmend generischen Dramaturgie gelingt es dieser großen Filmperle (8/10 Punkten), eine dichte Atmosphäre aufzubauen und zu halten. Mit einer eher unverbrauchten Grundidee und überzeugendem Cast ist die halbe Miete schon gezahlt; geschockt wird mit Finesse und twistreichen Entwicklungen. Selbst in Sachen Härte gibt es angesichts der inzwischen auch im Rahmen einer FSK 16 bestehenden Möglichkeiten nichts auszusetzen, so dass das gelegentliche Stirnrunzeln schnell wieder verfliegt.
8/10