Bei Regisseur Jesse V. Johnsson und Hauptdarsteller Scott Adkins kann man mehr oder weniger schon fast von einer Produktionsgemeinschaft sprechen, immerhin haben wir mit dem kürzlich erschienenen Avengement - Blutiger Freigang die insgesamt sechste Zusammenarbeit der Beiden vorliegen, Johnsson & Adkins stehen für harte Action mit eindeutiger Konzentration auf die Kampffähigkeiten von Scott Adkins, eine technisch und stilistisch einwandfreie Inszenierung der Actionsequenzen, bemüht innovative Handlungsgeschichten und abschließend für ein bei B-Filmen ungewöhnliches, teilweise recht hohes Produktionsbudget, was man den meisten Werken auch optisch ansieht.
Im Falle von Avengement zeigt sich Johnsson neben der Regieführung auch für das komplette Drehbuch samt Story verantwortlich und präsentiert uns einen klassischen Rache Plot mit einer in unterschiedlichen Zeitebenen laufenden, nonlinearen, erhabenen Erzählstruktur, wodurch der Zuschauer sukzessive mit der primären Geschichte und deren Hintergründen vertraut gemacht wird, was einem konstant anhaltenden Spannungsbogen des Gesamtwerkes zu Gute kommt. In der filmischen Gegenwart berichtet Cain Burgess (Scott Adkins) in einem von Ihm mit Gewalt besetzten Pub seinen Widersachern in längeren, bebilderten Erinnerungssequenzen, wie, bzw. wodurch er zum gnadenlosen, nach Rache sinnenden Killer wurde und wer seiner Meinung nach daran Schuld ist, nämlich sein Bruder und Gangsterchef Lincoln (Craig Fairbrass), den Cain ist wegen Lincolns Intrigen a) im Knast gelandet und b) dort von den Insassen auf Befehl seines Bruders fast getötet worden. Cain kann bei einem Freigang entkommen und hat nur noch einen Gedanken: Sein Bruder und dessen Gang müssen für das Leid, das ihm zugefügt wurde, bezahlen. Auge um Auge, Zahn um Zahn!
Unter diesen Prämissen werden dem Publikum äußert unterhaltsame und actionreiche 90 Filmminuten geboten. Johnsson, der früher selbst als Stuntman in dutzenden Produktionen wie z.B. Total Recall (1990) oder Terminator 3 (2003) mitgewirkt hat, gelingt es mit fachbezogenem Know-How, die unzähligen Nahkämpfe professionell sowie spektakulär in Szene zu setzen und Kampfsport-Ass Adkins zeigt im wahrsten Sinne des Wortes, was er kann. Die Fokussierung seines gebotenen Kampfstils ist eher auf knüppelharte, realistische Faustkämpfe ausgerichtet, seine gemäß der Undisputed Reihe berüchtigten Kick Attacken benutzt Adkins in Avengement ausschließlich finit in Relation zur definitiven Kampfnotwendigkeit. Die Fights, vor allem die Duelle in den gedanklichen Rückblenden Cains, erhalten durch den Einsatz von pointiert gewählten Zeitlupeneinstellungen und dezent eingestreuten brutalen Gewaltspitzen eine für das Publikum spürbare Intensität, obgleich einige Situationen, aus denen diese resultieren, in Ihrer Entstehung partiell abstrus wirken, die im Filmknast gezeigten Zustände dürften zumindest angezweifelt werden. Darüber hinaus verhalten sich auch Lincolns Gefolgsleute nicht immer unbedingt clever, denn wenn man z.B. als unbewaffnete Geisel seinen bewaffneten Peiniger immer wieder provoziert, ist es eigentlich nicht verwunderlich, wenn man die Quittung dann dementsprechend postwendend erhält.
Schauspielerisch kann Scott Adkins meiner Meinung nach mit einer überzeugenden Performance punkten, er stellt den Wandel seiner Filmfigur vom anfänglich leichtgläubigen Jungspund zum gnadenlosen, haßerfüllten Rächer authentisch und absolut glaubwürdig da. Dabei glänzt er mit einer abwechslungsreichen Mimik, um dem Publikum die unterschiedlichen Emotionen, die Cain Burgess im Laufe der Geschichte durchleben muss, nachvollziehbar zu veranschaulichen. Als primärer Antagonist und Cains Bruder Lincoln wurde Craig Fairbrass verpflichtet, der mit seiner Ausstrahlung und seinem Charisma eine Bereicherung für den gesamten Cast darstellt. Fairbrass ist von Natur aus mit einem überaus markanten Gesicht gesegnet und spielt seinen intriganten Part als falscher Bruder und Anführer der kriminellen Kredithai Organisation diabolisch perfekt, selten hat mich persönlich die Illustration eines Bösewichts so begeistert. Die restliche Darstellerriege darf, sofern der "dunklen" Seite angehörig, größtenteils als Kanonenfutter für Cains Rachefaldzug herhalten, diese Aufgabe erfüllen die meisten Akteure mit Bravour, vollständigkeit halber sollte aber noch das Mitwirken von Thomas Thurgoose (Eden Lake; This is England) als etwas tollpatischig wirkenden Mitläufer Tune genannt werden, der beim Betrachter mit seinem leicht unangebrachten Größenwahn in dem ansonsten todernst ausgelegten Actionreißer für ein paar auflockernde Lacher sorgen kann .
Anhand der selektiv auftretenden Kulmination an graphischer Gewaltdarstellung und der unkritischen Reflektion des Themas Selbstjustiz als solches ist es verständlich, dass die freiwillige Selbstkontrolle (FSK) ein augenscheinliches Problem mit der Jugendfreigabe von Avengement hatte, die Rechtfertigung zur Zensur eines ab 18 Jahren freigegebenen Titels steht aber für mich in keinem Verhältnis, Avengement musste den Prüfgremien insgesamt drei Mal vorgelegt werden, um schlussendlich das KJ Siegel nur gegen Schnittauflagen zu erlangen. Auch hier stellt sich wieder einmal die Frage nach dem Sinn und Zweck einer solchen Maßnahme, einem Titel, dem eh schon eine Nichteignung für Jugendliche attestiert wurde, nochmal zusätzlich mit Schnitten abzustrafen, dies hat nichts mit Jugendschutz zu tun, sondern endet meiner Meinung nach in einer eindeutigen Bevormundung erwachsener Zuschauer.
Bilanzierend richtet sich das aktuelle Adkins Vehikel vormerklich an Liebhaber von Action bzw. Kampfsportfilmen der etwas härteren Gangart und dieser angepeilten Zielgruppe kann ich Avengement auch vorbehaltlos empfehlen. Der Anspruch des Kernmetiers, eine brachiale Actionorgie zu Gesicht zu bekommen, wird meines Erachtens nach vollumfänglich bedient und da Avengement zusätzlich noch mit einer für B-Actionfilm Verhältnisse strategisch durchdachten Storyline aufwarten kann, sind Mängel in der Plausibilität und der Kohärenz zur Logik von einzelnen Handlungssträngen geringfügige und verschmerzbare Makel, welche den Sehgenuß nur bedingt trüben. MovieStar Wertung 8 von 10 Punkte.
*Ein spezieller Dank gebührt Ghostfacelooker, der mit seinem informativen Review auf dieser Seite und dem Tip, dass der Film in ungeschnittener Version bei Netflix gezeigt wird, meine jetzt veröffentlichte Kritik erst ermöglicht hat*
8/10