Inhaltsangabe:
Ein Maler mittleren Alters hat seinen Nachbarn, ein Pärchen, das zusammen lebt, mitgeteilt, dass seine Frau verstorben ist. Das Pärchen macht sich darüber Gedanken, wie der Künstler das wohl verkraftet. Der hält sich immer wieder in der Kanalisation in Okinawa auf, die mit Spielsachen und anderen Dingen gefüllt ist. Und dort vegetiert eine Meerjungfrau, die eine enge Bindung mit dem Künstler aufnimmt. Dieser hilft der Meerjungfrau aus der Kanalisation, und bringt sie innerhalb seines Hauses in einer Badewanne die mit Wasser gefüllt ist unter. Die Meerjungfrau sagt dem Künstler, er sei seine Bestimmung, ein Bild von ihr zu malen. Der Maler beginnt damit, aber die Meerjungfrau leidet bei jedem Pinselstrich, denn während dieses künstlerischen Prozesses geschieht auch ein qualvoller Prozess für sie. Auf ihrem Körper enstehen schmerzhafte Ekzeme, die aufplatzen, aus ihnen quillt auch Farbe. Die Meerjungfrau erklärt dem Künstler, dass sie sieben Farben im Körper habe, mit denen er sie malen soll. Der Maler und sein Objekt leiden, aber beide haben sich dazu entschieden, dass das Bild gemalt werden muss. (Cecil b) ()
Nachdem He Never Dies und Devil Woman Doctor die Guinea Pig Reihe in komödiantische Gefilde gesteuert haben stand 1988 mit dem fünften Reihenableger Mermaid in a Manhole (Originaltitel: Za ginīpiggu: Manhōru no naka no ningyo) die nächste tonale Änderung an. Für die Umsetzung zeichnete sich Hideshi Hino verantwortlich, der bereits bei Flowers of Flesh and Blood Regie führte.
Die Geschichte dreht sich um einen Künstler, der regelmäßig Ausflüge in die Kanalisation unternimmt um sich dort für seine Gemälde inspirieren zu lassen. Eines Tages entdeckt er dort eine Meerjungfrau, die er schließlich mit zu sich nachhause nimmt um sie zu malen. Was sich auf den ersten Blick wie der Anfang eines typischen Märchens liest, wandelt sich allerdings bald in Cronenbergschen Bodyhorror, da die titelgebende Fischfrau langsam von innen nach außen durch eine Krankheit zerfressen wird.
Mermaid sticht dabei vor allem positiv aus der Reihe heraus, da sich der Fokus erstmalig von den Goreeffekten weg zu einer interessanten und vielschichtigen Story hinbewegt, die den Zuschauer auch zum Nachdenken einlädt. So eröffnen sich zum Ende des Films auch verschiedene Deutungsebenen.
SPOILER Ob die Meerjungfrau tatsächlich existiert hat oder nur ein Auswuchs der Fantasie des Künstlers war, um die Schuldgefühle um den Tod seiner Frau zu verdrängen wird etwa nicht endgültig geklärt. Da es für beide Sichtweisen Indizien gibt kann sich der Zuschauer letztlich selbst für seinen präferierten Ansatz entscheiden SPOILER ENDE
Auch sonst bieten sich viele Elemente des Films für eine nähere Betrachtung an. Die sich fortwährend auf dem Körper der Nixe auftuenden Tumore können natürlich als Metapher für die schleichende Zerstörung des menschlichen Körpers durch Krebs verstanden werden. Darüber hinaus können die aus den Wunden hervorquellenden Würmer als Symbol für Tod und Vergänglichkeit sowie den Schrecken des Ablebens eines geliebten Menschen verstanden werden. Außerdem ist auch interessant wie Hino hier Kunst, spezifisch Malerei, repräsentiert. So wandeln sich die anfänglich farbenfrohen und wunderschönen Kunstwerke passend zu der fortlaufenden Erkrankung zu Alptraumbildern. Auffällig ist zudem, dass die „Wundsäfte“ als Farbe für das Bild verwendet werden und die Erkrankung der Meerjungfrau (deren genaue Ursache ungeklärt bleibt) erstmalig deutlich wird wenn der Künstler sie zum ersten Mal zeichnet. So könnte also sogar die Kunst selbst die Ursache für den körperlichen Verfall sein. Auch die physische und psychische Wandlung des Künstlers hin zu einer gebrochenen und äußerlich ausgelaugten Person könnte als Spiegel der Obsession mit seiner Kunst angesehen werden. Heraussticht für mich auch die Szene nahe dem Filmende, in der das Gemälde des Sees durch einen Farbfluss überdeckt und damit auch sinnbildlich die friedlicheren und fröhlicheren Zeiten bzw. die Erinnerungen daran und damit auch die Unschuld des Künstlers ausgelöscht wird. Ein wenig humoristische Entlastung wird dann schließlich auch noch durch die neugierige Nachbarin, die dem Protagonisten nachspioniert eingestreut.
Auch visuell weiß Mermaid zu gefallen. Von kreativen Kameraperspektiven (etwa POV aus Gullydeckel), über geschicktes Spiel mit Licht und Schatten bis hin zu der zu den Geschehnissen passenden Transformation des Bads von einem sauberen Raum hinzueinem blutbesudelten Höllenloch weiß die Umsetzung zu gefallen. Interessant ist auch der Einsatz von Farben, so ist etwa die Szene in der sich die Tumore über den Körper verbreiten in ein kränkliches Grün getaucht, SPOILER während das blutige Ablebend der Erkrankten in tiefe Rot Töne getaucht ist SPOILER ENDE
Unterstützt wird die Stimmung durch die situativ passend eingesetzte musikalische Untermalung, die von traurigen Klaviermelodien bis zu unheilverheißenden Trommeleinsätzen reicht.
Auch was die Effektarbeit angeht wurde hier saubere Arbeit geleistet. Der allmähliche Verfall der Meerjungfrau wurde mithilfe handgemachter Effekte effektiv in Szene gesetzt. Wenn der Körper von Geschwülsten bedeckt ist aus denen Heerscharen von Würmern hervorbrechen, bis der befallene Körper am Ende kaum noch einem Menschen ähnelt ist sicherlich nichts für zartbesaitete. Dadurch das statt Blut verschiedene Farben austreten entfaltet der Prozess auch eine gewisse Faszination.
SPOILER Im Finale gibt es dann auch noch etwas „traditionellen“ Splatter, der ein wenig an GP 2 gemahnt. Da der Fokus hier aber mehr auf den Gefühlen des Protagonisten liegt, wechseln sich kurze Einstellungen der Zerstückelung des Körpers mit Aufnahmen des Gesichts des Künstlers und des hinuntersausenden Messers ab SPOILER ENDE
Auch die schauspielerischen Leistungen befinden sich im grünen Bereich. Besonders gefallen hat mir Shigeru Saiki (Audition) als der Künstler, da er sowohl die anfängliche Begeisterung und Faszination als auch das spätere Grauen und den allmählichen Abstieg in den Wahnsinn überzeugend verkörpert.
Auch wenn GP 5 wohl der künstlerisch anspruchsvollste Teil der Reihe ist, blieb er nicht vom Indexdasein verschont. Eine Vhs landete 1998 auf der bösen Liste, eine DVD folgte dann 2009 auf Listenteil A.
Mermaid in a Manhole ist für mich der unangefochtene Höhepunkt der Reihe, auf den auch Filmfans die mit den anderen Teilen nichts anfangen konnten einen Blick riskieren sollten. Hier stimmt so ziemlich alles von der zum Nachdenken anregenden Geschichte, über die hochwertige visuelle Gestaltung bis hin zum ordentlichen Schauspiel und der überzeugenden Effektarbeit. Dafür vergebe ich 9 von 10 Meerjungfrauen.
9/10