VORWORT:
Anno 2019: Tarantinos neunter Film, "Once Upon a Time in Hollywood" ist (mal wieder) durchaus erfolgreich an den Kinokassen, schließlich ist er vom “Meister“, und was vom Meister kommt muß schließlich gut sein... Mitnichten, seit “Inglorious Basterds“ scheint Quentin in meinen Augen lediglich einen weiteren Tarantino™ zu veröffentlichen. Dazu gehören u.a. Verweise auf Big Kahuna Burger, Red Apple Zigaretten, daneben eine Reihe bekannter/vergessener Schauspieler, ein Oldschool-Soundtrack und die richtige Atmosphäre. Wenn es allein nach diesen Zutaten ginge, wäre ein Nase rümpfen meinerseits fehl am Platz, denn von dem her fehlt es den Filmen 6-9 an nichts. Leider vermisse ich seitdem aber etwas sehr entscheidendes: eine gute Story und interessante Charaktere. Auf mich wirken seine Filme seit IB wie am Reißbrett entworfen. “Give the people what they want“, könnte man meinen, zumindest im Bezug auf die klassischen Trademarks.
Storytechnisch vollzog sich aber leider eine Art Geschichtsstunde aus Onkel Quentins Feder. Da stirbt ein Hitler bereits drei Jahre vor Kriegsende in einem Pariser Kino, dort wird eine brutal ermordete Schauspielerin am Leben gelassen und ein schwarzer Sklave sorgt für eine Revolution... Sorry, aber das alles sind Dinge welche mir in seinen letzten Filmen gehörig auf die Nerven gingen. Warum schreibt er Geschichte um? Ich finde das weder künstlerisch einfallsreich noch besonders angebracht. Es macht das Geschehene nicht ungeschehen und verschleiert in meinen Augen eher den traurigen Fakt, das dem ehemals genialen Mann nichts wirklich tolles mehr einfällt. Schlimmer noch, sein Status erlaubt es ihm inzwischen! War "Reservoir Dogs" noch ein äußerst freches Debut, trumpfte "Pulp Fiction" mit herrlich durchdachtem Plot auf, der in seiner verschachtelten Form Maßstabe setzte ehe zu "Jackie Brown" großes Kino mit Retrocharme geboten wurde. Das zweiteilige Racheepos "Kill Bill" war dann die Verbeugung vor Eastern und Western, ausgestattet mit wunderschönen Bildern, frechen Dialogen und aufregenden Figuren.
DEATH PROOF:
Die Entstehung von Grindhouse werde ich an dieser Stelle nicht erläutern, denn das würde den Rahmen sprengen. Kurz gesagt ist "Death Proof" Tarantinos Beitrag zum zweiteiligen Double Feature, dem Rodrigez' "Planet Terror" gegenüber steht. Welcher der beiden Filme besser ist muß jeder für sich entscheiden. Ich beziehe mich in meiner Review auch auf die hierzulande erschienene (internationale) Fassung, welche ganze 24 Minuten länger ist, als das Segment im amerikanischen Double Feature. Diese Version ist für mich der letzte gelungene Film Tarantinos, da es in erster Linie um das geht, welches hinter der Idee zu Grindhouse steckt: eIner Hommage an trashig, billige B-Movies aus schmuddeligen Bahnhofskinos. Sehr oft habe ich im Bezug auf "Death Proof" von Langeweile, schlechtem Drehbuch und Brutalität gelesen... Mmmh, alles richtig! Stellt sich nur die Frage was die Essenz von B-Movies ist! Nein, sie sind und waren nicht perfekt, lebten sowohl von Sex als auch sehr blutiger Action und hatten oftmals furchtbare Schnitte, Dropouts, Anschlussfehler und nicht unbedingt die besten Drehbuchautoren. Warum also erwartet man diese Dinge bei "Death Proof", der jenen Werken huldigt? Zugegeben, ich kann grundsätzlich verstehen wenn man womöglich Probleme mit den (eher belanglosen) Gesprächen der beiden Mädchencliquen hat. Andererseits waren Fußmassagen, Pilotfolgen von nie gezeigten Fernsehserien oder der Inhalt von Madonnas "Like a Virgin" ein höchst amüsanter Baustein bei Tarantinos Anfängen. Dort scheinen jene Themen keinerlei Protest auszulösen und von daher meine ich: kein Grund zur Panik! Mit Sicherheit muß man Tarantinos Drehbücher mögen um dem eigentlich belanglosen Geplauder beizuwohnen, aber wenn man nicht total verbohrt ist, sollte man damit klar kommen, nicht erst seit "Pulp Fiction"!
Was zeichnet DP aus? Ganz einfach! Er ist genau Das, was ich versucht habe zu beschreiben: nicht perfekt aber im Sinne der Hommage dennoch! Er lebt vom schmuddeligen Look der 70er obwohl die Handlung des Films im Hier und Jetzt spielt. Kurt Russel ist in seiner Rolle mehr als perfekt und so findet man ihn bis zur Szene als “Taxifahrer“ äußerst charmant und cool...ehe er die Zähne flätscht und sich als widerlicher Psycho entpuppt um am Ende einen traurigen Abgang als jammernder Hanswurst zu machen. Stuntman Mike ist für mich die bislang letzte wirklich gelungene Kreation Tarantinos, auch wenn Christoph Waltz als Hans Landa und Dr. King Schultz einige tolle Szenen hatte. Was die Mädels betrifft: Ja, ich fand beide Cliquen toll, nur das die erste aus eher klassischen Tussen bestand, während die zweite (mit Ausnahme von Lee) wesentlich tougher und lässiger auftrat. Eine der wirklich großen Szenen des Films ist jene, in welcher die Anspannung und Sorge aus Abernathys Gesicht einem herzlichen und sonnigen Lachen weicht, wenn Zoe Schiffsmast spielt. Daneben gefällt mir allerdings auch die unvermittelt ruhige Szene mit Piano im Hintergrund, in der die ansonsten recht großspurige und oberflächliche Jungle Julia auf einmal ganz menschlich und verletzlich wirkt. Die Gesprächsthemen beider Cliquen pendeln zwischen Sex, Dreharbeiten beim Film, der Nützlichkeit von Handfeuerwaffen und in der Nostalgie alter Actionfilme. Das mag so manchen langweilen aber ehrlich gesagt atmen diese Dialoge zum einen den Geist eher unbedeutender B-Movies, passen jedoch wesentlich besser zu den Figuren als z.B. die unendlich zähe erste Stunde in "The Hateful 8". Witzig und eine Art Running Gag im zweiten Abschnitt sind Stuntman Mikes Kraftmeierei beim anfahren mit qualmenden Reifen sowie seine erneute “Spionage“ im Dinner. Eigentlich ist "Death Proof" sogar gespickt mit allerlei Humor, egal ob bei “Pornostar“ Lee, dem augenzwinkernden Verweis auf "Planet Terror" (Dr. Block nebst Vater und Bruder), Kims Diskussion mit Zoe, der Jagd auf Stuntman Mike oder Butterflys “Ansprache“ vor dem Knutschen. Schauspielerisch beweist Quentin hingegen, das er bis auf akzeptable Vorstellungen in "Reservoir Dogs" und "Pulp Fiction" nun wirklich kein Talent als Darsteller hat und auch Eli Roth ist in meinen Augen kein wirklicher Gewinn. Die Mädels schlagen sich da weitaus besser: So sind Butterfly und Jungle Julia die beiden Eyecatcher im ersten Abschnitt, während es im zweiten sogar drei gibt. Abernathy, Kim und Zoe machen mir mit ihren Gesprächen immer wieder Spaß während Lee die Rolle des naiven All-American-Girls spielt...wenn auch zugegeben...sehr süß!
FAZIT:
Eine Rangliste von Tarantinos Werk ist natürlich ein schwieriges Unterfangen, da sich der Inhalt zum Teil stark unterscheidet. Mir persönlich ist es zu einfach, wenn ich seine Filme mit >Gewalt und viel Dialog< zusammenfassen würde. Dennoch ist dieser DEATH PROOF bei mir direkt hinter "Kill Bill" und "Pulp Fiction" zu finden. Kurzweiliger als "Jackie Brown" und "Reservoir Dogs" mag er zwar nicht mit deren Figuren und Dialogen mithalten können, ist aber genau Das geworden was er zitiert: eine Huldigung an B-Movies mit Bild/Tonstörungen und überschaubarer Handlung. Als sehr gelungen würde ich ebenfalls die Atmosphäre bezeichnen: Wenn der Sommerregen auf Jungle Julias nackte Füße prasselt, Stuntman Mike von Butterfly “für die Nacht gut eingestellt wird“ und immer wieder Tonsprünge sowie beschädigter Film auftauchen, versetzt es einen tatsächlich in eine dieser alten Schnellschussproduktionen. Verlässlich punktet ebenfalls der Soundtrack mit so manch vergessener Perle (Intro, Stuntman Mikes Nachos mit Käse, Lapdance, Ableben von Clique1). Ich kenne ehrlich gesagt nur die Langfassung mit 114 Minuten, doch von dieser will ich keine Minute missen. Ein Highlight wie den Lapdance findet man in der Grindhouse-Fassung z.B. garnicht und womöglich sind es jene fehlende Szenen, welche den Film in ein schlechtes Licht gerückt haben. Selbst Regisseur Tarantino hält ihn trotz vorhandener Qualität angeblich für seinen schlechtesten Film. Tja, da muß ich ihm entschieden widersprechen, denn es ist sein letzter wirklich gelungener. Ich will weder einen “Superman“ Brad Pitt, der mit allem und jedem spielend fertig wird, noch einen langweiligen Leo DiCaprio als “armen“ Serienstar mit Hang zur Flasche (OUATIH) oder eindimensionale Figuren, die auf Christoph Waltz zugeschnitten sind. Wer mich womöglich dafür kritisiert, das ich andere Filme des Meisters für mein Review runtergeputzt habe, dem sei gesagt: Ich fand IB und DJ gut, OUATIH mäßig und TH8 schlecht. Es fällt mir darüber hinaus wesentlich leichter zu beschreiben, was in meinen Augen den Unterschied zwischen diesem und den kritisierten Filmen ausmacht. Gemessen an dem was ICH (!) an Tarantino mal so genial fand, sind sie nämlich nur noch Durchschnitt und geizen mit guter Story sowie interessanten Figuren. Inzwischen ist Quentin scheinbar mehr damit beschäftigt wie Tarantino aussehen zu wollen anstatt einfach nur Tarantino zu sein...
8/10