Wissen Sie, was Titel wie The Lost Boys (1987), Flatliners (1990), Falling Down (1993), Der Klient (1994), Batman Forever (1995); Die Jury (1996), Batman & Robin (1997), 8MM - Acht Millimeter (1999), Bad Company (2002), Nicht auflegen (2003) oder auch Trespas (2011) gemeinsam haben? Sie alle tragen die Handschrift vom begnadeten Regisseur Joel Schumacher, welcher am 22. Juni 2020 wegen einer schweren Krebserkrankung leider von uns gegangen ist. Er hatte eine Vorliebe für grelle Kulissen und lieferte Starkino mit ausgeprägtem Stilbewusstsein, was oft auch den Mainstream mit revoltierenden Elementen und flamboyantem Humor unterwanderte. Sein mit deutlichem Abstand einprägsamstes Werk ist Gegenstand der heutigen Besprechung, der 1993 erschienene, 25 Millionen Dollar teure Psycho-Thriller Falling Down, der damals mit einem weltweiten Kinoumsatz von 96 Millionen Dollar etwas hinter den Erwartungen zurück blieb, heute allerdings in vielen Kreisen auch gerade wegen seiner verstörenden Thematik bezüglich des psychologischen Niedergangs eines Otto Normalverbrauchers mit den vernichtenden Folgen absoluten Kultstatus besitzt und mit Michael Douglas und Robert Duvall zwei exzellente Hauptdarsteller präsentieren kann.
Für den brisanten Stoff war allerdings Dennis Hopper ursprünglich als Regisseur angedacht, erst nach dessen Absage kam Schumacher ins Spiel, der beim Lesen des von Ebbe Roe Smith verfassten Drehbuchs so begeistert war, dass er für die Hauptrolle seinen Freund Michael Douglas vorschlug. Douglas hingegen hatte eine Schaffenspause im Sinn, doch das nach seiner Aussage beste Skript, welches er jemals gelesen habe, veranlasste ihn, sofort zuzusagen. Die Anwesenheit eines Superstars erhöhte auch das zu Verfügung stehende Budget und Michael Douglas erklärte sich sogar dazu bereit, für weniger Gage zu arbeiten, damit der Film mehr Gewinn abwerfen kann. Erstaunlicher Weise erhielt das Drehbuch trotz herausragender Qualitäten dutzende Absagen von potenziellen Produktionsstudios, ehe Arnold Kopelson von Canal + sich bereit erklärte, Falling Down zu verwirklichen. Der Film selbst zeigt den Tag vom geschiedenen und arbeitslosen Verteidungsingenieur William "D-Fense" Foster (Michael Douglas), der zu Fuss quer durch die Stadt auf dem Weg zu seiner Ex-Frau Elisabeth (Barbara Hershey) und der gemeinsamen fünfjährigen Tochter Adele (Joey Hope Singer) eine Spur der Verwüstung hinterlässt, den jeder, der sich ihm in die Quere stellt, muss mit den unmissverständlichen Konsequenzen rechnen. Ihm auf der Fährte sind der erfahrene, vor der Pensionierung stehenende Police Officer Martin Prendergast (Robert Duvall) und seine Partnerin Sandra Torres (Rachel Ticotin), die versuchen, den außer Kontrolle geratenen Familienvater zu stoppen...
Wenn ich bei der Oscarverleihung 1993/94 etwas zum sagen gehabt hätte, wären die wichtigsten Trophäen an die Beteiligten von Falling Down gegangen. Der Preis für das beste Drehbuch hätte Ebbe Roe Smith gewonnen, denn ihm ist das Kunststück gelungen, eine bewegende, zum Nachdenken anregende Haupthandlung mit einem nicht weniger unterhaltsamen, detailliert ausgearbeiteten Subplot zu einer homogenen Einheit zu formen und sympathische Charaktere zu erschaffen. Interessant dabei sind die ähnlichen Schicksalswege der beiden auf unterschiedlichen Seiten kämpfenden Protagonisten, welche im Laufe des Films aufgedeckt werden, für Foster und für Prendergast sind Kinder das höchste Gut und beide haben im Prinzip jenes durch unterschiedliche Gegebenheiten für sich verloren. Die gestaffelte, sukzessive Aufdeckung von elementaren Handlungshintergründen trägt ihren Teil dazu bei, dass die Spannungskurve von der ersten bis zur letzten Filmminute kontinuierlich aufrecht gehalten wird und der Zuschauer folgt gebannt dem Fussmarsch des weißen Mannes mit Hemd und Krawatte durch die sozialschwachen Gefilde.
Die Auszeichnung für die beste Regie wäre dann wohl an Joel Schumacher gegangen, der die alltäglichen Momente, in welchen Douglas rot sieht, anspruchsvoll in Szene setzt, während er mit gezieltem Zoom Fokus und mit farbenfrohen Bildern den Kontrast seiner Taten zu seiner Umgebung relativiert, was auch den ausgeübten Stressfaktor auf Fosters Psyche optisch stigmatisiert. Action und Waffengewalt werden als Indikator für zunehmende Drastik pointiert und steigernd implementiert, in dem "D-Fense" je nach Situation immer stärkere Geschütze auffahren darf, was mit einem Baseballschläger beginnt und mit einem Raketenwerfer endet. Ein rafinierter Schachzug war, für die an sich zu verurteilenden Handlungen dem Publikum auch immer eine Art unterschwelliges Verständnis unterzujubeln, oder nervt es uns nicht auch, in einem überhitzten Auto im Stau zu stehen, von einem Ladenbesitzer angepöpelt zu werden oder wegen 2 Minuten über der Zeit in einem Restaurant kein Frühstück mehr zu bekommen? Auch gegen Ende seiner Reise, als die Auslöser und die Hintergründe mit aller Tragik auf den Tisch gelegt werden, kann obwohl sein Ausrasten in keinem Verhälntis mehr steht, ein gewisses Mitgefühl mit seinem Schicksal nicht ganz von der Hand gewiesen werden. Selbst wenn das Finale für einige Beteiligte vordergründig als Happy End erscheinen mag, gibt es in Falling Down keine Gewinner und nur Verlierer, was den Film in seiner Aussage so einzigartig macht.
Anhand meiner bisher verwendeten Superaltiven, dürfte es kein Geheimnis sein, dass auch der Preis für den besten männlichen Hauptdarsteller an Michael Douglas geht, denn wie er den Wandel vom braven "Normalo" zum unkontrollierbaren Berserker authentisch verkörpert, ist aller Ehren wert und geht im wahrsten Sinne des Wortes unter die Haut. Die Stimmungsschwankungen seiner Figur von ruhig und bedacht zu hysterisch und jähzornig simuliert er hochgradig evident mit der nötigen Transparenz, während seine im Grunde genommen nachvollziehbaren Beweggründe und sein schwarzer Galgenhumor eine vollständige Verdammung nicht zu 100 % zulassen. Im zunehmenden Realitätsverlust mit dem daraus resultierenden Amoklauf agiert Douglas zielstrebig und unbeirrbar, während Einwände und Hindernisse völlig ausgeblendet werden und in seiner vom Ziel nach Hause zu wollen verblendeten Manie keine Existenz mehr geniesen. Michael Douglas selbst bezeichnete einst seine Leistung in einem Interview zu Falling Down als die beste Darbietung seiner Karriere und mir als Gastgeber dieser Veranstaltung bleibt nichts anderes übrig, als ihm bedingungslos zuzustimmen.
Damit Robert Duvall für seine hervorragende Performance nicht leer aus geht, verleihe ich ihm raffiniert wie ich bin die Auszeichnung für den besten männlichen Nebendarsteller, auch wenn seine Figur alles andere als hinterläufiges Beiwerk ist. Er agiert als altersweiser Gesetzeshüter, der erst spät erkennt, dass der gemeinsame Schicksalsschlag für Ihn und seine Frau nicht in alle Ewigkeit als Alibi für deren Bevormundungen gelten darf, gelassen, routiniert und souverän, ehe er sich nach dem bitteren Moment der Erkenntnis mit Begeisterung und Tatendrang auf die Socken macht um seine beruflichen und privaten Fesseln zu lösen, bevor es zu spät ist. Duvall besitzt dabei die notwendige innere Gelassenheit, aber auch eine Art schlummernden Enthusiasmus, um die Entwicklung seiner Figur emotional offenkundig zu spielen, so dass seine Leistung ebenfalls als ganz großes Kino bezeichnet werden kann und einen mindestens ebenbürtigen Gegenspieler für Michael Douglas präsentiert. Ergänzend hierzu liefern auch die restlichen Akteure gefällige Arbeitsnachweise ab, so dass der gesamte Cast auf einem außergewöhnlich hohen Niveau agiert.
Am Ende des Tages kommen wir nun zur wichtigsten Ehrung, welche das Herzstück einer jeden Oscarverleihung darstellt, die alles entscheidende Frage, welches Werk sich als bester Film 1993/94 bezeichnen darf: And the Oscar goes to...... Trommelwirbel.... Falling Down! Auch wenn dem deutschen Verleih mit dem Untertitel "- Ein ganz normaler Tag" ein kreativer Marketing Slogan gelungen ist, handelt es sich bei Falling Down um alles andere, nur um keinen normalen Film. Ebbe Roe Smith und Joel Schumacher schufen mit ihrem aufwühlenden Psychogram des Kontrolle verlierenden Durchschnittsbürgers ein spannungsreiches und nachhallendes Meisterwerk, welches sich auch auf Grund seines versteckten Seitenhiebes auf die hießige Leistungsgesellschaft, die Schicksale wie jene auch mitbegünstigt, ins Gedächtnis brennt und mit starken Schauspielern und einem beklemmenden Schlusspunkt das Publikum schockiert zurücklässt. "Mit ner echten Knarre hätte ich Sie erledigt" MovieStar Wertung: 10/10 Punkte.
10/10