Alexandre. Welcher Alexandre? Aja! Der Alexandre!
Entschuldigung, ich weiß auch nicht, was da über mich gekommen ist. Jedenfalls besprechen wir in dieser Review den überaus blutrünstigen aber auch dauerhaft deprimierenden The Hills Have Eyes (2006) , der von Wes Craven geschrieben und vom oben bereits erwähnten Alexandre Aja inszeniert wurde. Bei dem Duo, das zur einen Hälfte immerhin aus dem Erfinder der Elm Street-Teile besteht, erwartet man ja im Grunde genommen nichts Andres als einen Schocker, aber wie hardcore (entschuldigt mein denglisch) man hier vorgeht, erwarten wohl die wenigsten Zuschauer. Intensivität erreicht man manchmal nur durch gut durchgeplante Regelbrüche des gewohnten (Horror-)Kinos und diese Regelbrüche finden in „The Hills Have Eyes“ zwar nicht regelmäßig, aber an einer Schlüsselstelle ganz besonders statt. „Ich kann nicht verstehen, wieso man so einen Film macht“, hat mir mal ein Kumpel gesagt. „Das ist doch viel zu grausam.“ Ich stimme ihm zum Teil zu. Ich kann verstehen, warum der Film existiert, logischerweise als Entertainment. Die Motive in ihm sind klar strukturiert und nachvollziehbar, im Grunde genommen ist er dahingehend weitaus harmloser als Hostel oder SAW, aber dass die Audienz die Grausamkeit dieses Werkes trotzdem mit der beider genannten gleichauf setzt, rührt wohl von der bedingungslosen Kompromisslosigkeit her, mit der man hier auf Seiten der Verantwortlichen verfährt. Bis auf ein paar extreme, kurze Spitzen ist der Film nicht einmal allzu hart, doch die dichte Atmosphäre gibt den Ton an, der ihn in seiner ursprünglichen sowie hierzulande veröffentlichten Fassung auf ein NC-17 getrieben hat. Man kann ihn wohl fast als das „Hereditary“ unter den Slashern bezeichnen, ein Werk mit Einzigartigkeit und Charakter, kein „Halloween“, wo teilweise noch Michael Myers von den Fans angefeuert wird. Ich will sie nicht zu intelligent einschätzen, aber vielleicht hat das unsere FSK erkannt, bzw, wie es dort gerne formuliert wird „durchschaut“ und deswegen das rote Siegel, allein basierend auf der tatsächlichen Brutalität, vergeben, denn auf Anhieb fallen mir gar keine Intensivitäts-Schnitte im deutschen Sprachraum ein. SAW (2004) hingegen musste im amerikanischen Sprachraum etwas an seiner Farbpalette abwandeln, um nicht zu viel Spannung in die Körper seiner Bewunderer (die Synonyme für „Zuschauer“ gehen aus) zu blasen.
Eigentlich sollte jetzt natürlich langsam mal eine ganze Palette an Informationen zu Handlung und Darstellern kommen, aber ich will meinen aktuelllen Gedankenstrang nicht sinnlos unterbrechen und möchte weiter darauf eingehen, wie das Horror-Duo in diesem Film vorgeht, nämlich, indem es die Sympathie von Beginn an auf drastische Weise sterben lässt. Wir alle haben Familie, mindestens Eltern und persönlich stelle ich mir gerne vor, wie es für die Familien in den Filmen sein muss, Verwandte grausam niedergemetzelt zu sehen, obwohl sie ihren Peinigern überhaupt nichts getan haben, weswegen mir auch Sinister/2 sehr an die Gurgel geht. Stellt euch mal vor, ihr wollt nur einen Urlaub mit euren Liebsten machen und plötzlich verfahrt ihr euch in eine Hölle ohne Ausweg, die ihre Tribute fordert. Hundsgemein geht es also mit dieser Prämisse los, Big Bob Carter (Ted Levine) gibt einen Familienpatriarchen, der sich für Abkürzungen interessiert und als er sich dann mit seinem Wohnmobil voller sehr standardmäßig geschriebener, aber irgendwie recht natürlich situierter Figuren komplett im Nichts verliert, nimmt er alleinig einen harten Rückweg auf sich, dessen Ende der Anfang allen Übels ist. As heißt, denjenigen, der in jeder Comedy der genügsame, etwas tollpatschige Vater wäre, verabschieden wir direkt mit einem Paukenschlag und Craven denkt nicht einmal daran, diesen Paukenschlag für ein klischeehaftes Mysterium um eine verschwundene Figur zu opfern, nein, er liefert alles, was dem armen Mann geschieht, volles Brett on screen, bis der restliche Cast, die Familie und einige aus deren Freudneskreis, dabei zusehen müssen, wie ein Teil von ihnen am Kreuze verglüht. Das allein ist für ungeübte Interessenten aufgrund der hohen Emotionalität, die hier von allen gefordert wird, eventuell bereits ein Grund, den Film abzuschalten, links liegen zu lassen sowie vielleicht als desaströsen Unsinn zu bezeichnen, aber für jene, die dranbleiben, wartet noch die echte Härteprobe ein paar Minuten später mit neuem Schrecken auf. Es wird zwar etwas viel vorweggenommen, aber in Verbindung mit dem Beginn dieses Textes und mit einem momentanen Verlauf bzw den Begründungen, die ich hier anführe, darf die Wohnwagen-Sequenz nicht unerwähnt bleiben. Gewalt und Vergewaltigung gegen Mensch und Tier, auf engstem Raum, einer sieht, wie der andere stirbt und der komplette Horror, der wirklich blanke, pure, echte Terror bricht zwischen diesen bemitleidenswerten Figuren aus, die doch nach dem ersten, brutalen Vorfall so vorsichtig waren und nun doch einem derart fürchterlichen Trauma begegnen müssen, das ihnen selbst die Bezeugung von Nekrophilie an ihren betrauerten Mitmenschen nicht erspart.
Dass es dann mit einem Rache-Charakter weitergeht, der viele, weitere Gewaltakte nach sich zieht und einen sehr gesetzt, aber eben dadurch glaubhaft agierenden Aaaron Stanford in den Vordergrund rückt, diese feinfühlig wie hartherzig geführte Dramaturgie jedoch nicht im Unsinns-Nichts überzogener Payback-Filme endet und man, gerade weil so dermaßen viel unerwartet Gräuliches geschehen ist, trotz der Prämisse des erfolgreichen Zurückschlagens immer noch den metaphorischen Knüppel aus dem Hinterhalt erwartet, zeugt abermals von bewusst sowie gewissenhaft gesetztem Momentum. Die wenige Musik begreift sich derweil als kein Indikator für die Stimmung, sondern als Frage an den Zuschauer. „Glaubst du, jetzt wird was passieren?“ Oft besteht sie aus sehr wenigen Tönen, ist mehr als Soundeffekt zu bezeichnen.
Enttäuschend fällt nur das Ende aus. Ja, auf wundersame Weise überlebt einer der tierischen Begleiter diesen Film und die Story wird von ihrem Grundgedanken auch noch ein wenig weiter gesponnen, aber dass unsere Figuren nach einer Hürde schon wieder vor die nächste gestellt werden, ist zwar, dem Ton des Vorhergehenden entsprechend, konsequent, jedoch nicht gut genug präsentiert, es kommt zu plötzlich, zu plump, zu klischeehaft und nicht allzu ausgeklügelt herüber, wie alles, was sonst so auf dem Bildschirm abgelaufen ist. Hier hätte ich gern etwas Runderes gesehen, das dem gegangenen Weg entspricht und weiterhin fesselt. Naja, jedenfalls ist „The Hills Have Eyes“ ein sehr grausamer Film mit guten, handgemachten Effekten, interessanter Grundstimmung und Figuren deren Leid man fühlt, wenn man sich in ihre Lage hinein versetzt. Die Wüste und etwas Korn auf dem Bild lassen das Ganze dann noch eine Ecke schmutziger wirken, die Kamerarabeit verspricht trotz der weiten Wüste, in der wir uns zu einem Großteil des Streifens aufhalten, stets kompakte, eingeengte, irgendwie düstere Bilder.
Ich bedanke mich für das Lesen meiner Gedanken hierzu und weiß, definitiv nicht alle Haken auf der Review-Liste abgehakt zu haben, aber mir gefällt es dieses Mal mehr, über den Film nachzudenken, als ihn bloß sterilisiert vorzustellen.
9/10