Pelikanblut - Aus Liebe zu meiner Tochter
Originaltitel: Pelikanblut
Herstellungsland: | Deutschland, Bulgarien (2019) |
Standard-Freigabe: | FSK 16 |
Genre: | Drama |
Alternativtitel: | Pelican Blood |
Bewertung unserer Besucher: |
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Note: 7,17 (6 Stimmen) Details |
Inhaltsangabe:
Wiebke (45) lebt zusammen mit ihrer Adoptivtochter Nikolina (9) auf einem idyllischen Reiterhof. Nach vielen Jahren des Wartens, bekommt sie nun die Chance ein weiteres Mädchen, Raya (5), aus Bulgarien zu adoptieren. Nikolina freut sich sehr über das lang-ersehnte Geschwisterchen. Die ersten gemeinsamen Wochen als Familie verlaufen harmonisch und die frischgebackenen Geschwister verstehen sich prächtig. Aber schon bald merkt Wiebke, dass die – anfänglich charmante Raya – etwas verbirgt. Sie wird immer aggressiver und stellt eine zunehmende Gefahr für sich und andere dar. Vor allem Nikolina leidet unter ihren Übergriffen, aber auch Wiebkes Beziehungen und Freundschaften werden auf die Probe gestellt. Um ihre Familie zu retten, muss Wiebke schließlich über Grenzen gehen und eine extreme Entscheidung treffen. (DCM Filmdistribution)
Pelikanblut
Ist das ein Horrorfilm?
Es dürfte irgendwann so um 2015 gewesen sein, da war der Begriff ''Arthouse-Horror'' bei Filmfans plötzlich in aller Munde. Mit verantwortlich dafür waren Filme wie der australische Babadook und das historische Atmosphäre-Brett The Witch, die das Genre weg vom Mainstream und zurück zu seinen Wurzeln führten, zudem erzählerische Kniffe und inszenatoriche Sondereinfälle mit im Petto hatten. Ja, auf einmal durfte Horror anspruchsvoll sein, ein Zug auf den in den kommenden Jahren etliche junge Regietalente mit aufsprangen. Darunter jetzt auch Katrin Gebbe, die mit Pelikanblut ganz offensichtlich zeigen will wie Arthouse-Horror made in Germany aussieht.
Zusammen mit ihrer 9-jährigen Adoptivtochter Nicolina (Adelia-Constance Giovanni Ocleppo) lebt Wiebke (Nina Hoss) auf einem idyllischen Reiterhof, wo die Pferdetrainerin ihre Tiere für polizeiliche Einsätze ausbildet. Nach Jahren des Wartens adoptiert Wiebke mit der 5-Jährigen Raya (Katerina Lipovska) aus Bulgarien ein weiteres Mädchen, womit auch Nicolinas Wunsch nach einer Schwester in Erfüllung geht. In den ersten Wochen herrscht Harmonie, doch Wiebke bemerkt, dass sich die anfangs noch so goldige Raya verändert. Sie hat Schwierigkeiten, Regeln zu akzeptieren, ist scheinbar nicht fähig, emotionale Bindungen aufzubauen und neigt zu spontanen Wutanfällen. Mit ihrem eskalierenden Verhalten bringt Raya sich und andere in Gefahr, darunter auch Nicolina. Besessen von dem Gedanken, Raya zu heilen ist Wiebke bereit ein großes Opfer zu bringen...
Nachdem ihr umstrittenes Filmdebüt Tore tanzt schon was von einem Lars von Trier hatte, durfte man natürlich gespannt sein wie und ob die Regisseurin da noch einen drauflegen würde. Schließlich dauerte es ganze sechs Jahre bis Pelikanblut - Gebbes zweiter Langfilm - im Kasten war, der jetzt ähnlich kontrovers und (bewusst) unausgegoren im Heimkino einschlagen darf. Das tut er dank der gewohnt brillianten Nina Hoss (Das Mädchen Rosemarie, Wir sind die Nacht) auch wie eine Bombe. Hoss zieht darstellerisch alle Register und spielt sich bewegend in die höchsten Höhen ihrer Filmkarriere. Aufgrund der schieren Greifbarkeit ihrer Rolle leidet man als Zuschauer da gelegentlich mit, hätte dennoch gern etwas mehr über die hingebungsvolle Frau mit der Narbe im Gesicht gewusst, deren eigene Vergangenheit wohl auch nicht allzu rosig ausgesehen hat. Was man aber nie so wirklich erfährt, da das Drehbuch sehr sparsam mit der Beantwortung von Fragen umgeht.
Natürlich steigt oder fällt ein derartiger Film aber in erster Linie durch die Überzeugungskraft seiner Jungdarsteller. Da es sich bei Pelikanblut um eine deutsch-bulgarische Koproduktion handelt und auch in Bulgarien gedreht wurde, hatte man mit Adelia-Constance Giovanni Ocleppo und Katerina Lipovska zwei solcher Talente direkt vor Ort. Es beeindruckt mitunter enorm wie sehr die Kinder den Rollen Leben einhauchen, doch gerade Lipovska fesselt und schockt als Schreikrampf-Nevenbündel mit Engelsgesicht. Dass beide Mädchen im Film deutsch mit südslawischem Einschlag sprechen, lässt die allgemeine Dialogverständigkeit zwar etwas leiden, liefert andererseits ein großes Maß an Authentizität.
Wiebkes Ausbildung der Polizeipferde ist hingegen nur selten relevant für die eigentliche Geschichte, dient höchstens als Bühne für Murathan Muslus (Blutgletscher, Die Hölle - Inferno) Nebenrolle, der später immerhin noch die nötige Gewichtung zuteil wird. Wie schon bei Tore tanzt stand auch hier Moritz Schultheiß hinter der Kamera um in der eigentlich tristen Landschaft rund um den Reiterhof nüchterne aber doch atemberaubende Landschaftsaufnahmen zu kreieren, wie man sie ähnlich auch von einem Christian Alvart (Antikörper, Freies Land) erwarten könnte.
Übereinstimmungen mit Hereditary und Midsommar sind dann doch sehr weit hergeholt, wenn auch freilich nicht komplett von der Hand zu weisen. Und der ewige Vergleich mit Systemsprenger - das ist nebenbei bemerkt einer der besten deutschen Filme der letzten Jahre - ist sowieso gleich kompletter Quatsch. Klar, in beiden Filmen geht es um Kinder mit Agressionsbewältigungsproblemen, doch Gebbes Blick auf die Begleitumstände ist ein völlig anderer, der sich nach den Regeln eines - in diesem Fall - Quasi-Horrorfilms eben im schwer Fassbarem und der nur natürlichen Angst vor der Ungewissheit kanalisiert. Wie im österreichischen Ich seh ich seh geht es um den Konflikt zwischen Kinder- und Mutterrolle, was auch in Pelikanblut handfesten Psychoterror mit sich bringt, sich jedooch ausufernder Drastik verweigert. Akustische Verwirrspiele sind hier die Devise, bei denen das Rascheln einer Chipstüte schon fast zum Nervenzusammenbruch führt.
Sowieso ist der ''übernatürliche Aspekt'' im Film lange Zeit überhaupt keiner und Dinge die die meisten Erwachsenen auch im echten Leben für unmöglich halten würden, werden hier mit einem realistischen Blick auf Kinderpsychologie ergründet. Genau das hebt den Film auch gegenüber vieler seiner Genrekollegen hervor, denn er ist eben noch viel mehr, oder schon größtenteils, ein Familiendrama das mit der Zeit enorm kaputte Züge annimmt. Die Schwere der Ereignisse gerät erschreckend greifbar, zumal man gut daran getan hat das wahre Grauen im Kopf des Zuschauers entstehen zu lassen und spätestens wenn Wiebke, Raya und Nicolina die 80-Minuten-Marke erreichen gelingt es Gebbe so dermaßen fies bis ins Mark zu verstören, dass man schon eher Michael Haneke (Funny Games, Benny's Video) hinter der Kamera wähnt.
Entgegen der vorangegangenen inszenatorischen Stärken ist die Auflösung leider ein zweischneidiges Schwert. Denn wo man nach nervenzerrender Aufstauung der verstrickten Psyche eines traumatisierten Kindes nicht mehr weiter weiß, bedient man sich kurzerhand Genre-bekömmlichem Hokuspokus, der vielleicht nett anzuschauen ist aber letztendlich doch irgendwie Fehl am Platz wirkt in einem Film, der bis zu diesem Punkt absolut begeistert, darüber hinaus aber noch so viel mehr hätte sein können.
Dennoch sollten speziell Fans ungewöhlicher Nischenfilme Pelikanblut eine Chance geben, auch da Katrin Gebbe mit dem symbolischn ''Pelikan'' eine Brücke zur christlichen Ikonographie schlägt. Wiebke macht sich selbst zum Opfer um ihr Kind zu heilen. Märtyrertum. Wobei das wiederum nur eine der vielen Facetten des Films ist. Also auf jeden Fall ein Fest für Interpretationsfetischisten.
''Ihre Küken sind tot. Aber die Pelikanmutter sticht sich die Brust auf und füttert sie mit ihrem Blut.
So erweckt sie sie zu neuem Leben.''
Fazit
Weniger ein Horrorfilm, sondern vielmehr eine Stange psychodramatisches Dynamit, das man nach dem lauten Knall erst mal ganz tief sacken lassen muss. Jedenfalls bis sich Nina Hoss mittels schwarzer Magie in ein nur bedingt zufriedenstellendes Happy End flüchtet, womit Pelikanblut zwar zu einem insgesamt sehenswerten, aber dann doch sehr ''sicheren'' deutschen Genrefilm transzendiert.
Kommentare
20.04.2021 09:15 Uhr - McGuinness |
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20.04.2021 09:42 Uhr - Cinema(rkus) |
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20.04.2021 15:00 Uhr - The Machinist |
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20.04.2021 15:06 Uhr - The Machinist |
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20.04.2021 15:45 Uhr - Cinema(rkus) |
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20.04.2021 19:55 Uhr - The Machinist |
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