"Red Screening" ist das Langfilmdebut des südamerikanischen Regisseurs Maximiliano Contenti und präsentiert sich als stilsicherer Indie-Slasher mit deutlichem Giallo-Einschlag, der vor allem atmosphärisch an seine grossen Vorbilder anknüpft.
In einer regnerischen Nacht verschlägt es ein paar unterschiedliche Trüppchen junger Menschen in die Spätvorstellung eines Horrorfilms. Während angetrunkene Teenager nur Zeit totschlagen wollen, sitzt ein paar Reihen weiter ein Pärchen auf einem "Blind Date", wobei die Herzensdame wenig bis gar kein Interesse am Film sondern eher am Reissverschluss ihres Lovers hat. Davon bekommt ein kleiner Junge, der sich heimlich ins Kino geschlichen hat, so gut wie nichts mit, denn er ist damit beschäftigt seinen ersten Horrorfilm zu überstehen, den er mit weit aufgerissenen Augen und zwischen Angst und Faszination pendelnd auf der Leinwand verfolgt. Und dann ist da noch die junge Studentin Ana, die die Nachtschicht ihres kranken Vaters als Filmvorführer übernimmt. Keiner von ihnen ahnt, dass sich unter den Kinobesuchern ein Psychopath mit einer ganz besonderen Sammelleidenschaft befindet... und so hält das Grauen auf der Leinwand bald blutigen Einzug in die Realität des Kinosaals.
Contentis Huldigung des Kinos im allgemeinen und des Schlitzerfilms im speziellen, präsentiert sich in einem, für eine Indie-Produktion wirklich bemerkenswert hochwertigen Erscheinungsbild, inklusive toller Kameraarbeit, einem super Soundtrack und einer wirklich fantastischen Ausleuchtung. Audiovisuell, das wird gleich bei der schwindelerregenden Kamerafahrt zu beginnt schnell klar, ist "Red Screening" wirklich gelungen und ganz nah an visuellen Großtaten diverser "Bavas", "Argentos" oder "Lenzis".
Inhaltlich bietet der Film ein Sammelsurium von etablierten Genre-Versatzstücken, wahlweise aus dem amerikanischen oder dem Italienischen Genrekino, die gekonnt zusammengewürfelt werden, ohne ihnen zwangsweise etwas neues abgewinnen zu wollen.
Denn der Schwerpunkt liegt hier eindeutig mehr beim einfangen der (alp-)traumtänzerischen Atmosphäre damaliger Gialli, sowie der Rekreation klassischer Slashermotive, als bei der Erzählung einer stringenten Geschichte. So bleiben die Figuren genretypisch schablonenhaft und ihre Dialoge flach und zweckdienlich. Das Szenario im Kinosaal ist dabei allerdings hübsch unverbraucht und Regissueur Maximiliano Contenti fängt die Atmosphäre innerhalb der "Cine Opera" ganz vortrefflich ein, was dem einen oder anderen Kinoenthusiasten in Nostalgie schwelgen lässt. Hach... was waren diese altmodischen Filmpaläste toll damals... !
Der gewählte Schauplatz liefert, aufgrund der vorherrschenden Dunkelheit und der Anonymität im Kinosaal, ideale Voraussetzungen für das sich nun entfaltende Slasherszenario. Des weiteren schwingt hier auch immer eine seichte, angenehm unaufdringliche Meta- Ebene mit, die mit Dingen wie Schaulust des Publikums und der damit einhergehenden Faszination von (fiktiver) Gewalt sowie dem Reiz des Verbotenen spielt. Sehr geschickt ist in diesem Zusammenhang auch, wie hier die gängige Slasherformel, das moralisch einwandfreies Verhalten ein Garant fürs Überleben ist, auf die allgemeinen Verhaltensweisen während eines Kinobesuches übertragen wird. So liegt die Motivation des Killers hier in der Bestrafung eines Publikums begründet, dass der Leinwand zu wenig Aufmerksamkeit schenkt. Nur wer das Kino liebt und würdigt hat hier Chancen den Saal lebend zu verlassen... cool gemacht.
Nachdem der Film im ersten Drittel ausgiebig und detailverliebt (man beachte die im Hintergund zu entdeckenden Filmposter) seinem Schauplatz huldigt, geht es den Figuren dann an den Kragen. Das passiert, ganz dem retroflair des Films verpflichtet, auf ausreichend blutige Art und Weise, wobei die hier präsentierten Stech- und Schlitzereien hübsch altmodisch und handgemacht inszeniert wurden. Aus der Obsession des Killers, die Augäpfel seiner Opfer zu sammeln, hätte man allerdings (vor allem an der Splatterfront) wesentlich mehr machen können.
Und... leider ist die Killerfigur an sich auch etwas unspektakulär in Szene gesetzt. Denn abseits seines "Sammelticks" wird dem hier agierenden Film-Killer wirklich kein einziges Alleinstellungsmerkmal, z.B. in Form einer coolen Maske oder eines besonderen Mordwerzeuges zugestanden. Ein Typ in Kapuzenregenmantel und schwarzen Handschuhen wirkt, wenn auch durchaus Giallo-typisch, hier wenig beeindruckend. Zumal der Darsteller des Killers leider nicht die Physis mitbringt in solch einer schlichten Kostümierung nachaltig zu beeindrucken. Hier hätte ich mir durchaus etwas mehr Slasher- denn Giallo- Einfluss gewünscht (was Giallo-Puristen viellecht sogar komplett anders bewerten). Das der Film trotz dieses nicht unerheblichen (aber auch rein subjektiv empfundenen) Mankos funktioniert liegt an der nahezu perfekt eingefangenen Atmosphäre innerhalb des Kinosaals.
Insgesamt ist "Red Screening" also ein Genre- und Kinoverliebter Kniefall, der vor allem audiovisuell jenes besondere Flair vergangener Tage heraufbeschwört, als das Kino noch ein magischer Ort war. Und das gelingt ihm sogar so gut, dass man ihm die etwas unvorteilhaft in szene gesetzte Killerfigur und die leichte kreativlosigkeit in den Mordszenen gerne verzeiht. Die Kritikpunkte führen zwar dazu, dass höhere Wertungsregionen knapp verpasst werden, aber eine Empfehlung für diesen Retro-Slasher-Neo-Giallo- Bastard spreche ich an dieser Stelle für den Genreliebhaber trotzdem aus.
7 Punkte
7/10