Nachdem Jean-Claude Van Damme in John Woos Hollywood Premiere Hard Target (1993) Fans und Kritiker gleichermaßen zufriedenstellen konnte, ging es 1994 Schlag auf Schlag weiter. Neben der actionreichen Adaption des Spielhallenhits Streetfighter, der die 100 Millionen Dollar Schallmauer an weltweitem Kinoumsatz mit 99,3 Millionen Dollar nur knapp verfehlte, stand mit dem 27 Millionen Dollar teuren Zeitreise Science-Fiction Actioner Timecop das nächste Highlight auf dem Programm, welcher mit einem globalen Einspiel von 101,6 Millionen Dollar der bis heute erfolgreichste Kinostreifen des Belgiers ist. Verständlich, denn bei Timecop kann neben der famousen Action auch die meines Erachtens nach packende und ergreifende Story überzeugen, so dass es bis auf kleine Logikdifferenzen eigentlich keinen Grund zum Meckern gibt und der Streifen völlig zu Recht auch bei den Van Damme Anhängern heute einen gewissen Kulststatus genießt.
Als Regisseur wurde Peter Hyams verpflichtet, der später mit Van Damme noch das Stirb langsam Rip off Sudden Death (1995) und den Direct to DVD Action Thriller Enemies Closer (2013) drehen sollte. Der Film basiert auf der dreiteiligen Geschichte "Time Cop: Ein Mann ohne Zeit" von Mike Richardson, aus welcher Mark Verheiden auch einen gleichnamigen Comic erstellte. Für den Abschluss des Drehbuchs taten sich Verheiden und Richardson schlussendlich zusammen, um das bestmögliche Ergebnis zu erzielen. Max Walker (Jean-Claude Van Damme) ist ein Timecop, der die im Jahr 2004 möglichen Zeitreisen auf missbräuchliche Nutzung überwacht. Als er herausfindet, dass Senator Aaron McComb (Ron Silver) die Vergangenheit manipuliert um Gelder für seinen Wahlkampf einzustreichen, folgt er McComb und seinen Schergen ins Jahr 1994. Dort angekommen muss er feststellen, dass alles was jetzt passiert auch mit seinem eigenen Schicksal zu tun hat, den in diesem Jahr wurde seine damalige Frau Melissa (Mira Sara) Opfer von einem feigen Mordanschlag, der eigentlich ihm selbst gegolten hätte. Verzweifelt versucht er die Dinge gerade zu biegen und McComb das Handwerk zu legen...
Die Klasse eines Science-Fiction Films definiert sich für mich in erster Linie über die Vorstellbarkeit der Zukunftsvision, ob es tatsächlich so möglich sein könnte und wie konstant an den aufgetischten Thesen festgehalten wird. Timecop liefert gefällige Sets, eine wertige Optik mit leicht futuristischem Touch und einen spannenden, fantasiereichen, in sich schlüssigen Plot, der in unterschiedlichen Zeiten jede Menge Platz für wuchtige Martial-Arts Kämpfe und ausufernde Schießereien bietet, während die für Zeitreisefilme üblichen Zirkelbezüge für intelligent verworrene Handlungswendungen sorgen. Zudem lässt im Hintergrund die emotional aufwühlende Familien- bzw. Liebesgeschichte den Zuschauer mit dem Schicksal von Walker und seiner Frau mitfiebern. Marginale Plausibilitäts Defizite wie beispielsweise Walkers rein "zufälliger" Blutprobenfund seiner Melissa oder die bei der Ankunft in der Vergangenheit verschwindende Zeitmaschine werden von den zahlreichen Schauwerten in den Schatten gerückt, so dass diese den Unterhaltungswert von Timecop nur unwesentlich schmälern.
Doch die Follower unseres Lieblingsbelgiers werden Timecop wohl wegen der Action ansehen und diese kommen bei dem futuristischen Spektakel voll auf ihre Kosten, auch wenn die Schlagzahl eines Hard Targets oder Sudden Deaths nicht ganz erreicht wird. Van Damme geizt jedenfalls nicht mit seinen akrobatischen Kickattacken und nutzt nicht nur einmal seinen einzigartigen Eye Catcher Move, den gelenkigen Spagat, als entscheidenen Vorteil gegenüber seinen Angreifern. Die Fights sind flüssig, temporeich, aber stets übersichtlich choreografiert, während des öfteren auch zu Kanonen gegriffen wird, was zu teilweise blutigen, im Großen und Ganzen FSK 16 konformen Schusswechseln führt. Ein wahres actionmäßiges Highlight ist das nächtliche Finale auf Walkers Anwesen, bei welchem Van Damme im Doppelpack gegen McComb und seine Handlanger um seine eigene familäre Zukunft kämpft und eine gewaltige Explosion den effektvollen Schlusspunkt setzt.
Was Jean-Claude Van Damme in jüngeren Jahren vorgewurfen wurde, dass er über ein ausdrucksloses und hölzernes Schauspiel verfüge, davon ist in Timecop eigentlich nichts mehr zu sehen, da er sich über die Jahre hin kontinuierlich steigern konnte. So gelingt es ihm vorzüglich, die jugendliche Naivität und die Unerfahrenheit des jüngeren Walkers genauso tranparent zu verkörpern wie die Erfahrung und die Abgeklärtheit seines älteren Ichs. Mit Ron Silver (Stirb langsam) konnte die Rolle des schmierigen, charismatischen, herrschsüchtigen und größenwahnsinnigen Oberschurkens hervorragend besetzt werden, während die attraktive Mira Sara als sympathische Mrs. Walker neben ihrem Filmgatten auch dem männlichen Publikum den Kopf verdreht und für ihre Darbietung als beste Nebendarstellerin von der Academy of Science Fiction, Fantasy and Horror Films ausgezeichnet wurde.
Was viele Leute gar nicht auf dem Schirm haben ist das im Jahr 2003 eine Direct to Video Fortsetzung mit Jason Scott Lee in der Hauptrolle (Die Bruce Lee Story) erschien, die im Rahmen ihrer begrenzten finanziellen Möglichkeiten zwar überzeugte, letzten Endes aber nicht die Qualität vom Erstling erreichen konnte. Van Damme stand auf eigenen Willen nicht zur Verfügung, was meiner Meinung nach auf Grund seiner damals schon gesunkenen Popularität eine verpasste Chance war, Timecop 2 wäre mit seinem Mitwirken bestimmt eine Win/Win Situation für alle Beteiligten geworden. So geht der originale Timecop als Van Dammes letzter 100 Millionen Dollar Blockbuster in die Annalen ein und bietet auch heute noch überzeugende, spannende und mitreißende Science-Fiction Action. "Ich habe 10 Runden mit John L. Sullivan im Ring gestanden! Na und? Ich sah Tyson gegen Spinks im Fernsehen!" MovieStar Wertung: 9 von 10 Punkte.
9/10