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Titane

Herstellungsland:Frankreich, Belgien (2021)
Standard-Freigabe:FSK 16
Genre:Drama, Thriller
Bewertung unserer Besucher:
Note: 7,18 (21 Stimmen) Details

Inhaltsangabe:

Ein junger Mann mit verletztem Gesicht wird auf einem Flughafen von Zollbeamten aufgegriffen. Er behauptet, Adrien Legrand zu sein, der vor zehn Jahren als Kind plötzlich spurlos verschwand. Für Adriens Vater Vincent scheint der Albtraum, nicht zu wissen, wo sein Sohn ist, endlich beendet zu sein und so holt er den jungen Mann zu sich nach Hause. Zur selben Zeit wird die Region von einer grausamen Mordserie in Angst und Schrecken versetzt. Das Model Alexia, die für eine Autoshow arbeitet, gerät als nächstes mögliches Opfer ins Visier des Täters. (Koch Films)

Diese Kritik enthält Informationen über den späteren Handlungsverlauf der Geschichte.
eine kritik von therealash:

Avantgardistisches Erzählen jenseits.

 

Julia Ducournaus neuer Film Titane ist eine absolute Wucht, was filmisches Erzählkino angeht, dass ich gar nicht anders kann, als erfürchtig vor dieser Regisseurin niederzuknien und mehr Filme von ihr zu wünschen, was ich bei ihrem Debüt-Film Raw schon ausführlich getan habe. Was sie mit Titane auf die neue Geschichte des Films nun losgelassen hat, ist gelinde gesagt ein Periodensystem der menschlichen Abgründe einer Existenz im Übergang. Hört sich schwierig an? Ist es auch. Allein, was bedeutet der Titel? Titan ist ein sogenanntes Übergangsmetall, was das genau bedeutet, weiß ich nicht, da ich in Chemie eine absolute Null war. Jedenfalls sind die Eigenschaften dieses chemischen Elements, dass es hitzebeständig ist, nicht rostet und extrem dehnbar ist. All das kann definitiv in Motive des Films gelegt werden, wer sich denn eine Analyse wünscht.

Abseits dessen erzählt Titane oberflächlich die Geschichte von Alexia, die als Kind einen Autounfall mit ihrem Vater hatte, in dessen Folge ihr eine Titanplatte in den Kopf implantiert werden musste. Als Erwachsene führt sie ein grenzwertiges Leben zwischen Begierde und extremen psychischen Zuständen. Einerseits ist sie eine Tänzerin auf Autoshows, wo sie einen Pulk männlicher Fans um sich versammeln kann, andererseits ist sie eine brutale Serienmörderin, die auch vor dem Mord an nahestehenden Personen nicht zurückschreckt. Ihre seltsame Vorliebe für Automobile rührt aus ihrer Kindheit, in Verbindung damit eventuell, dass sie durch den Unfall zwar schwer verletzt wurde, aber letztlich doch vom Automobil gerettet wurde. In dieser Folge verwundert es nicht, wenn Alexia Sex im inneren von Autos hat, die sie obendrein noch schwängern.

Harter Tobak, definitiv, und wer jetzt an Crash von David Cronenberg denkt oder auch an Christine von John Carpenter, hat wenigstens ein paar Referenzen, an denen sich festhalten lässt, wenn die Erzählung mehr und mehr irreal wird, surreal, mythisch überhöht und basal konzentriert auf menschliche Ausscheidungen, die hier allerdings in der Form von Motorenöl und mir unbegreiflichem Schaum bestehen.

Als Alexia den Bogen überspannt und eine ganze WG ermordet, muss sie fliehen und versucht die Identität eines vor 17 Jahren verschwundenen Jungen anzunehmen, dessen Vater zwar kurz staunt, als er das burschikose Mädchen mit der gebrochenen Nase sieht, sie aber aus unverarbeiteter Trauer oder eben auch ewigwährender Liebe jenseits des einen Menschen als seinen Sohn annimmt. Vincent ist Feuerwehrkommandant und geht tagsüber mit seiner Jungmännergruppe durchs sprichwörtliche brennende Inferno, gibt sich abends aufgrund seiner Eitelkeit und eventueller Probelmatik mit dem Älterwerden Hormonspritzen, die ihn wieder in Form bringen.

Nun ja, die Erzählung wird immer schwieriger zu begreifen und kann mit herkömmlichen Plotpoints, Heldenreisen oder anderem Brimborium nicht mehr erklärt werden. Themen um Identität, Geschlecht, den Menschen als Maschine, Inzest, Liebe, Hass und Mord sind wohl die Kernpunkte, um die sich Titane dreht.

Titane ist brutal, sowohl in seinen zu Beginn zelebrierten Morden, als auch in seiner den Körper verletztenden Realitätsnähe, bei der man manchmal schlucken muss, oft aber selbst körperlich affiziert wird, wenn sich Alexia die Brüste abklemmt, den schwangeren Bauch, oder auch nur die Brustwarze ihrer Freundin liebkosen will. Der Vergleich zum Body Horror von David Cronenberg ist deshalb wohl nicht weit hergeholt, Titane geht aber darüber hinaus. Denn es ist jenseits der zu Beginn geradzu misogynistischen Darstellung von "Weiblichkeit" die Dekonstruktion des Geschlechts, des Körpers und dessen, was Identität sein könnte. Auch der Übergang vom Menschen zur kybernetischen Maschine ist nur die letzte Konsequenz, die Titane behauptet.

Schauspielerisch muss man im Übrigen ebenfalls nur niederknien vor Agathe Rouselle als Alexia, eine nichtbinäre Fotografin, Journalistin, Autorin und Model, die bei Titane ihr Langfilmdebüt gibt. Es wird gemunkelt, sie möge Roland Barthes und Nick Cave, was ich nur teilen kann. Den Feuerwehrkommandanten Vincent inkorporiert Vincent Lindon, der 2015 als bester Schauspieler in Cannes für den Film Der Wert des Menschen ausgezeichnet wurde und eine lange Filmographie sein eigen nennt. Er war in den 80ern, wie ebenfalls gemunkelt wird, mit der Tochter des französischen Expräsidenten Jacques Chirac (Fuck Chirac!) zusammen, was ich nicht teilen kann.

Die Chemie der beiden Schausieler stimmt bis in jede Faser deren Körper, deren Spiel physisch zuweilen mehr als extrem ist. Absolut herausragend!

Die Filmmusik von Jim Williams bräuchte eigentlich keine besondere Erwähnung, schätze ich ihn doch sehr für die Soundtracks zu Ducournaus Raw, zu Brandon Cronenbergs Possessor oder Ben Wheatleys A Field in England. Bei Titane legt er in Sachen Opulenz und Energie allerdings noch eine Schippe drauf, dass der Score unbedingt als Anschaffung auf Vinyl zu empfehlen ist.

Ganz ehrlich, ich war während und nach einem Film schon länger nicht mehr so ratlos, wie bei Titane. Julia Ducournaus Poetik ist ein Erzählen, das jenseits gängiger Vorgaben besteht und für mich absolut avantgardistisch vorausgeht zu etwas, das ich noch nicht ganz begreife, mir aber so vorkommt, als wäre ich hundert Jahre zurückkatapultiert und würde zum ersten Mal In der Strafkolonie von Franz Kafka lesen.

Titane wird anecken, abschrecken, anwidern, wütend und dellirierend machen, aber kalt wird er einen nicht lassen (nur jene, die sich völlig mit der alten Alexia identifizieren eventuell).

Ausnahmsweise kann ich mal keine steile These aufstellen, mache es aber doch. Die Vorgeschichte von Alexia erscheint nebulös und überhaupt nicht klar. Sie wird lediglich als nerviges Kind gezeigt, das entweder Aufmerksamkeit will oder ihrem Vater zeigen möchte, dass er ein gefühlskaltes Arschloch ist. Wahrscheinlich eine Mischung aus beidem. Ja, ich muss es für mich feststellen, Titane ist ein Liebesfilm in einer glattpolierten und eiskalten Welt, der seine über jede Grenze hinweggesprungene Protagonistin in das flammende Inferno einer Liebe wirft, die nicht jenseits des Menschen ist, sondern allüberbordend humanistisch.

Auch hier: absolut herausragend!

Allerdings möchte ich auch Friedrich Nietzsche mal wieder kolportieren und sagen:

"Ein Film für alle und keine*(n)."

Unbedingt ansehen!

10/10
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Kommentare

09.10.2021 01:00 Uhr - The Machinist
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War mir schon klar, dass eine solche Kritik zu einem solchen Film mal wieder nur von dir kommen kann. Glückwunsch!
An ''Crash'' musste ich auch sofort denken als mir der Trailer erstmals unter die Lupe kam. ''Raw'' war klasse und für - wie sage ich das am besten? - ''derartige'' Filme habe ich ja generell was übrig. Anhand deiner Schreibe klingt das jedenfalls nach ''Tetsuo: The Iron Man'' unter der Regie von Lars von Trier, oder irgendwas in der Richtung. Sprich: Ich mag den Film jetzt schon.

09.10.2021 07:55 Uhr - dicker Hund
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Ansteckende Ash-ieske Begeisterung in Reinform! "Crash", "Raw" und "Titane" stehen jetzt als Dreierbande auf meiner Wunschliste.

09.10.2021 12:27 Uhr - Intofilms
1x
DANKE! 😀

09.10.2021 13:08 Uhr - tp_industries
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Titane wird anecken, abschrecken, anwidern, wütend und dellirierend machen, aber kalt wird er einen nicht lassen


Oder kurz gesagt, genau das richtige für Leute wie mich. :)

Der Inhalt, bzw die schwer zu verstehende und eher zu interpretierende Darstellung erinnert mich an ein gewisses Buch namens "Levana - Göttin des Todes" ( auch wenn ich es noch nicht durchgelesen habe ). ;)

Danke für die Vorstellung und den Tipp! "Raw" steht auch noch auf meiner Liste.

09.10.2021 18:14 Uhr - Cinema(rkus)
2x
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Lynch * Cronenberg * Noe * von Trier * Julia D.
Ja, für mich zählt diese Regisseurin - bereits nach dem 2. Werk - zu den Ultra-Großen des abseitigen Kinos.
Manchmal habe ich Kammerflimmern.
Lynch, Cronenberg, Noe, von Trier, wie wir ALLE, die Jungs werden leider nicht jünger.
Wo bleibt aber der Nachwuchs, der wahrlich und wahrhaftig in deren Fußstapfen treten kann ?
Ohhhhlllllaaaallllaaaaaaaa, Auftritt Julia Ducournaus.
Mit "Raw" schon ein künstlerisches Werk abgeliefert, das fast ohne Konkurrenz ist. Hört mir bitte auf mit den furchtbaren Kannibalen-Schockern aus der Vergangenheit, sondern behandelt dieses Thema bitte so kunstvoll, intelligent, wie ich es damals fast nicht für möglich gehalten hätte. 10-er Kanditat. Locker.

Mann, und dann kam lange nichts. Ich wurde schon langsam nervös, ob es sich wieder mal um eine von mir geschätzte (überschätzte???) Eintagsfliege gehandelt haben könnte. Ich sog dann ständig irgendwelche Informationen aus dem Netz, und ja, yiepiiiiehhhhhh, "Titane" war am Entstehen.
Das Mädel Julia hat 5 !!!!! Jahre am Drehbuch geschrieben und..............das warten hat sich gelohnt.
Dieser Film reiht sich in die kontroversesten Stücke der Kinogeschichte ein, ist - meiner Meinung nach - wahrscheinlich auch nur für einen kleinen Kreis von Cineasten zugänglich.
Jedoch meisterlich. Abgedreht, provokant, brutal, crazy.....und deshalb genial !!!
Mit Szenen, die ich so noch nie in irgendeinem Film gesehen habe. Auch nicht ähnlich.
Ich liebe Film, Kino genau für solche Momente.
Meine Prognose:
Diese Regisseurin beerbt künftig die wirklich großartigsten Regisseure, die das abseitige Kino in den letzten Jahrzehnten zu bieten hatte. Nehmt mich bitte beim Wort, aber es wird so sein.

Noch kurz zur immer wieder viel gescholtenen FSK. Bitte irgendwann mal registrieren, dass diese ECHTE KUNSTWERKE stets in einen richtigen Kontext steckt und dann doch sehr gnädig in der Einstufung agiert. Das hat die FSK - bei aller sonstigen oftmals berechtigten Kritik - immer wieder mal bewiesen.

Ash, Thanks, dass Du dieses Juwel hier besprochen hast. Dabei steht Deine Review auch dem Film in keinster Weise nach. Ich habe jede Deiner Zeilen genossen, vor allem, weil ich eben auch schon in den Genuss des Films kam. Oh Mann, grandiose Vorstellung eines Werks, was ich in meinem Leben nie vergessen werden.
Ich gratuliere Dir zu Deinem exquisiten/exclusiven/abseitigen Film-Geschmack.
Gruß C.M.



09.10.2021 20:34 Uhr - tp_industries
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@cinema(rkus)
Noch kurz zur immer wieder viel gescholtenen FSK. Bitte irgendwann mal registrieren, dass diese ECHTE KUNSTWERKE stets in einen richtigen Kontext steckt und dann doch sehr gnädig in der Einstufung agiert. 


Also ECHTE KUNSTWERKE liegen immer noch im Auge des Betrachters, auch bei der FSK. Sind also eine subjektive Geschichte. Ich habe in meiner Review zu "Scenic Route" zwar mal das Zitat "Kunst kann ein Stadium erreichen, in dem Qualität ein Fakt ist und keine Meinung mehr" gebracht, dennoch ist das eher romantisches Denken. Die Realität sieht anders aus.

Ich kenne einige die "Avatar" als echte Kunst ansehen ( was ich nicht so sehe ). Dann kenne ich auch welche die der Meinung sind, dass Gaspar Noe's Filme nix mit Kunst zu tun haben und ausschließlich auf Provokation abzielen ( was ich auch nicht so sehe ). Fakt ist: Jeder empfindet anders und es wird schon an jeder Meinung was dran sein.
Damit will ich nur sagen, dass sich keiner wirklich rausnehmen sollte bei irgendeinem Film, Gemälde oder Ähnlichem pauschal von ECHTER KUNST zu sprechen. Das heißt natürlich nicht, dass nicht jeder seine Meinung sachlich wiedergeben darf.

Für mich sind Laugier's "Martyrs" und Pasolini's "Die 120 Tage von Sodom" auch Kunstwerke. Die FSK sah das aber anders und verweigerte den ungeschnittenen Versionen die Freigabe.

@ash
Sorry, falls das jetzt etwas ausgeufert sein sollte! :)

09.10.2021 23:05 Uhr - TheRealAsh
4x
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@all: danke für die netten Rückmeldungen! :-)

@machinist: cooler Vergleich mit Tetsuo meets Lars von Trier, ich würde sogar sagen: Lars von Trier seine Schwester XD

@CM: danke für die schönen Worte:-) Ich sehe es genauso, Ducournau wird noch einiges reißen. Das mit der FSK ist schon krass, eigentlich ja ein klarer 18er-Kandidat, ein paar Jahre früher. Aber der künstlerische Anspruch rechtfertigt die 16er

@tp: alles gut, darum gehts doch, bin immer offen für solche Diskussionen, leider wird ja Martyrs nicht als mit dem Anspruch innewohnend betrachtet, als vieles anderes, Pasolinis "Sodom" ist da mittlerweile schon eher rehabilitiert. Aber es gibt auch Filme, die erheben einen künstlerischen Anspruch und sind einfach nur flach. Man muss das definitiv genauer betrachten, da habt ihr schon recht.

10.10.2021 13:13 Uhr - tp_industries
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@ash
Das sehe ich ähnlich wie du.

Mit

Aber es gibt auch Filme, die erheben einen künstlerischen Anspruch und sind einfach nur flach.


hast du aber eine interessante Aussage getroffen. Denn genau diesen Satz ( bzw dieser Inhalt) höre und lese ich oftmals im Zusammenhang mit den Werken von Gaspar Noe oder Lars von Trier. Ich selbst liebe deren Arbeiten und sehe sie als Kunst an. Es gibt aber eben auch Leute die das völlig anders sehen und es aus ihrer Sicht auch begründen können.

Um nochmal kurz auf "Avatar" zurückzukommen. Ja, es ist für mich ein sehr gut gemachter Unterhaltungsfilm. Aber nein, für mich ist das kein großes künstlerisches Werk. Heißt das also dass "Avatar" keine Kunst ist? Natürlich nicht. Es ist lediglich meine Ansicht. Und diese Ansicht würde ich nie als pauschal richtig hinstellen. Dazu habe ich gar kein Recht. Viele andere Menschen sehen den Streifen als Kunst an, können das aus ihrer Sicht auch begründen und das toleriere ich.

Und damit komme ich auch zum Kern meiner Aussage. "Kunst" ist ein sehr dehnbarer Begriff. Ich gehe sogar soweit zu behaupten, dass Kunst eine persönliche Sache eines jeden Einzelnen ist. Faktoren wie die eigene Vergangenheit und die individuelle Sicht auf die Welt spielen dabei eine tragende Rolle. Kunst kann man nicht anhand einer Art Checkliste definieren. Und somit wird es meiner Meinung nach immer eine subjektive Angelegenheit bleiben.

Mit den Ansichten von cinema(rkus) stimme ich meistens überein. Denke aber oftmals dass er seine Ansichten zu pauschal formuliert. Die Sätze die ich aus seinem Kommentar zitiert habe, dienen zur Veranschaulichung meiner Argumentation und sollen dabei kein persönlicher Angriff sein. Bitte nicht falsch verstehen! Dass er die Werke von den aufgezählten Künstlern für echte Kunst hält ist in Ordnung und das sehe ich wie gesagt auch so. Man sollte es aber auch als eigene Sichtweise kommunizieren und gegenteilige Ansichten respektieren. So liest es sich aber wie eine pauschale Tatsache. Was Kunst ist und was nicht, kann in meinen Augen jeder ausschließlich für sich selbst festlegen und nicht für die Allgemeinheit.

Und wenn man dies so an nimmt, kann man glaube ich auch am besten über Kunst diskutieren und am Ende seinen eigenen Horizont erweitern. In künstlerischer sowie in persönlicher Sicht.

10.10.2021 21:44 Uhr - Cinema(rkus)
3x
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Oftmals pauschalierte (= unzulässige Verallgemeinerung) formulierte Ansichten ?
Wat ?
He, tp_industries, alles o.K., akzeptiere Deine Meinung über meine Kommentare, bin nicht sauer.

Echte Kunstwerke.
Ja, es gibt sie. Und die packen mich so wirklich.
Bewusstseinserweiternde Drogen ? Den Quatsch brauche ich nicht, denn auf dieser Ebene greift bei mir dann Kunst. Filme, die in mir Sinne ansprechen, von denen ich nicht wusste, dass ich sie habe. Die mich, meine Sehgewohnheiten, das mir zur Verfügung stehende Hirn, meine Gedankengänge, meine Gefühle, mein Empfinden für Ästhetik auf ein neues Level heben. Filme, die nach dem ich sie gesehen habe, nicht aus meinen Gedanken springen, sondern sich verfestigen, nach Aufarbeitung schreien. Geschichten, die ich dann im Internet recherchiere, mir verschiedene Interpretationen zuführe, ich mich regelrecht darin bade. Ja, das ist echte Kunst und ich bin stolz darauf, dass ich diese noch empfinden kann.

Und, tp, logisch, alles was ich hier schreibe, ist MEINE MEINUNG, MEINE EMPFINDUNG, SIND MEINE GEDANKEN. Ähmmmm, was auch bitte sonst ?
Andere Meinungen tolerieren ? Ja, mach ich doch. Manchmal ist es mir verständlicher, manchmal unverständlicher. Verstehst Du, wenn jemand "Driver" hört, dass er dann an einen mittelmäßigen Dacascos Streifen denkt ? Auch nicht so, oder ?
Tolerieren ja, was soll man denn auch sonst dagegen machen, verstehen jedoch nicht. Und das ist gut so, weil ich hier Film, Kunst nur für mich bespreche und beurteile. Wenn hier jemand die stupiden Freitag der 13.Filme in den Himmel hebt, dann toleriere ich das, ich werde mit ihm/ihr aber nie einen Kinoabend verbringen. Schaut jemand Arzt-Serien, bewertet diese Serie höher wie manche Meisterwerke, bekommt dafür auf dieser Seite noch Beifall, bitte, gern, aber ich werde nicht mit klatschen. Ich toleriere, akzeptiere, ziehe aber klar meine Linie.

Antichrist * The Eyes of my Mother * Der Leuchtturm * The House That Jack built * Irreversibel * Menschenfeind * Raw * Titane * Thelma * Verhängnis * Torre tanzt * Crash * Spider * November * Martyrs *
Brimstone * Mother * Black Swan * und und und.....

Das sind Filme, die bei mir als absolute/echte Kunst gelten, natürlich nach meiner ganz eigenen Definition (siehe oben) und in einer anderen Dimension schweben, als 90 % aller anderen Filme.

Und, tp, das meinte ich.
Nimm z. Bsp. "Antichrist".
Welch vielschichtiges Werk, welche Interpretation ist da möglich ? Unglaublich, gigantisch. Dann auch formal klasse gedreht (mit einem der besten Kameramänner der Welt), es zieht dich als Zuschauer in einen Strudel, der dich nicht mehr loslässt, dich anschließend nicht schlafen lässt. Ein unheimlich ausgeklügeltes Drehbuch.
Und dann betrachte die FSK-Einstufung.
Wären manche der Szenen, die ich hier nicht näher erläutere, Du weißt aber sicher, welche ich meine, in einem billigen Amateurstreifen vorgekommen, den Film hättest Du hier bei uns nicht regulär beziehen können.
So aber ? Kunst = ungeschnitten ab 18. Und das meinte ich. In der FSK sitzen - meiner Meinung nach - nicht nur unqualifiziertes Personal, sondern sie können das Ganze (manchmal !!!) schon einordnen.

Hoffe, mit meinem Statement jetzt, ein bisserl meine Gedanken für Dich klarer formuliert zu haben. Wir lesen und hören uns bestimmt mal wieder....
Gruß
C.M.

10.10.2021 22:47 Uhr - TheRealAsh
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na das ist doch mal eine produktive und interessante Diskussion, thumps up!

ich finde auch, dass es definitiv eine Frage des persönlichen Geschmacks ist, andererseits gibt es aber natürlich schon handwerkliche Kriterien bei Filmen und auch gewisse Formen des Filmens, die künstlerischer sind, als andere (schnelle Schnitte, gegen langsamere, Kameraeinstellungen, Farbgebung, etc.). Ist natürlich auch eine Frage des Genres, ein Arthouse-Action-Film gegen einen Action-Blockbuster kann man und sollte man nicht gegeneinander ausspielen. Ich glaube ganz wichtig ist natürlich ein ein Expertengremium, das sich auf etwas einigt, wie z.B. bei Titane, der eben einen renommierten Arthouse-Preis nun gewonnen hat. Heißt am Ende und für die Zukunft aber natürlich alles keine letztgültige Wahrheit. Die persönlichen Vorlieben bleiben wohl immer ausschlaggebend.

Ich hab z.B. letztens einen Film aus China gesehen: Long Days Journey into night, der mit Wong Kar Wei genannt wurde und mich extrem enttäuscht hat, weil ich ihn viel zu bemüht fand (langsame Einstellungen, slomo, wunderschöne Farben zugegeben). Im Gegensatz dazu ist Wong Kar Wei halt einfach ein Meister. Ich denke schon, dass es in diesem Fall an einer Form von Kopie lag, in dem das Eigenständige nicht genug ausgereift war.

Spannende Diskussion jedenfalls und da könnte man noch lange philosophieren. Gerade Titane überzeugt ja wiederum durch seine Kontroversität und auch physische Brutalität, so überhöht allerdings und in einen anderen Kontext gesetzt, dass es eben wieder sehr eigenstädnig ist.

ein Thema ohne Ende - und darum soll es ja auch gehen, deshalb schauen wir doch Filme, ob künstlerischer oder weniger künstlerisch, bleibt da nicht die Frage. Kunst ist definitiv ein dehnbarer Begriff :-D

11.10.2021 08:26 Uhr - tp_industries
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@cinema(rkus)
Wenn bei "Drive" jemand an den Dacascos Streifen denkt, dann verstehe ich das auch. Damit kommen wir wieder zu den individuellen Vorlieben. Ich selbst denke da auch eher an Refn's Meisterwerk, welches ich liebe. Verstehe aber auch die, die die Nummer als zu sperrig empfinden und den unkomplizierteren Vertreter bevorzugen.

Bei der Sache mit der Arztserie kann ich mich noch sehr gut an die Diskussion im Kommentarbereich erinnern. Und auch hier muss ich sagen, zum einen ist es Geschmackssache des jeweiligen Autors und zum anderen sollte man differenzieren.
Ich habe "Nekromantik" mit 9 Punkten bewertet. Genau wie "Frau Holle" (DEFA Verfilmung). Die beiden Streifen könnten unterschiedlicher nicht sein. In allen Belangen. Da ich aber meistens innerhalb des Genres bewerte, geht das für mich klar. Lars von Trier's "Antichrist" würde ich auch 9 Punkte geben. Diese Punktzahl steht für mich innerhalb des Genres. Das heißt natürlich nicht, dass "Frau Holle" und "Antichrist" künstlerisch auf einem Level sind. In ihrer jeweiligen Kategorie sind sie mir die 9 Punkte aber allemal wert.

Ich hoffe ich konnte dir meinen ursprünglichen Gedanken jetzt noch etwas besser erläutern.
Ansonsten bin ich deiner Meinung. Ich bin mir sicher dass wir auch in Zukunft noch die eine oder andere Diskussion haben werden! ;)

@ash
"da könnte man noch lange philosophieren"
"ein Thema ohne Ende"

Dem stimme ich zu. Aber solange es sachlich bleibt macht es eben auch Spaß. Und ich denke der bisherige Kommentarbereich ist dafür ein positives Beispiel! :)

Junge, Junge ash, da hast du mit deinem Text aber was losgetreten! XD
Finde es aber klasse. Denn das zeigt doch zum einen nur, wie wichtig solche Filme sind, und zum anderen, wie wichtig es ist mit gut geschriebenen Reviews darüber zu berichten!

11.10.2021 12:40 Uhr - Cinema(rkus)
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Ash

Meisterhafter Film, dazu passende meisterliche Review, dann noch starke Kommentare von Dir.
Ich würde sagen/schreiben, dieser Eintrag ist Dir supergut gelungen. Glückwunsch.
Freue mich, wenn wir mal wieder hier zusammen kommen.
Gruß C.M.

tp

Irgendwie gibt es zwischen uns eine Menge Schnittmengen, da liegen wir sehr dicht in unseren Ansichten beinander. Es gibt jedoch auch Nuancen, in denen wir voneinander getrennt schlafen (ähmmmm, gut so....hihihihi). Umso mehr gefällt, dass wir uns hier austauschen konnten, ohne mit dem Degen zu fuchteln.
Ja, so macht diskutieren Spaß, so gefällt es. Der Eintrag von Ash, mitsamt allen Kommentaren von uns ALLEN, gibt jedenfalls eine starke Visiten-Karte für diese Seite ab. Bis demnächst.....Gruß C.M.

11.10.2021 16:01 Uhr - cecil b
1x
Moderator
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Eine sehr schön verfasste Review, Herzblut in jeder Zeile!

Und eine hochinteressante Vorstellung!

Einer schöner Film, vermute ich, der zwischen den Zeilen funktioniert. Kein Wunder, dass der Herr Schriftsteller der Besonderen Art dafür prädestiniert dafür ist, den so schön vorzustellen! :)

11.10.2021 16:25 Uhr - Lukas
1x
Gelungene, interessante Review zu einem faszinierenden Film, den ich früher oder später sicher auch noch sichten werde. Raw habe ich erst einmal gesehen und anschließend sehr ambivalente Gefühle (schwankte zwischen "Was für ein Rotz" und "Wow - klasse Film") gehabt. ;) Den müsste ich mir irgendwann auch nochmal vornehmen.

11.10.2021 22:23 Uhr - TheRealAsh
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User-Level von TheRealAsh 10
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@tp: ich finde die Unterscheidung zwischen Genre Wertung auch sinnvoll, bzw. mache da keine Gesamtwertung, weil ich das für mich unmöglich finde. So kann ich gleichzeitig "Gemini Man" 10 Punkte geben, weil es ein knackiger Actioner ist, auf allerhöchstem technischen Niveau und "Persona" von Bergman auch, obwohl für mich letzterer das zeitlose Meisterwerk ist. Kommt eben immer auf die Sicht, den Standpunkt und auch das Genre an, wenn man so will. Andere haben verschiedene Wertungsskalen. Eine, die ich z.B. auch besonders schätze und zunächst nicht verstanden habe, ist die von DICKER HUND, der auch eine sehr genaue Einteilung nach seinen Vorlieben und den wichtigen Punkten unternimmt und bei dem 6 Punkte nicht unbedingt eine schlechte Wertung sind. Manchmal muss man halt auch reinkommen in eine Schreibe, wie auch in einen Film:-D

@CM gabs bei euch beiden mal Beef? Habe ich gar nicht mitbekommen, hier jedenfalls erscheinen mir eure Kommentare sehr lohnend und bereichernd

@Cecil danke dir, mein Lieber ;-)

@Lukas auch dir vielen Dank fürs Vorbeischauen und Hineinstöbern, "Raw" ist wirklich ein Afterburner finde ich, der wächst zusehens, falls es dich interessiert, gibts einen Podcast mit einem bestimmten Herrn hierzu;-)
https://www.youtube.com/watch?v=sFuWYt7Toi0 (darf ich das hier posten, Cecil?)

12.10.2021 08:03 Uhr - tp_industries
1x
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@ash
Also sehen wir es ja im Grunde gleich. :)
Bei den ( meiner Meinung nach ) hervorragenden Reviews von dicker Hund ging es mir ähnlich. Aber seine Punktevergabe kann er immer schlüssig erklären, da gebe ich dir recht.
Mit den 6 Punkten hast du auch einen interessanten Punkt angesprochen. Ich hatte schon öfters den Eindruck, dass von einigen eine Punktzahl von 5 oder 6 Punkten als "schlecht" angesehen wird. Finde ich aber Quatsch. Man kann hier zwischen 1-10 Punkte vergeben. 5-6 Punkte bedeuten folglich "durchschnittlich" bzw "überdurchschnittlich". So gehe ich persönlich da auch ran. Wenn ich 5 oder 6 Punkte verteile, spreche ich dabei nie von einem schlechten Film!

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