Mann beisst Hund
Originaltitel: C'est arrivé près de chez vous
Herstellungsland: | Belgien (1992) |
Genre: | Drama, Komödie, Thriller |
Alternativtitel: | Mann beißt Hund Man bites Dog |
Bewertung unserer Besucher: |
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Note: 8,35 (26 Stimmen) Details |
Inhaltsangabe:
Ein Kamerateam begleitet den Killer Ben bei der Arbeit. Launig berichtet er über seinen Job und sein Leben. Bald weicht die anfängliche Distanz der Reporter der Kumpanei mit dem Mörder. Schließlich helfen sie sogar bei der Beseitigung der Leichen und legen selbst Hand an (DVD-Cover)
Als Freund der abseitigen Filmkunst wird man französischsprachige Werke zuhauf aufzählen können, allerdings wohl kaum mal eines aus Belgien. Aber nicht nur dadurch hat Rémy Belvauxs "Mann beißt Hund" einen Sonderstatus. Seine Mischung aus bissiger Mediensatire, Arthouse und TrueCrime-Thriller darf ohne Scheu als einzigartig bezeichnet werden. Ein anfänglich vergnügt aufgelegter Benoît Poelvoorde spielt seine gleichnamige Figur mit Verve. Im Interview-Stil spricht er mit dem Team, das ihn in seinem Alltag als Berufsraubmörder begleitet. Zunächst umgibt dieses Format noch eine gewissermaßen seriöse Aura, die das triste schwarz-weiß noch erweitert. Doch schon in den ersten Minuten prasseln eingeblendete Tötungen und Leichenentsorgungen auf den Zuschauer ein.
Um so bizarrer mutet es da an, wie gut gelaunt der Täter auftritt und wie sehr ihn sein Nahumfeld zu mögen scheint. Selbst die Reporter-Crew lässt sich von seinem Charme einwickeln, nimmt zum Beispiel ohne Skrupel einen Beuteanteil entgegen - von Gewissen keine Spur. In bester Sensationsmanier wird im Stil von "Gesichter des Todes" nach drastischem Material gelechzt, wobei es als journalistische Ehre begriffen wird, live beim Alltag der Hauptrolle dabei sein zu dürfen. Dieser geschwätzige Todbringer singt bierselig über seine Liebe zum Kino, nur um im nächsten Moment seine Opfer mit zynischem Humor (5/10) zu verhöhnen.
"Trinken wir auf die Alte. Von Herzen!"
Das Jagdrevier des künstlerisch wie politisch interessierten, nicht zu verwechseln mit korrekten, Delinquenten wird als freudlos dargestellt. Technokratisch gestaltete Wohnkomplexe grenzen an eine stillgelegte Fabrikanlage. Die gewählten Perspektiven lassen Stahl, Beton und Mörtel um so erdrückender aussehen. Vergleiche mit dem Set von "Eraserhead" liegen nicht fern. Mit der obligatorischen Wackelkamera wird Authentizität vermittelt, was bei diesem Stilmittel regelmäßig mit einer unvermeidlichen Irritation einhergeht. Prägend in Erinnerung bleibt indes die Unberechenbarkeit des Schießeisenträgers mit dem gepflegten Äußeren, die nach einer Weile Abartigkeiten wie eine Kindstötung (Gewalt 6/10) sowie eine optisch ziemlich ranzige Gruppenvergewaltigung (Sex 5/10) hervorbringt. Das debile Miteinander der Skandalsucher und ihres Lieferanten transportiert auf diesem Wege zielführenden Horror (6/10), dessen Hauptmerkmal mehr in den gelieferten Bildern selbst als in den kaum identifikationsfähigen Charakteren begründet liegt. Diese bleiben - Absicht unterstellt - zu blass, um mit ihnen mitzufiebern.
"Den hatte ich völlig vergessen."
Je mehr die Beteiligten außer Rand und Band geraten, desto fernliegender fühlt sich leider die Geschichte an. Dass die Polizei kaum auf die dermaßen auffällig agierende Gruppe reagiert, strapaziert die Vorstellungskraft über Gebühr. Die Kritiklosigkeit der Betrachter an der Abmurkserei lässt sich dagegen leicht als sarkastische Überspitzung der Moralverkommenheit des Reality-TV deuten.
Nach alledem erfreut diese kleine Filmperle durch ihre krasse Extravaganz (7/10 Punkten). Ein Hauch von Anspruch und hochwertiges Handwerk werten sie respektabel auf. Weil infolge der intendierten Wandlung des Rezipienten zum voyeuristischen Mittäter vieles onscreen gezeigt wird, kommen äußerlich kaum Längen auf. Trotzdem ermüdet die dezent monotone Darstellung mit der Zeit, zumal die recht eindimensionale Botschaft bald verbraucht ist. Der gewünschte Realismus gelingt auch nicht durch die Bank. Dennoch beeindruckt die selten gebotene Vereinigung von Programmkino und Serienmörderstreifen als veredelte Variante von Produktionen wie "Henry - Portrait of a Serial Killer", "The Last Horror Movie" oder "Natural Born Killers" im nüchternen Gewand eines "Funny Games" oder "Muxmäuschenstill". Die FSK vergab dafür einen Rotflatschen.
Kommentare
28.12.2021 13:20 Uhr - sonyericssohn |
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Schon viel gehört, noch nie gesehen. Zumindest weiß ich jetzt ungefähr was der Film parat halten würde sollte der mir mal über den Weg laufen. Danke für den Einblick ! 👍
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28.12.2021 13:37 Uhr - cecil b |
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WOW! Für die Review. Ganz meiner Meinung!!!
Einen Touch stilistische Ähnlichkeit könnte ich noch THE LAST HORRORMOVIE zusprechen, den du ja auch so schön besprochen hast. |
28.12.2021 15:44 Uhr - dicker Hund |
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28.12.2021 16:20 Uhr - cecil b |
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28.12.2021 19:29 Uhr - leichenwurm |
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28.12.2021 19:44 Uhr - dicker Hund |
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@leichenwurm
Wenn ich mir das Abstimmungsbild anschaue, bist Du mit Deiner Ansicht offenbar nicht alleine. :-) |
28.12.2021 20:51 Uhr - Man Behind The Sun |
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Tolle Review, toller Film! Hab den das letzte Mal vor 20 Jahren gesehen, den muss ich unbedingt nochmal nachschauen, ob der auch heute noch funktioniert.
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