" Wir sind zu dritt nach Vietnam gegangen. Ich hab Franky versprochen ihn nach Hongkong zu bringen... und hier ist er, Tom. Ich hab mein Versprechen gehalten. Ich hab ihn in Saigon gesehen, er war ein verrücktes Tier, weißt du wieso ? Weil er diese Kugel im Kopf hatte ! "
Zwischen 1955 und 1975 fand unter amerikanischer Beteiligung der Vietnamkrieg statt, auch bekannt als zweiter Indochinakrieg, dessen traurige Bilanz drei bis vier Millionen tote Landeseinwohner mit hohem Zivilistenanteil und etwa 58.000 tote US - Soldaten ausmacht. Der nördliche Teil Vietnams war stark kommunistisch geprägt, wodurch die USA bei einem Sieg über den südlichen Teil befürchteten, dass sich die kommunistische Bedrohung weiter ausbreitete. Ab 1965 wurden somit amerikanische Bodentruppen ins Kriegsgebiet entsandt, der kommunistische Norden wiederum erhielt Unterstützung aus China. Erst 1975 wurde Saigon, die südliche Hauptstadt Vietnams, von Vietcongkämpfern eingenommen und der Krieg somit beendet.
In John Woos phantastischen Werk " Bullet in the Head " aus dem Jahre 1990, welches sich neben den Meilensteinen " A Better Tomorrow 1 und 2 " (1986 und 1987), " The Killer " (1988) und " Hard Boiled " (1992) bei Fans des asiatischen Ausnahmeregisseurs großer Beliebtheit erfreut, geht es inhaltlich um die drei unzertrennlichen Freunde Ben, Frank und Tom, die aufgrund eines Racheaktes an einem Gangsterboss, dessen Tötung nicht geplant gewesen ist, gezwungen sind, Hongkong zu verlassen und nach Saigon zu fliehen, um während der Wirren des tobenden Vietnamkrieges mit illegalen Geschäften viel Geld zu verdienen. Doch der Krieg fordert seine Opfer und wird die Freundschaft der drei Freunde noch auf eine äußerst harte Probe stellen. Die Erfahrungen, welche die Freunde im Krieg machen, wird das Leben aller drei für immer verändern.
Durch den Kommunismus sah sich Woos Familie bereits 1951 gezwungen, nach Hongkong zu fliehen und da sein Vater aufgrund einer Tuberkuloseerkrankung keine Arbeit mehr fand, verarmte die Familie zusehends. Auf den Straßen erlebte der Junge Woo Gewalt und Kriminalität und diese Lebenserfahrungen sollten seine filmischen Erzählungen nachhaltig beeinflussen. Gerade die Gewalt, von Woo perfekt inszeniert, mit einem ordentlichen Härtegrad versehen und häufig in Zeitlupe gedreht, ist sehr stilisiert dargestellt und gehört unumstritten zu den markantesten Markenzeichen Woos, dessen Schaffen westliche Cineasten nachhaltig geprägt hat und bis heute noch zu beeindrucken weiß. Es wäre jedoch mehr als töricht, seine Filme auf bloße Ballerei runterzubrechen, denn auch wenn der asiatische Stil für westliche Sehgewohnheiten manchmal etwas befremdlich wirkt, so befinden sich dahinter viele zwischenmenschliche Tugenden wie Edelmut, Stolz und ein ausgeprägter Ehrenkodex sowie Brüderlichkeit und Freundschaft, welche laut Woo die höchsten menschlichen Tugenden bilden.
Von diesen scheinen auch unsere drei Freunde beseelt zu sein, welche durch dick und dünn gehen, füreinander einstehen und nichts und niemand vermag das Band zwischen ihnen zu trennen. Als der Überfall auf eine Unterweltgröße jedoch gehörig schief geht, fliehen die Freunde zusammen mit dem Auftragskiller Luke und der Beute, in Form einer Kiste mit Gold, Richtung Norden, geraten dann aber in nordvietnamesische Gefangenschaft. Hier sind die Freunde den sadistischen Spielchen des ortsansässigen Kommandanten und seinen Leuten ausgesetzt, sollen die anderen Gefangenen und sogar die eigenen Freunde erschießen, können aber durch das eingreifen der Amerikaner in letzter Sekunde noch gerettet werden. Tom ist mittlerweile jedoch so sehr von der Gier nach Gold zerfressen, dass er Frank in den Kopf schießt, statt ihm zu helfen, da seine Schmerzensschreie (Frank wurde auf der Flucht angeschossen) sie beide zu verraten drohen, als sie verdeckt im Gras liegen und Tom die Kiste mit dem Gold umklammert. Jene Szene ist absolut zentral im Film und gibt ihm somit auch seinen internationalen Titel. Sie markiert, wie sehr die Gier Menschen verändern kann, jegliche Moral vergessen sowie jahrelange Freundschaft im Bruchteil einer Sekunde verpuffen lässt, sodass quasi nur noch die Rauchschwade einer abgefeuerten Patrone bleibt.
Bekannt sind mir die Hauptdarsteller Tony Leung (Ben), Jacky Cheung (Frank) und Waise Lee (Tom) lediglich aus Werken wie " A Better Tomorrow " (1986), " The Killer " (1988) und " A Chinese Ghost Story 2 und 3 " (1990 und 1991). Hier können sie erneut auf ganzer Linie überzeugen und wissen durch Ihr intensives Schauspiel uns als Zuschauer so richtig zu packen. Das John Woo nicht nur auf dem Regiestuhl Platz nahm, sondern darüber hinaus auch noch neben Patrick Leung und Janet Chun am Drehbuch mitwirkte sowie für die Produktion und den Schnitt verantwortlich zeichnet, steht meines Erachtens nach als weiterer Garant für den durchschlagenden Erfolg des Films.
Neben der Haupthandlung rund um die drei Freunde und ihrer Flucht mit dem Gold, ist zudem eine kleine, aber sehr prägnante Nebenhandlung um eine zur Prostitution gezwungenen Frau miteingebunden, die nicht nur äußerst stimmig und in den Actionszenen als brachial zu bezeichnen ist, sondern bereits schon hier deutlich erkennen lässt, welchen Charakteren noch Moral, Empathie und Ehrgefühl innewohnen. Mehrere Szenen mit dieser Dame werden dabei eingebungsvoll mit dem Score von James Wong (Final Destination - 2000 oder The One - 2001) und Romeo Diaz (Roboforce - 1988 und Once Upon a Time in China - 1991) unterlegt, dessen von Leid, Schmerz und Verlust getragene Klänge noch desöfteren bis tief in uns hervordringen werden.
Mit " Bullet in the Head " präsentiert uns Ausnahmetalent John Woo einen seiner besten Filme überhaupt, der garantiert niemanden kalt lassen wird und durch furiose, knüppelharte und äußerst blutige Actionszenen ebenso begeistern kann, wie durch eine packende Geschichte über wahre Freundschaft, menschliche Schicksale, aber auch durch den Verlust der Menschlichkeit, welche die Auswirkungen des Krieges und die Verlockungen von Reichtum und Macht mit sich bringen. In seiner beispiellosen Darstellung des Schreckens des Krieges, macht Woo nicht davor Halt, uns diese unmenschlich grausamen Szenen schonungslos zu präsentieren, doch kann man hier beileibe nicht von Gewaltverherrlichung reden, zeigen diese doch nur das reale, ungefilterte Abbild des Krieges, mit all seinen hässlichen Facetten. Es gibt nebenbei bemerkt auch noch ein alternatives Ende zur sonst gängigen Fassung, welches ich persönlich stark favorisiere, doch ist dies stets subjektiver Natur geschuldet und auch wenn ich Woos Werke " The Killer " (1988) oder " Hard Boiled " (1992) mehr schätze, so wird mit " Bullet in the Head " dennoch ein absolut sehenswerter Film vorgestellt, den man unbedingt einmal gesehen haben sollte.
9/10