Nach seinem durchaus gelungenen Regiedebüt, dem brutalen, kontroveren Exploitation Horrofilm Last House On The Left (1972), veröffentlichte Altmeister Wes Craven 1977 mit Hügel der blutigen Augen aká The Hills Have Eyes seinen nächsten Horror Schocker, der den Todeskampf einer amerikanischen Durchschnittsfamilie mit kannibalischen Mutanten thematisierte und zumindest für die damalige Zeit auch nicht mit Gewalt geizte. Der 350.000 Dollar teure Streifen war mit einem Kinoumsatz von 25 Millionen Dollar ein voller Erfolg, er erhielt durch die Bank wohlwollende Kritiken und wird in vielen Kreisen heute auch als Kult angesehen. 2006 bewies Alexandre Aja, der 3 Jahre zuvor mit High Tension einen kompromisslosen Überraschungshit landen konnte, dass Remakes nicht zwangsläufig schlechter sein müssen. Im Gegenteil: Es gibt nicht wenig Leute, die behaupten, dass Ajas Interpretation von The Hills Have Eyes dem Original die Show stiehlt, was ich so auch unterschreiben würde. The Hillls Have Eyes anno 2006 ist (fast) perfektes, packendes Terrorkino, dass das Blut der Zuschauer in den Adern frieren lässt und auch von der graphischen Gewalt her die Grenzen von kommerizieller Kinounterhaltung auslotet.
Beide Filme, Original wie Neuauflage, wurden von der Legende von Alexander "Sawney" Bean inspiriert, einem schottischen Clananführer aus dem 15. Jahrhundert, der Gerüchten zu Folge mehr als 1000 Menschen getötet haben soll, um sein Inzucht Gefolge zu ernähren. Bei der 2006er Version ist Alexandre Aja von Wes Craven, der von der damals herrschenden Remakewelle ebenfalls Wind bekommen hatte, beauftragt worden, seinen Klassiker neu aufzulegen, da er durch die enorme Intensität von High Tension auf Aja aufmerksam wurde, was durchaus auch als Ritterschlag für Aja gewertet werden kann, wenn eine Legende wie Craven so große Stücke von ihm hält. Aja war neben der Regieverantwortlichkeit auch fürs Drehbuch zuständig, bei welchem er sich größtenteils an die Vorgabe des Originals hielt. Der ehemalige Polizist Bob Carter (Ted Levine) und seine Freu Ethel (Kathleen Quinlan) mit der ganzen Familie in einem Wohnwagen durch die Wüste von New Mexiko, um ihre Silberhochzeit in Kalifornien zu feiern. Nach einem Tipp durch einen Tankwart begeben sie sich auf eine angebliche Abkürzung, die 2 Stunden Fahrtzeit einsparen soll. Was sie nicht wissen: Der Weg ist eine Falle und führt in ein verlassenes Wüstenareal, auf welchem von Atomtests verstrahlte Menschen Jagd auf Durchreisende machen, um sie zu verspeisen. Als Bob, Ethel und deren Tochter Lynn (Vinessa Shaw) von den Mutanten brutal ermordet werden, stemmen sich ihr Mann Doug (Aaron Stanford), Bobs 11 jähriger Sohn Bobby (Dan Byrd) und seine pupertierende Schwester Brenda (Emilie De Ravin) mit aller Gewalt gegen ihr grausames Schicksal...
The Hills Have Eyes fängt an mit einem Paukenschlag, als ein Mutantenwesen mit einer Spitzaxt drei Männer in Strahlenanzügen in der Wüste New Mexikos malträtiert und ihre sterblichen Überreste an einen Transporter gekettet durch die staubige Landschaft schleift, während in Mark und Bein fahrende Psychedelic Sounds erklingen und der Zuschauer schon mal erahnen kann, was ihn da die nächsten knapp 110 Minuten so erwartet. Danach widmet sich Aja einer (meiner Meinung nach fast schon zu) gewissenhaften Charktereinführung, schließlich müssen Sympathien erzeugt werden, damit das Schicksal der amerikanischen Durchschnittsfamilie dementsprechend mitnehmend ausfällt, was Dank der emphatisch wirkenden Akteure und der friedvollen, tristen, verlorenen Umgebung, welche in beindruckenden Bildern eingefangen wurde, auch gelingt. Um die Spannungskurve zu erhöhen, führt Aja bewusst das Grauen an die noch nichts ahnende Gemeinschaft behutsam und sukzessive heran, auch wenn der Film hier in ein kleines Loch fällt und das Publikum eh schon weiß, was bald passieren wird. Ein frühes schauspielerisches Highlight ist der alte, verpeilte, geheimnisvolle Tankwart (Tom Bower), der mit seiner mystischen Aura prima in das Suspense, bedrohliche Atmosphäre & hemmungslose Gewalt Konzept Ajas passt.
Spätestens, als die monströse Brut durch ein cleveres Ablenkungsmanöver das Leben der Carters auf den Kopf stellt, ist es mit der Ruhe vorbei und unvorstellbares Leid bricht über sie hinein. Ajas dynamische Kameraführung richtet sich jedoch in erster Linie auf die Angst der Opfer, welche durch geschickt eingestreute Close-Ups, unterschiedliche Blickwinkel und den bereits erwähnten, genialen Psycho Sound so wirkt, als wäre man selbst dabei. Die letztendlichen, todbringenden Brutalitäten sind die effektvolle Spitze des Eisbergs, wenn beispielsweise ein an einen Baumstamm gefesselter Mann bei lebendigem Leibe in Brand gesteckt wird oder eine Frau aus nächster Nähe einen blutigen Bauchschuss durch eine Schrotflinte erleiden muss. Eine nicht zu unterschätzende Komponente ist die enorme Kräfteentwicklung, die aus einer lebensbedrohlichen Situation entsteht, was in The Hills Have Eyes dazu führt, dass die übrig Gebliebenen über sich hinauswachsen und den Peinigern einen mitreißenden Überlebenskampf bieten. Vor allem Doug, der von Aaron Stanford ergreifend verkörpert wird, kennt in dem nervenzerreisenden Showdown kein Pardon mehr und die Gewaltschraube wird bei seinem Marsch durch die Siedlung der Freaks nochmal splattrig angezogen, während mit drastischen Bildern und mit bewusst überzogenem Patriotismus die US-Regierung ihr Fett abbekommt, die aus der Sicht der bis zur Unkenntlichkeit deformierten Abartigen die Schuld an ihrem Dilemma trägt.
Handwerklich setzt Aja auf größtenteils physikalische Effekte, aber auch CGI wurde verwendet, um die Missbildungen der zombieartigen Wesen umzusetzten. Die meisten Deformationen waren das Werk von aufwendiger Make-Up und Maskenarbeit, während verseuchte Kinder durch Computerverzerrung animiert wurden. Für die Darsteller der Mutanten castete Aja Schauspieler, die in der Lage waren, ihren wilden Lebensstil zu simulieren und die Stunts trotz umfangreicher Masken bzw. Make-Up Last selber auszuführen. Die Rolle von Goggle, der zwei Schlitze anstatt einer Nase im Gesicht hatte, wurde zum Beispiel von Michael Bailey Smith (Nightmare on Elm Street 5 - The Dream Child) ausgefüllt, während der notgeile Lizard, der an einer schweren Lippenspalte mit missgebildetem Kiefer leidet, von Robert Joy (Land of the Dead) gespielt wird. Das beeindruckendste und zeitgleich auch furchteinflößendste Monster ist jedoch der an einen Stuhl gefesselte Big Brain, dessen übergroßer, aufgeblähter, klumpenartiger Kopf zur Seite neigt und der einen sarkastischen, beängstigenden und schonungslosen Vorwurf an die amerikanische Bevölkerung richtet, dass es einem eiskalt den Rücken runter läuft.
Das weltweite Kinopublikum würdigte Ajas 15 Millionen Dollar teure Arbeit mit einem Einspielergebnis von 70 Millionen Dollar, obwohl vor dem Kinostart für das R-Rating einiges an Material entfernt werden musste. Für einen Film mit Erwachsenenfreigabe ist das jedenfalls ein ordentlicher Wert und mittlerweile gibt es die Unrated Version auf DVD in Deutschland völlig unzensiert mit FSK KJ Segen. Nimmt man mal das etwas schleppende Anfangsdrittel außer Acht, ist The Hills Have Eyes ein hochspannender Ritt auf der Rasierklinge mit starken Darstellern, blutigsten Gewaltspitzen, überzeugenden Effekten und einem Hauch Gesellschaftskritik, der nach der Sichtung seine Spuren hinterlässt und noch lange im Gedächtnis bleiben will. "Ihr habt uns zu dem gemacht, was wir geworden sind!" "Das Frühstück wird gerade serviert!" MovieStar Wertung: 9 von 10 Punkte
9/10