Nach einer längeren Abstinenz wurde es wieder Zeit für eine Rezension. Hiermit gebe ich die Beurteilung bezüglich eines Films ab, der ein bisschen in Vergessenheit geraten zu sein scheint, aber an Suspence und Charakterzeichnung absolut gelungen ist: "Juggernaut" (18 Stunden bis zur Ewigkeit).
Die "HMS" Britannic befindet sich derzeit auf hoher See und die Kreuzfahrt verläuft bis auf die Tatsache, dass sich ein Sturm am Gewässer bildet, regelkonform in ruhigen Bahnen. Dies ändert sich schlagartig ab dem Zeitpunkt, als der Reedereivorstand den Anruf eines Mannes erhält, der sich schlicht "Juggernaut" nennt und ihm verkündet, er habe auf dem Schiff sieben Zeitzünderbomben versteckt, die in 18 Stunden ein Inferno auslösen würden, wenn ihm nicht innerhalb dieses Zeitraums £ 500.000,-- ausgehändigt werden. Als Warnung wird vorzeitig eine der Bomben ausgelöst, die zwar nur einen minimalen Schaden anrichtet, aber den Ernst der Lage veranschaulicht. In einer per Fallschirm riskanten Aktion wird ein Team von Bombenexperten der britischen Marine unter der Führung von Anthony Fallon an Bord des Schiffes gebracht, um die restlichen sechs Sprengsätze zu entschärfen. Wird es dem Team gelingen, die Katastrophe zu verhindern?
In den 70er-Jahren feierte das Katastrophen-Genre wahre Triumphe und das Kinopublikum strömte in Massen in das Kino, um die Desaster-Orgien auf der großen Leinwand zu genießen. Die Werke stammten großteils aus Hollywood und schon damals wurden kaum Kosten und Mühen gescheut, um das Kinopublikum in Staunen zu versetzen. Jetzt dachten sich die englischen Produzenten David V. Picker und Richard DeKoker, "was die in den USA können, können wir schon lange" und nahmen das Projekt "Juggernaut" in Angriff.
Was man sich zum Vorbild nahm, ist das Rezept einer Superstarbesetzung, die leuchtende Augen auslöst: Mit Richard Harris (Ltd. Cmdr. Fallon (der ACTIONSTAR der 70er-Jahre)), Omar Sharif (Cap. Alex Brunel), Anthony Hopkins (John McCloud) oder Ian Holm (Nicolas Porter) hat man Schauspieler verpflichtet, die damals schon zugkräftige Kassenmagneten darstellten. Eine Überraschung stellt Richard L. Lester als Regisseur dar, der zwar allgemein als Komödienspezalist angesehen wird, allerdings bei näherer Betrachtung muss man ihm zugute halten, dass er auch durchaus fähig war, ernste Stoffe adäquat umzusetzen (wie z.B. "Explosion in Cuba" oder "Robin & Marian").
"Juggernaut" ist zwar dem Katastrophen-Genre zuzurechnen, allerdings wurde hier nicht das Hauptaugenmerk auf etwaige ausufernde Effekte gelegt, sondern es wurde die persönliche und psychologische Entwicklung der Charaktere in den Vordergrund gestellt. Dies fällt vor allem bei dem von Richard Harris verkörperten Fallon auf, der anfangs den Auftrag eher auf die leichte Schulter nimmt und als Routine klassifiziert, aber im Laufe der Handlung zusehends an der Cleverness des Erbauers der Bomben verzweifelt und als er einen persönlichen Verlust in Form seines guten Freundes beziehungsweise Arbeitskollegen während einer Entschärfung hinnehmen muss, droht er vollends mit der Aufgabe seines Auftrags. Hier zeigte sich, was für ein fantastischer Schauspieler er doch war, aber auch der Rest des Ensembles hat diesbezüglich hervorragende Arbeit geleistet.
Seinerzeit konnte "Juggernaut" an den Kinokassen nicht so recht durchstarten. Der Film war zwar mitnichten ein Flop, aber auch nicht der erhoffte Megahit. Woran das gelegen mag? Meiner Meinung lag die Krux damals am falschen Marketing und Promotion des Films. Diese suggerierte nämlich ein absolutes, atemloses Katastrophen-Actionspektakel in seiner reinsten Form, wobei auch schon das Filmplakat dieses suggerierte. Es wurden zwar natürlich genreüblich spektakuläre Szenen gedreht, aber diese wurden angenehm dosiert eingesetzt und im Suspence-/ und Spannungsaufbau integriert und erfüllen keinen Selbstzweck. Das Publikum ging aufgrund dessen schon vorher mit falschen Erwartungen ins Kino.
P.S.: Ein alter Bekannter ist ebenfalls wieder auf der Besetzungsliste zu finden: Clifton James (Mr. Corrigan) verkörperte hier wieder seine Rolle des naiven amerikanischen Provinzsheriffs, die er schon zuvor in den beiden "James Bond"-Abenteuern "Leben und sterben lassen" und "Moonraker" und zusätzlich in "Trans-America-Express" perfektionierte.