" Der Frühnebel lichtet sich, Du machst die Leinen los, erst Bug, dann Heck. Du fährst in den South Channel raus, am Rocky Neck vorbei, Ten Pound Island, vorbei an Haynes Pond, wo ich als Junge Schlittschuh gelaufen bin. Du lässt Dein Signalhorn ertönen und winkst dem Sohn des Leuchtturmwärters zu. Dann kommen die Meeresvögel, die Heringsmöwen, die Eistaucher, fette dumme Enten, der erste Sonnenstrahl. Du fährst nach Norden, volle Fahrt voraus, 12 Knoten, die Jungs machen Ihre Arbeit, Du hast das Kommando. Du weißt, Du bist ein Schwertfischkäpt´n... gibt´s was besseres auf der Welt ?! "
Mit " Das Boot " (1981), zu welchem Regisseur Wolfgang Petersen auch das Drehbuch verfasste, schuf dieser einen Meilenstein und bedeutendsten Klassiker der deutschen Filmgeschichte und auch Titel wie " Die unendliche Geschichte " (1984) oder " Enemy Mine - Geliebter Feind " (1985), tragen die Handschrift des mitunter wohl bekanntesten deutschen Filmregisseurs, Drehbuchautoren und Filmproduzenten überhaupt. In seinem aus dem Jahre 2000 entstandenen Werk " Der Sturm ", geht es inhaltlich um die Besatzung des Fischfangbootes ' Andrea Gail ', welches im Oktober 1991 im Nordatlantik in einen starken Sturm geriet und in dessen Folge das Boot und seine Besatzung, bestehend aus sechs Männern, seit jeher als vermisst gelten bzw. die Besatzung offiziell für tot erklärt worden ist. Da das Geschehen tatsächlich auf wahren Tatsachen beruht, kommt der dramatischen Inszenierung eine ungeheure Intensität bei und ein jeder kann sich somit gut vorstellen, wie der Kampf der Seeleute gegen die Gewalten der Natur und ums nackte Überleben wohl ausgesehen haben muss.
Regisseur Petersen nimmt sich dabei zunächst ausreichend Zeit, um uns die verschiedenen Besatzungsmitglieder und deren persönliche Lebenskrisen vorzustellen, ohne dabei in unnötige Längen zu verfallen, somit kommen recht schnell Sympathien für die Fischer rund um Kapitän Billy Tyne auf. Dieser wird von George Clooney verkörpert, besonders bekannt aus dem Kultfilm " From Dusk Till Dawn " (1996) oder aber dem Actionfilm " Projekt: Peacemaker " (1997). Für diesen läuft es in letzter Zeit leider nicht so gut, an alte Erfolge kann Billy nicht mehr anknüpfen und auch der jetzige Fang fällt recht mager aus. Sehr zum Ärger seines Chefs Bob Brown, stark gespielt von Michael Ironside, gesehen u. a. in " Ausgelöscht " (1987) und " Total Recall " (1990), dessen Part mir persönlich viel zu kurz gewesen ist, denn auch wenn seine Rolle hier keine tragende Funktion besitzt, so hätte ich mich wirklich gerne noch an einer weiteren Darbietung seinerseits erfreut. Auch die Crew von Billy setzt sich aus durchweg prominenten Namen zusammen, wie etwa Mark Wahlberg (Boogie Nights - 1997), John C. Reilly (Last Exit Reno - 1996), William Fichtner (Heat - 1995) oder Diane Lane (Judge Dredd - 1995). Sie alle spielen ihre Rollen durchweg solide, glaubhaft und ergreifend, auch wenn ich den wirklich fesselnden Charakter vergeblich gesucht habe.
Obwohl die Saison also nahezu vorbei ist, will es Kapitän Billy noch einmal wissen und setzt dabei alles auf eine Karte, indem er im Atlantik sehr weit raus fährt, zum Flemish Cup, wo er den Fang seines Lebens machen will, um sich seinem Boss Bob Brown zu beweisen und nicht zuletzt auch, um seine angeschlagene Reputation wieder gerade zu rücken. Kleinere Reibereien unter den Besatzungsmitgliedern, insbesondere zwischen Murphy und Sullivan, sorgen dabei für ein wenig Abwechslung, während der sonst recht monoton und spannungsarm gehaltenen Fahrt zum besagten Flemish Cup. Derweil sorgt sich die zukünftige Gattin von Billys rechter Hand Bobby, um ihren Ehemann in spe und der Wetterbericht von einem aufkommenden Sturm sorgt für weiteres Unbehagen bei den daheimgebliebenen im Örtchen Gloucester.
Auffällig ist, dass der Score von James Horner (Braveheart - 1995 oder Titanic - 1997) eigentlich nie abebbt, sondern den Zuschauer quasi von Anfang bis Ende begleitet. Anfangs weiß dies noch durchaus zu gefallen und lässt einen die Schönheit des unendlich weiten Ozeans erfahren sowie den harten Alltag der Fischer auf hoher See porträtieren, doch habe ich mir im weiteren Verlauf die ein oder andere gelegentliche Pause gewünscht als mich der Dauerbeschallung hingeben zu müssen.
Die schicksalhafte Wendung ergibt sich mit dem Ausfall der Eismaschine, welche die Qualität des üppigen Fangs bis zur Rückkehr in den Heimathafen garantieren soll, denn trotz der mittlerweile auch bei Kapitän Billy und seiner Crew eingetroffenen Nachricht von einem aufkommenden Mega - Sturm, bleibt den Männern nur eine Wahl: Entweder den Fang verlieren, indem man das Vorüberziehen des Sturms abwartet, oder aber auf volles Risiko geht und mitten durch den Sturm fährt, den Bauch des Bootes randvoll mit Fisch, welcher Ruhm und angemessenen Reichtum verspricht. Es dürfte klar sein, wie sich Billy entscheidet, und das seine Mannschaft fest geschlossen hinter ihm steht, braucht eigentlich keine Erwähnung zu finden. Je dunkler die Wolken am Horizont aufziehen, je mehr der einsetzende Regen peitscht und desto höher die Wellen werden, desto mehr fiebert der Zuschauer dem apokalyptischen drohenden Untergang entgegen.
Regisseur Petersen lässt uns aber noch eine gehörige Zeit wie ein Fisch im Netz zappeln, bevor sich der Sturm des Jahrhunderts entlädt und baute noch eine Nebenhandlung rund um ein Paar ein, welches mit ihrem kleinen Segelboot in nahegelegenen Gewässern unterwegs ist, vom Sturm überrascht wird und mit Hilfe eines Rettungshubschraubers gerettet werden soll. Meiner Meinung nach hätte es diesen Nebenstrang nicht gebraucht, welcher bemüht spektakulär in Szene gesetzt werden sollte, auf mich jedoch wenig fesselnd und eher irritierend zur eigentlich Odyssee rund um die Crew der ' Andrea Gail ' wirkt.
Die Arbeit des Kameramanns John Seale (Die Firma - 1993 oder Stadt der Engel - 1998) weiß das Geschehen durchaus beeindruckend einzufangen, doch gestaltet sich der Ablauf bis zum aufkommenden Höhepunkt meines Erachtens nach zu langatmig und unspektakulär, als das ich wie gebannt vor dem Bildschirm klebte und aus dem Staunen nicht mehr herausgekommen wäre. Wer von uns damals den Trailer im Kino sah und sich diesen durch heutige Möglichkeiten jederzeit ansehen kann, der dürfte im Nachhinein ziemlich ernüchtert sein, denn alle nennenswerten Schauwerte werden bereits hier bebildert.
Obwohl " Der Sturm " inhaltlich zwar genau das liefert was er verspricht, nämlich den dramatischen Überlebenskampf der Crew der ' Andrea Gail ' auf hoher See, so konnte mich dieses Werk dennoch nicht so recht überzeugen, denn trotz des aufspielenden Star Ensembles und unter der fachkundigen Hand von Regisseur Petersen entstanden, bin ich nicht genug ergriffen oder gar gefesselt von dem Dargebotenen gewesen, als das hier ein wirklich herausragender und packender Film entstanden ist, den man sich gerne erneut ansehen würde. Für meinen Geschmack bietet " Der Sturm " einfach zu wenig an Schauwerten und Substanz, um in der Gunst weiter steigen zu können. Mehr Straffung im Mittel - und Schlußteil sowie beispielsweise eine ausbaufähigere Nebenhandlung im vom Sturm ebenfalls bedrohten Örtchen Gloucester, hätten diesem Werk sicherlich gut getan, so allerdings konnten mich die auftürmenden Wellen nicht vollends vom Hocker reißen.
6/10