Bunny Lake ist verschwunden
Originaltitel: Bunny Lake Is Missing
Herstellungsland: | Großbritannien (1965) |
Standard-Freigabe: | FSK 16 |
Genre: | Krimi, Thriller, Mystery |
Alternativtitel: | Bunny Lake a disparu El rapto de Bunny Lake Bunny Lake è scomparsa |
Bewertung unserer Besucher: |
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Note: 8,50 (2 Stimmen) Details |
Inhaltsangabe:
Nachdem die Amerikanerin Ann Lake mit ihrer vierjährigen Tochter Bunny in London angekommen ist, meldet sie ihr Kind in der Vorschule an. Stephen Lake, der Bruder von Ann, arbeitet in London und unterstützt seine Schwester, sich in der Stadt einzugewöhnen. Als Ann am ersten Kindergartentag ihre Tochter wieder abholen möchte, weiß allerdings kein Mensch Bescheid, wo sich Bunny aufhält. Die Mutter macht das ganze Haus verrückt und holt ihren Bruder Stephen zu Hilfe, doch die Tochter bleibt unauffindbar. Irgendwann wird es den beiden schließlich zu dumm, und sie rufen gegen den Willen der Schulleitung die Polizei. Inspektor Newhouse nimmt sich der Sache an und stellt sehr bald fest, dass es keinen einzigen Beweis dafür zu geben scheint, dass Bunny Lake überhaupt existiert. Sie scheint im Kindergarten nicht registriert zu sein, es gibt außer Ann & Stephen niemanden, der Bunny je gesehen hat, und auch ein Foto von dem Mädchen ist nicht aufzutreiben. Als der Inspektor dann schließlich erfährt, dass Ann Lake als Kind eine imaginäre Freundin namens Bunny hatte, kommen ihm erhebliche Zweifel, ob die beiden Lakes noch alle Tassen im Schrank haben. ()
Bitte zuerst die Inhaltsangabe lesen, da sich mein Text darauf bezieht.
Ich mag ernste Filme mit imaginären Personen, von denen man nicht weiß, ob sie wirklich existieren. "Bunny Lake ist verschwunden" hat mich natürlich sofort an "Flightplan - Ohne jede Spur" erinnert, denn die Ausgangssituation ist in beiden Filmen die gleiche (oder zumindestens sehr ähnlich), und man wird bis zum Schluss im Unklaren darüber gelassen, ob das Mädchen real ist oder nur in der Einbildung der Hauptdarstellerin existiert.
Faszinierend an "Bunny Lake" ist die Tatsache, dass es kaum normale Leute in dem Film zu geben scheint, vom Inspektor mal abgesehen. Der Hausmeister von Ann Lake ist ein verschrobener, alter Mann, der aufdringlich wirkt und lauter Unsinn erzählt. Der Kindergarten kommt einem Irrenhaus gleich, in dem die linke Hand nicht weiß, was die linke macht, geschweige denn die rechte. Das ansässige Personal ist total genervt, überfordert und scheint überhaupt keinen Plan zu haben. In den oberen Stockwerken der Vorschule haust die ehemalige Leiterin & Gründerin, eine alte Frau, die sich den ganzen Tag mit den Urängsten der Kinder auseinandersetzt, um ein Buch darüber zu schreiben, und die Lakes werden dem Zuschauer mit der Zeit auch immer unheimlicher. Irgendwann kommt man dann zu der Erkenntnis, dass hier fast jede der Figuren eine Meise zu haben scheint, und bei so vielen Red Herrings ist es wirklich schwierig, nicht auf die falsche Fährte gelockt zu werden. Das war wohl auch die Absicht der Drehbuchautoren, denn ich war mit der Zeit irgendwann komplett ratlos, wie dieser Film wohl ausgehen wird. Dadurch wird natürlich drastisch an der Spannungsschraube gedreht, und die "Aufklärung" am Schluss war für mich nicht vorhersehbar.
"Bunny Lake" ist einer dieser Filme, die noch längere Zeit beim Zuschauer nachwirken, denn ich war am Ende erstmal ein wenig enttäuscht, dass einige Fragen unbeantwortet geblieben sind. Das Finale ist wirklich sehr "strange" und teilweise auch etwas seltsam, fast schon ein wenig irrational, wenn man das so sagen kann. Irgendwie scheint mir "Bunny Lake" im Fahrwasser von "Psycho" zu schwimmen, denn die Atmosphäre in beiden Filmen ist ähnlich bedrohlich und unheilvoll und baut auf der Unwissenheit des Publikums auf. Allerdings wird am Ende von "Psycho" zumindestens eine kleine Aufklärung geboten, während bei "Bunny Lake" irgendwie zu viel offen bleibt, jedenfalls für mich. Näher eingehen kann ich darauf leider nicht, sonst müsste ich einiges spoilern, und das wäre unfair den Lesern gegenüber, die den Film noch sehen möchten. Man sollte auf gar keinen Fall zu viel vom Inhalt kennen, wenn man die Handlung genießen möchte, von daher bitte nicht bei Wikipedia oder Amazon nachlesen, denn dort wird die gesamte Auflösung verraten, und damit hätte man sich den Film komplett versaut!
Das Setting ist richtig schön unheimlich und morbide geworden, gedreht in altmodischen schwarz/weiß-Bildern. Ich liebe sowas! Der Kindergarten ist ein verschachtelter Gebäudekomplex, in dem man sich leicht verlaufen kann, und der von einem Raum in den nächsten führt, bis man sich überhaupt nicht mehr auskennt, wo man sich gerade befindet. Zudem sind die meisten Fenster und Türen der Vorschule mit Gittern versehen, damit auch ja keines der Kinder abhauen kann. Das Haus wirkt deshalb eher wie ein Gefängnis, geführt von einer konfusen Leitung, denen man seine Jüngsten lieber nicht anvertrauen möchte. In der zweiten Hälfte des Films gibt es noch viel mehr unheimliche Räumlichkeiten zu sehen, auf die ich aber nicht näher eingehen darf, weil ich sonst zu viel verraten müsste.
Dieser Film zieht gekonnt alle Register des Psycho-Thrillers und erinnert teilweise fast schon an einen Gruselkrimi, in dem lauter unheimliche Gestalten ihr Unwesen treiben, von denen man keiner über den Weg laufen möchte. Wer ist verrückt und wer ist normal in diesem Film? Wem kann man hier überhaupt noch trauen? Im Laufe der Zeit fast gar keinem mehr, außer natürlich dem Inspektor Newhouse, dem ruhenden Pol der Handlung, gespielt von Laurence Olivier. Schauspielerisch ist der Film erstklassig besetzt und handwerklich gekonnt inszeniert, immerhin wurde er gedreht von Otto Preminger, dem Regisseur von "Anatomie eines Mordes".
"Bunny Lake" ist ein leider zu Unrecht vergessenes Thriller-Juwel, das es wieder neu zu entdecken gilt. Wer Hitchcock mag, für den ist "Bunny Lake" Pflichtprogramm, aber auch wer alten, unheimlichen Filmen nicht abgeneigt ist, wird seine helle Freude daran haben. Beim Zusehen läuft dem Zuschauer mehr als einmal ein leichter Schauer über den Rücken. Zum Glück wurde der Film in schwarz/weiß gedreht, denn in Farbe wäre die düstere Atmosphäre nicht halb so effektiv geworden. Darum sollte man sich diesen Klassiker auch möglichst am Abend oder in der Nacht ansehen, wenn es schon dunkel wird und man alleine zu Hause ist. Denn erst dann stellt sich beim Betrachten ein leichtes Frösteln ein, und die morbiden Settings kommen dadurch so richtig gut zur Geltung.
Für ein jüngeres Publikum ist "Bunny Lake" dagegen eher weniger geeignet, die müssen sich was Moderneres angucken, aber wer Stimmung, Atmosphäre und ein ausgefeiltes Drehbuch im Stile eines klassischen Thrillers zu schätzen weiß, der sollte auf jeden Fall einen Blick riskieren, und altmodische Gruselfans wie ich, die kommen an "Bunny Lake" ohnehin nicht vorbei. Das ist ein echter Geheimtipp für Cineasten.
Ich selber hatte ja nie einen imaginären Freund, denn ich war als Kind so unbeliebt, dass nicht mal ein imaginärer Freund mit mir spielen wollte. ;-)
Aber ich glaube, da habe ich nicht viel versäumt, denn imaginäre Freunde können dem erfahrenen Horrorfan getrost gestohlen bleiben!
Kommentare
26.05.2022 11:22 Uhr - cecil b |
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26.05.2022 11:22 Uhr - Intofilms |
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27.05.2022 11:06 Uhr - Lukas |
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Vielen Dank für die interessante Review, der Film kommt direkt auf die Einkaufsliste! :)
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27.05.2022 19:30 Uhr - EvilCat |
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