Durch die überaus beliebte und erfolgreiche Comicverfilmung Sin City (2005) war Autor Frank Miller urplötzlich in aller Munde, was Warner Bros 2006 dazu veranlasste, gleich die nächste Adaption einer Miller Graphic Novelle zu produzieren, das historisch angehauchte, Fantasie- und Action reiche Helden Epos 300. Als lose Vorlage für Comic und Verfilmung dienten die Perserkriege um 479 vor Christus mit der Schlacht bei den Thermopylen, als König Leonidas mit 300 Spartanern und der Unterstützung von ca. 4000 Griechen die persische Übermacht 2 Tage in Schach hielt, ehe sie alle mit wehenden Fahnen für ihre Freiheit untergingen. Trotz der geschichtlichen Vorgaben, die den Ausgang für den Zuschauer quasi voraussehbar erscheinen lassen, ist 300 beeindruckend und hochunterhaltsam ausgefallen, da die fast schon künstlerische Optik, die opulenten Schlachtsequenzen und die fantastischen Ergänzungen den Film zu einem Erlebnis werden lassen, auch wenn eine gewisse Eintönigkeit ohne Steigerungsvariationen die Kehrseite von der Medaille ist.
Frank Miller selbst trat als Produzent und Berater auf, während Zack Snyder, der zwei Jahre zuvor mit seinem gelungenen Dawn of the Dead Remake sein Regieeinstand gab, die Inszenierung übernahm und das Drehbuch verfasste. Snyder war es dann auch, der gegenüber den historischen Überlieferungen und gegenüber dem Comic noch eigene Handlungsblöcke und Figuren implementierte, um dem dünnen Hauptplot etwas mehr Substanz und Würze zu verleihen. So gibt es im Comic beispielsweise keinen anfänglichen Dorfüberfall. Auch die monströsen Fabelwesen wie das Riesennashorn, der Henker mit den Scherenarmen oder der rießige Kampf Koloss sind dem Ideenreichtum Snyders zu verdanken. Die größte Diskrepanz ist jedoch die Charakterisierung von Leonidas Frau, Königin Gorgo: Während sie in Millers illustrierten Bildbändern nur einen Kurzauftritt hatte, ist sie im Film eine attraktive, nicht auf den Mund gefallene Frau, die weiß was sie will und auch die Beziehung zu ihrem Mann hat Snyder anders gestaltet: Durch das herzliche Verhältnis zwischen dem Kriegsherr, seiner Partnerin und seinem Sohn hat der Streifen gegenüber dem Comic einen deutlich menschlicheren Unterton.
300 wird aus der Sicht bzw. mit der Stimme von Dilios, einem spartanischen Hoplit (Speerspitze), erzählt, der Leonidas (Gerard Butler) von seiner Kindheit, in welcher dieser eine schonungslose Ausbildung zum Elitekämpfer durchläuft, bis zu seinem Tod auf dem Schlachtfeld begleitet. Auffällig dabei ist, in welch wunderschönen, ästhetischen Bildern 300 erstrahlt. Das Firmament leuchtet in kräftigen, bunten CGI Farben, die Kulissen und das Landschafts- bzw. Gebäudedesign sind an antike Vorlagen zwar angelehnt, die visuelle Ausrichtung ist aber trotzdem unverkennbar: Möglichst elegant, stylisch und graziös, was den Geist des Comics wohl auch optisch auf die große Leinwand transportieren soll und der majestätische Score von Tyler Bates sorgt für die passende, musikalische Untermalung. Eine inszenatorische und effekttechnische Meisterleistung sind die ausgiebigen und zahlreichen Gefechtssimulationen, wenn beispielsweise hunderte mit Schilder, Speere und Schwerter bewaffnete Krieger sich in einer gigantischen Kampfeswolke vermischen und Snyder die blutigen Schlachtgeschehnisse mit dynamischer Kameraführung und Zeitlupen gebührend in Szene setzt. Wie schon Sin City wurde 300 fast auschließlich im Studio durch das Digital-Backlot-Verfahren bzw. mit Bleach-Bypass-Effekts realisiert: Die Darsteller agierten auf künstlichen Sets vor 90% Bluescreens und 10 % Greenscreens, die Hintergründe wurden nachträglich während der Postproduktion mit digitaler Bildbearbeitung eingefügt. Auch die Blut- und Wundanimationen bei den Kämpfen sind durchgehend CGI. 300 enthält insgesamt 1523 Schnitte und 1300 Szenen mit visuell ansprechenden Effekten und ist ein Paradebeispiel dafür, dass Computertechnik sofern sie richtig angewendet wird, auch zu beeindruckenden Ergebnissen führen kann.
Trotz 2 Stunden Spielzeit vergeht die Zeit wie im Fluge, da neben den packenden Kampfhandlungen der Streitkäfte und Gerard Butler's (Attila der Hunne; Beowulf & Grendel) markantem Schauspiel, der seine Rolle als furchtloser, tollkühner Feldherr evident verkörpert, auch die Subplots gut zu unterhalten wissen, so dass es kaum Verschnaufpausen gibt. Leider fehlt 300 wegen der durchgehend auf hohem Niveau befindlichen Schlachtberichterstattung ein klassischer Spannungsbogen mit sukzessiver Steigerung, was zu einer gewissen Übersättigung und Reizüberflutung führt und den Showdown, der an sich eigentlich auch nicht von schlechten Eltern ist, ein wenig geerdet und ernüchternd erscheinen lässt, da 300 nicht in der Lage ist, noch eine Schippe draufzulegen. Auch bei der Wahl der Nebendarsteller hätten vielleicht ein bis zwei weitere Hochkaräter nicht geschadet, da keiner der solide aufspielenden Akteure in der Lage ist, Butler das Wasser zu reichen. Vor allem von der Leistung von Rodrigo Santano (Hinter der Sonne), der als Perserkönig Xerxes etwas blass bleibt, hätte ich mehr positive Akzente erwartet. Immerhin wurde er ja für seine Darbietung als bester Bösewicht mit dem MTV Award ausgezeichnet, was ich dahergehend nun nicht ganz nachvollziehen kann.
Abseits der größtenteils wohlwollenden und teilweise auch überschwänglichen Resonanzen in der Fachpresse gab es auch einige Stimmen, die 300 auf Grund der signifikanten Glorifizierung der Griechen / Spataner faschistische Züge vorwarfen, da an den Persern im Film kein gutes Haar gelassen wird. So warf der bekannte Filmkritiker Roger Ebert 300 vor, ein faschistisches Ideal zu feiern. Auch das Lexikon des internationalen Films urteilte: "Mit seiner unreflektierten Haltung gegenüber faschistoidem Gedankengut“ könne der pathetische Actionfilm leicht als Propagandafilm verstanden werden" Die Iraner, dessen Einwohner Nachfahren des persischen Großreiches sind, beschwerten sich sogar bei den vereinten Nationen über den amerikanischen Film, da die Perser als grausame Barbaren verteufelt werden und angeblich auf die aktuelle Krisensituation im Nahen Osten angespielt wird. Diesen meiner Meinung nach wirren Argumentationsketten muss ich eine klare Absage erteilen: Dass bei einem auf Unterhaltung ausgelegten Spielfilm, welcher eine geschichtlich belegte kriegerische Auseinandersetzung thematisiert, der Aggressor deutlich negativer dargestellt wird als die bedrohte Partei, liegt rein faktisch in der Natur der Sache und auch aus dramaturgischer Sicht ist es nachvollziehbar, die Sympathien und den tapferen Helden bei der militärisch unterlegenen Fraktion zu platzieren.
Das Budget betrug anno 2006 stolze 65 Millionen Dollar, was aber durch das gigantische weltweite Kinoeinspiel von über 460 Millionen Dollar mehr als wieder reingeholt wurde. 300 ist eine gute, actionreiche Comicverfilmung, die sich in ihrem historischen Gewand zwar sichtlich wohl fühlt, die aber auch keinen Hehl daraus macht, eigene fiktive, fantasiereiche Inhalte hinzuzufügen, um den Unterhaltungswert für einen abendfüllenden Spielfilm zu erhöhen, schließlich geht das Publikum nicht schaarenweise ins Kino wegen einer pfurztrockenen Dokumentation. Die erhabene Inszenierung, die üppigen Schlachten, die tollen Effekte und ein überzeugender Gerard Butler lassen 300 ungeahndet der nicht ganz optimalen Darstellerriege und des ausbaufähigen Finales zum fast perfekten "must see" Erlebnis werden. "Hunderte gehen, eine Handvoll bleibt. Nur einer blickt zurück." MovieStar Wertung 8 von 10 Punkte.
8/10