Sauriererer
Kann man den Dino-Sense of Wonder noch einmal heraufbeschwören? Nun, man kann es zumindest versuchen, und wenn auch nur über die "Nicht kleckern, sondern klotzen"-Formel.
Anno 1993 hat uns Herr Spielberg mit einem Fingerschnipp in Jurassic Park alle verzaubert; dabei war nur etwa ein drittel der Netto-Saurierlaufzeit seinerzeit PC-generiert (5 Minuten ca.), der Rest feinste Animatronik. Dass das aus Michael Crichton's DinoPark entliehene Screenplay dabei streng genommen auf einen Bierdeckel gepasst hätte, man der jungen Laura Dern bisweilen beim Philosophieren zuhören musste (eine Szene, die nur der altehrwürdige Richard Attenborough zu retten vermochte; Gott hab ihn selig), nervige Kinderdarsteller zu ertragen hatte (wenn auch storytechnisch so für Sam Neill's Abneigung gegen Kinder geschrieben) - geschenkt, dies konnte den legendären Saurierfilm nicht ins Straucheln bringen, das waren allenfalls Randnotizen.
Spannungsgeladene Szenen mit zuvor so noch nie dagewesener Tricktechnik ließen die Zuschauer staunend nochmal und nochmal Kinokarten kaufen, Ray Harryhausen und Japaner in Gummianzügen waren höchst offiziell abgelöst.
Das Sequel Vergessene Welt, ebenfalls noch auf einem Buch von Crichton basierend, war ebenso unvermeidlich wie es auch schon die "Höher, schneller, weiter, mehr!"-Formel zu bedienen hatte, so dass sich Dinos schließlich Wettrennen mit Bussen in der Stadt liefern und auf Hundehüttenbewohnern herumkauen durften. Mit Jurassic Park III wurde es dann letztlich mehr oder minder peinlich; ein tonnenschwerer Spinosaurus, der sich offensichtlich auf Zehenspitzen von hinten an die müde Darstellerriege herangeschlichen hatte und den letztere dann nur durch das in seinem Magen befindliche, klingelnde Sattelitentelefon wahrnahm ... einen hässlicheren Grabstein hätte man der Reihe kaum verpassen können.
Knapp anderthalb Dekaden war es danach ruhig um das Sujet, bis Universal dem Ganzen mit der Jurassic World-Reihe neues Leben einhauchte. Teil eins und zwei folgen dabei den Strukturen der beiden ersten Originalfilme; wieder ist es selbstredend eine total knuffige Idee, einen Saurierpark aufzumachen, dessen tolle Sicherheitssysteme so lange toll sind, bis sie es eben nicht mehr sind (Jurassic World), später muss man zurück auf die Insel, um die Dinos auszufliegen - diesmal wegen eines drohenden Vulkanausbruchs - und natürlich ist auch die Geldgier wieder ein entscheidender Katastrophenfaktor (Jurassic World: Das gefallene Königreich).
Die Jurassic Park Fast Food-Variante, wenn man so will, mit größtenteils über Bord geworfener Subtilität, größer, lauter, durch einige ehemalige Charaktere wie Dr. Henry Wu (B.D. Wong) oder Dr. Ian Malcom (Jeff Goldblum) zum selbstreferenziellen Selbstzweck verdedelt, ansonsten von weitestgehenden Nicht-Darstellern mit weitesgehender Nicht-Chemie zueinander wie Chris Pratt oder Bryce Dallas Howard "getragen", welche aber dennoch mit ruppiger Blödelbarden-Manier seinerseits und dem darauf auflaufenden Stocksteif-Charme ihrerseits zumindest ein Gespann abgeben, an dessen Händen man sich durchaus durch den Effektgewitter-Bombast führen lassen kann, so man denn mag (und die im Vergleich zu einigen der nervigen Nebencharaktere auch direkt schon wieder "groß" wirken; auch alles eine Frage der Perspektive also).
Ergo nichts neues in Dinoland; wo Geschichte und Charaktere in den Hintergrund wandern, wandern die Urzeitriesen eben zahlreicher nach vorne, verwüsten und fressen mehr, sitzen dem Kinogänger durchweg gelungenem 3D sei Dank auch gerne mal fast auf dem Schoß - das kann und darf man mögen, muss man aber natürlich nicht. Im Grunde folgen die uns seit Anfang der 2000er erschlagenden Superhelden-Filme nicht selten ganz ähnlichen Formeln; Dinge, die man auch intelligenter und besser gespielt darstellen könnte, oder man nimmt sie als die rasanten Achterbahnfahrten, die sie sind, und geht für's Arthouse später in den nächsten, vermutlich etwas kleineren Saal.
Nun mit Jurassic World: Ein neues Zeitalter also der Abschluss der neuerlichen Trilogie, und man fragt sich, geht da jetzt noch mehr oder irgendwas tatsächlich noch sinnvoll anders, was will man dem geneigten Fan und Zuschauer final noch einmal mitgeben, worauf soll es wohl hinauslaufen.
Generell vorweg: Hier wird kaum mehr intelligente Handlung aufgefahren als es bei den Vorgängerfilmen der Fall war, der eine der beiden vernehmbaren Handlungsstränge - eine eher schlecht als recht gestraffte Laura Dern untersucht unter Zuhilfenahme ihres alten Partners Sam Neill eine Plage von genveränderten Heuschrecken, die rein zufällig das Saatgut eines ganz bestimmten Tech-Riesen komischerweise nicht fressen - ist nur da, um durch den zweiten - Chris Pratt und Bryce Dallas Howard folgen ihrer entführten, vermeintlich geklonten Ziehtochter sowie einem ebenfalls geraubten Raptorenbaby zu eben genau jenem Tech-Unternehmen, wo ein mit Dackelblick ausgestatteter B.D. Wong aus deren Schöpfung für die Zukunft lernen will - aufgelöst zu werden. Hinter dem ganzen steht Steve Jobs-Verschnitt Campbell Scott (mimt den Antagonisten recht amüsant und halbwegs schmerzfrei) als ebenfalls aus dem Ur-Film stammenden Lewis Dodgson, und Jeff Goldblum läuft vor Ort glücklicherweise auch noch herum und mag etwas unter die Arme greifen, da kann ja fast nix schiefgehen.
Tut es auch nicht, denn im dieser Tage recht populären Legacy-Spektakel treffen die immer noch einen gewissen Charme und Witz versprühenden Ur-Charaktere irgendwann zum zünftig auffahrenden Finale auf die World-Charaktere, was auch für den einen oder anderen netten Moment sorgt, und mit schlagkräftiger Unterstützung der auf dem Weg eingesammelten Amazone DeWanda Wise werden der Tag und die Welt dann schon noch gerettet - das ist hier auch (wieder einmal) nicht wirklich der Punkt.
Der Punkt ist das WIE, denn Oscars für Screenplay oder Schausspiel hatte man hier nicht im Visier (wer Originalität findet, darf sie behalten). Stattdessen lässt man eher die Alten sprechen, während Pratt & Howard fast gar nichts sinnvolles mehr zu sagen bekommen, weil die beiden ohnehin zuvor nie durch cleveren Dialog aufgefallen sind. Also hetzt man sie stattdessen martialisch-aufwendig in Szene gesetzt von einem außer Kontrolle geratenden Saurier-Schwarzmarkt aus durch halb Malta, über Dächer (wo Bryce Dallas Howard echte Parcour-Qualitäten an den Tag legt, die man ihr zwar ebenso schwerlich abnimmt wie die Tatsache, dass sie vor einem Raptor geschwindigkeitstechnisch davonrennen kann, aber Rasanz sei Dank wirken diese Fauxpas nicht wirklich lange im Kopf nach) und durch ganze Straßenzüge, wo man pfeilschnellen Atrociraptoren auf einem Motorrad zu entkommen versucht und dabei auch dem einen oder anderen größeren Fleischfresser ausweichen muss.
Hier wie auch im Rest des Films wirkt die Inszenierung, auch und gerade in den Actionszenen, über weite Strecken wie ein James Bond-Streifen, ein Kniff, der Anfangs etwas sperrig wirkt, bei dem, was man alles auf die Zuschauerschaft loslassen möchte, aber tatsächlich durchaus Sinn macht - denn dieser wilde Ritt will in in eine verlässliche Bahn gelenkt werden, damit das Ganze nicht unnötig übersteuert und dabei absäuft. Regisseur Colin Trevorrow (auch schon für den ersten Teil verantwortlich) hat hier dahingehend allerdings alles fest im Griff, lässt die Anschnallzeichen lässig weg, und so wird bei der zweieinhalbstündigen Jahrmarktattraktion noch einmal alles an Fanservice und Schauwerten reingepackt, was Platz findet - und das mal zwei.
Ein Quetzalcoatlus (Spitzenpredator unter den Flugsauriern) darf ein Flugzeug vom Himmel holen, während die arme Bryce Dallas Howard per Schleudersitz in eine Waldlandschaft katapultiert wird (die Szene, in der die am Sitz befestigte Kamera Howard bei ihrem Ausstieg und anschließendem Sturz durch die Luft zeigt ist wahrlich eindrucksvoll). Wo sogleich ein Therizinosaurus wartet, vor dem die Arme langsam in einen Teich hinein davonkriecht, bis der über der Wasseroberfläche nach ihr Ausschau hält und sich in letzterer spiegelt, während sie unter Wasser ihrer Angst Herr werden muss. Pratt & Wise treten gegen einen Pyroraptor auf einer zugefrorenen Wasserfläche an und müssen feststellen, dass der an Land genauso beharrlich ist wie im Wasser. Neill & Dern müssen sich jeder Menge linealgroßer Heuschrecken sowie hungrigen Sauriern in einer alten Mine erwehren. Im Finale kommt noch ein gefräßiger Giganotosaurus hinzu, welcher der versammelten Darstellerriege ordentlich nach dem Leben trachtet und sich schließlich dem Therizinosaurus und einem längst ikonischen T-Rex stellen muss.
Brennende Heuschreckenschwärme, in 3D nach dem Zuschauer schnappende Fleischfresser, ordentlich sitzende Jump Scares, Verfolgungsjagden, Zerstörungsorgien, gurgelnde und brüllende Riesensaurier - hier wird ein grelles, lautes Feuerwerk abgebrannt, ohne Rücksicht auf Verluste.
Die sind dann eben auch bei intelligentem Storytelling, scharfer Charakterzeichnung und philosophischem Tiefgang zu verzeichen, wobei dies wie bereits gesagt durchaus einkalkulierte Fehlmengen zu sein scheinen. Der Grat zum zur Selbstzweckhaftigkeit verkommenden Fananbiederei ist bekanntlich schmal - etwa wenn C. Scott am Ende ohne größeren Hintersinn zur aus dem Ur-Jurassic Park bekannten Rasierschaumdose greift bevor er flieht - aber meistenteils bekommt Trevorrow geschickt die Kurve, und wenn am Ende der Tyrannosaurus durch eine kreisrunde Wandöffnung schauen und damit kurz das sattsam bekannte Filmpostermotiv abbilden darf, kann man sich ein zufriedenes Schmunzeln kaum mehr verkneifen. Regisseur & Produktion sorgen die komplette Laufzeit über dafür, dass man ordentlich was für sein Eintrittsgeld bekommt - kitsch, corny and a hell of a lot of fun.
Ansonsten macht Pratt seinen "Die Sonne steht schon sehr tief, mein Großer!"-Move dann doch ein-, zweimal zu oft (und auch gerne mal nach links und rechts gleichzeitig zu einem ihm nachstellenden Allosaurus respektive Carnotaurus bspw., was ein wenig grotesk wirkt - aber die beiden zeigen ihm dann auch sogleich, was sie davon halten ;-) und die kitschigen "We all live together"-Bilder am Ende glauben wir kaum bis gar nicht, aber über diese kleinen Schluckäufe hinaus gibt es, so man der Reihe ihr Dasein als edles Saurieraction-Fast Food zugesteht und sich daran erfreuen kann, nicht mehr allzu viel zu bemängeln - es sei denn, man forciert dies, dann ließe sich sicherlich an manchen Ecken und Kanten vortrefflich reiben.
Ein Film für kleine und große Dino- und Bombastfans, die es noch einmal so richtig wissen wollen - gemacht für die große iSense 3D-Leinwand. So mitnehmen und genießen, ansonsten meiden.
8/10