Charlotte's Net
Herstellungsland: | Australien (2021) |
Genre: | Amateurfilm, Horror, Mystery |
Bewertung unserer Besucher: |
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Note: 9,00 (1 Stimme) Details |
Charlotte's Net ist ein australischer Film aus dem letzten Jahr, welcher 75 Minuten von folgendem Szenario handelt:
“Two friends search the darker side of the internet which causes a horrific turn of events.”
-DVD-Cover-
Viel mehr Inhalt war mir tatsächlich auch nicht bekannt als ich mir dieses Werk zugelegt hatte. Ein klassischer Blindkauf also, der mich auch völlig unvoreingenommen an das Werk hat herangehen lassen. Prinzipiell halte ich so eine Dark-Net Story für eine gute Möglichkeit für Low-Budget Filmemacher eine fiese Anthologie zu erstellen und nachdem die letzten Versuche in dieser Richtung, wie etwa die XXX Dark und Deep Web Filme eine eher einschläfernde Wirkung entfaltet haben und zurecht wieder in der Versenkung verschwunden sind, könnte jetzt möglicherweise die Zeit gekommen sein, um einen Knaller herauszuhauen. Dies war wenigstens zu jener Zeit meine kühne Hoffnung.
Der Film beginnt mit einer Warnung in dem Sinne, dass verstörende und brutale Szenen gezeigt werden. Wenn man einen empfindlichen Magen hat, möge man die Disc am besten verbrennen, eine Flasche Iberogast auf ex schlucken und schnellstmöglich ins örtliche Pfarrheim flüchten. Eben das typische "bla bla" vor einem Underground-Streifen, der etwas von sich hält und eventuellen Kritikern schon vorsorglich den Wind aus den Segeln nehmen möchte. Außerdem wird darauf hingewiesen, dass es sich um eine für das Heimkino abgeschwächte und zensierte Version handelt. Dies lies mich hellhörig werden, denn Zensur liebe ich ja wie der Teufel das Weihwasser und es kamen Befürchtungen auf, dass es sich wie bei Mutilation Theatre um eine Art Werbefilm handeln könnte, bei dem kurz bevor es richtig zur Sache geht, weg geblendet wird und auf eine Internetseite verwiesen wird, die zu allem Überfluss nicht einmal mehr existent ist. Ganz so schlimm ist es dann aber doch nicht und die Fassung ist an sich gut, wie sie ist. Dazu aber später mehr.
Dem einleitenden Text folgt nun ein amerikanischer Werbefilm aus den Anfängen des Internets, in dem die Vorzüge dieses neuen Produkts gepriesen werden, welche Vorteile ein jedes Familienmitglied daraus ziehen könnte und wie besonders Kinder dadurch gefördert werden würden. Dieser einseitig harmonischen Betrachtung folgt ein Video, in dem ein Mann auf der Straße von drei anderen Männern verprügelt wird, bis er schließlich auf dem Boden aufschlägt. Als er versucht, sein Gesicht zu schützen und aufzustehen, wird ihm mehrfach mit voller Wucht ins Gesicht getreten, bis er Blut überströmt und regungslos liegen bleibt und der Clip abrupt endet. Eine Szene, die mit diesem Kontrast noch einmal um einiges zynischer und grausamer wirkt und auf die ich im ersten Moment nicht vorbereitet gewesen bin. Ich muss gestehen, dass mich diese Szene aufgrund ihrer Kompromisslosigkeit doch kalt erwischt hat.
Erst jetzt setzt die eigentliche Handlung ein, die sich um zwei junge Typen dreht, die sich im Internet eben diese Filme ansehen. Der eine wird gespielt von Phil Bates. Darüber hinaus hat er auch die einzige wirklich sichtbare Rolle in dem Film, neben den Personen, die eben in den Clips gezeigt werden. Er verkörpert einen jungen Typen, der von einem Kollegen permanent dazu genötigt wird, sich auf diversen Internetseiten Filme in der Art des oben beschriebenen anzusehen. Gespielt wird dieser aufdringliche Freund von James Dobbins Jones, der nicht nur im Film die Geschehnisse vorantreibt, sondern auch für Regie und Kamera zuständig war.
Bildschirmpräsenz hat er aber trotzdem nicht, da er eine Kamera mit sich führt und die Ereignisse mit dieser aufzeichnet. Es wurden in diversen Reviews schon häufiger die Vor- und Nachteile dieser Wackelkamera erörtert und letztlich läuft es auch auf einen persönlichen Geschmack hinaus, ob man dies mag oder nicht. Während ich bei lahmen Geister-Gruslern der Marke Paranormal Activity regelmäßig von dieser Technik genervt bin, halte ich es bei vielen Underground-Produktionen für das Mittel der Wahl. So auch hier. Auf diese Weise erlebt der Zuschauer die Ereignisse unmittelbar und fühlt sich ein Stück weit wie der Junge, der ganz genau weiß, dass die Filme bloß immer schrecklicher werden und er diese eigentlich gar nicht mehr sehen will, aus einer Mischung aus voyeuristischer Neugier und dem Druck, welcher von dem Freund ausgeht, dann aber doch noch die Videos anklickt.
Stellenweise mag der eine oder andere die Dialoge und das pubertäre Gehabe der beiden als nervig empfinden. Auf mich persönlich wirkte es aber durchaus glaubwürdig, besonders da mich der Charakter von James Dobbins Jones an einen alten Schulkameraden erinnerte, der auch regelmäßig Zugang zu höchst bedenklichen Filmen hatte und nicht versäumt hatte, die halbe Klasse darüber in Kenntnis zu setzen.
Musik gibt es nur selten und wenn, dann auch nur in Form von minimalistischem Rauschen oder anderen Klängen, die aber immer sehr dezent im Hintergrund stehen, sodass die Spannung eher aus dem unmittelbaren Erleben des Films gezogen wird. Aus meiner Sicht ist dies auch die einzig vernünftige Wahl gewesen, da eine opulente musikalische Gestaltung hier eher kontraproduktiv gewesen wäre und dem Film unter Umständen etwas von seiner Kompromisslosigkeit geraubt hätte.
Die Clips haben meist lediglich eine Länge von um die 10 Sekunden und der Hinweis, es handle sich um zensierte Versionen, ist insofern richtig, als dass die Originale wohl noch um einiges länger sind, allerdings ist eine längere Fassung dieser Videos wohl auch kaum zumutbar, da es sich häufig um äußerst brutale und geschmacklose Mitschnitte realer Todes-Szenen handelt. Manche Szenen sind gestellt, wie etwa ein Kopfschuss, der als unecht zu erkennen sind. Es gab für diesen Film aber auch eine Auszeichnung für die „best Gory Scene“ und ich gehe mal schwer davon aus, dass hier auch nur unechte Szenen für die Bewertung herangezogen worden sind und der Kopfschuss wohl nicht ausgezeichnet worden ist. Welche Szenen nun gestellt und welche echt sind, kann ich nicht immer beurteilen, da ich mir solche Clips in der Regel nicht ansehe. Die härtesten Clips wären aber für eine Low-Budget Produktion zu schwierig in der Umsetzung und sind mit ziemlicher Sicherheit echt. Andere Clips, wie etwa die Enthauptung einer Geisel durch einen Angehörigen des IS greifen aber definitiv auf reale Aufnahmen zurück.
Aus diesem Grund wurde Charlotte's Net dann wohl auch bei dem Terror Fest 2021 mit dem Hinweis abgelehnt:
„Extreme illegal content – breach of terms and conditions”
Dieses Werk hat nicht nur einige verstörende Szenen zu bieten, die inszenatorisch auch noch konsequent eingesetzt werden, um so die entsprechende Wirkung noch zu erhöhen, sondern die schauspielerische Leistung ist dazu noch glaubhaft und die Kamerawinkel während der Hauptstory wurden geschickt gefilmt. Nichtsdestotrotz bleibt dieses Werk aber moralisch sehr bedenklich und wirft die Frage auf, ob ein Spielfilm überhaupt auf reale Mord-Szenen zurückgreifen sollte oder darf. Der Druck in der heutigen Medienlandschaft noch von sich Reden zu machen und die Unmöglichkeit, manche Over-the-Top Gore-Szenen ohne Erfahrung und Budget zu realisieren, lässt es nachvollziehbar und nur konsequent klingen, dass die Filmemacher – besonders bei dieser Thematik – auf reale Szenen zurückgreifen. Noch dazu wirkt das Werk auf diese Weise auch authentischer und schockierender als zum Beispiel der argentinische Snuff 102. Aufgrund von unmittelbarer Teilhabe und der schockierenden Realität hinter den Videos wird dem Zuschauer die Möglichkeit genommen, sich hinter der Fiktion zu verstecken. Dieses Werk ist eben nicht nur ein Film und ein Stück weit fühlt man sich als Mittäter. Charlotte's Net ist das, was Snuff 102 möglicherweise gerne gewesen wäre und wäre Charlotte's Net bekannter, wäre eine Beschlagnahmung wohl so sicher wie das Amen in der Kirche. Während ein Schweizer Amateur-Folter-Steifen mit der ultima poena der deutschen Freigabebehörden bekämpft wird, wandert so ein Bastard von Film unbehelligt über die Ladentheke. Nicht, dass ein wahrer Filmfan jemals durch einen Beschlagnahmungsbeschluss vom Konsum dieser Filme abgehalten worden wäre, aber in diesem Fall wäre so ein Beschluss für mich wenigstens nachvollziehbar. Nun bin ich mit Sicherheit kein zimperlicher Filmfan und kann für meinen Teil mit dem Inhalt umgehen, ein kurzer Hinweis vor dem Kauf wäre aber sicher nicht verkehrt gewesen.
Man sollte aber auch nicht unerwähnt lassen, dass der Film eine Gesamtlänge von 75 Minuten hat und, dass die Clips insgesamt wohl nur einige Minuten füllen. Der weitaus größte Teil der Laufzeit wird mit echtem Schauspiel und einer Geschichte gefüllt.
Nun ist es wohl nicht schwierig, diese Clips auf entsprechenden Internetseiten zu finden und die schockierende Wirkung ergibt sich ohnehin von ganz alleine. Allerdings muss ich sagen, dass die Clips hier nicht wie bei diversen Mixtapes kommentarlos und als reiner Selbstzweck präsentiert werden, sondern diese im Kontext der Geschichte eingebettet sind und hier zumindest so etwas wie künstlerisches Talent gefragt ist. James Dobbins Jones ist zwar nicht der neue Dora, aber ein wenig inszenatorisches Geschick möchte ich ihm schon unterstellen.
Schließlich ist er auch nicht der Erste, der eben echtes Videomaterial für seinen Film verwendet. Während man Kiyotaka Tsurisaki's Junk Films und einigen anderen Schockumentarys oder Mondo-Filmen vielleicht noch so etwas wie Aufklärung und eine dokumentarische Absicht unterstellen kann, hört das spätestens bei diversen Mixtapes auf. Wer sich tief durch den Untergrund wühlt, wird früher oder später dann auch mit solchen Werken in Berührung kommen. Dennoch entschuldigt das nicht die Mittelwahl als solche und ich kann es absolut nachvollziehen, wenn jemand dieses Werk aus ethisch-moralischen Gründen ablehnt, da hier definitiv Grenzen überschritten werden.
Bezeichnend ist allerdings, dass die User in einem amerikanischen Forum als einzigen Grund für eine Ablehnung dieses Werkes die Tötung eines Hundes herangezogen haben...
Ein Film, welcher schwierig zu beurteilen ist. Wenn man die individuelle moralische Position aber außen vorlassen kann und sich auf objektive Kriterien stützt, kann ich sagen, dass der Film für eine Low-Budget Produktion gut inszeniert worden ist. Die Charaktere sind aus meiner Sicht glaubhaft und es gibt sogar einen Spannungsbogen, auf den ich um Spoiler zu vermeiden aber nicht eingehen möchte.
Schockierend ist das Werk sowieso. Dies mag zwar auch daran liegen, dass ich bei der Erstsichtung nicht wusste, was auf mich zukommt, aber auch mit Kenntnis der Szenen sollten solche Clips niemanden kalt lassen.
Die Wertung bleibt hier aber - vielleicht mehr als bei anderen Werken - von persönlichen Faktoren abhängig. Ich für meinen Teil kann die Mittelwahl nicht gutheißen, kann den Inhalt aber insofern akzeptieren, als dass ich mir dieses Werk trotzdem anschauen kann, ohne die Filmemacher zu verdammen. Wenn dieser Film aber eines geschafft hat, dann, dass ich erst einmal sprachlos auf dem Sofa gesessen habe und das will schon was heißen. Empfehlen kann man so einen Film sowieso niemanden und deshalb gibt es an dieser Stelle eine Warnung und sehr subjektive 9 Punkte aufgrund seiner Wirkung auf mich.
Kommentare
25.06.2022 13:36 Uhr - Fratze |
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25.06.2022 22:06 Uhr - Insanity667 |
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26.06.2022 08:11 Uhr - Dr. Kinski |
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26.06.2022 11:22 Uhr - Jichi |
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26.06.2022 12:24 Uhr - Dr. Kinski |
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27.06.2022 13:36 Uhr - Jichi |
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27.06.2022 18:41 Uhr - Dr. Kinski |
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Geht mir auch oft so. Kann ich gut verstehen :)
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