Pfahl in meinem Fleisch
Originaltitel: Bara no souretsu
Herstellungsland: | Japan (1969) |
Standard-Freigabe: | FSK 16 |
Genre: | Drama, Liebe/Romantik |
Alternativtitel: | Funeral Parade of Roses Funeral Procession of Roses |
Bewertung unserer Besucher: |
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Note: 8,50 (2 Stimmen) Details |
Inhaltsangabe:
Die Dragqueens Eddie und Leda buhlen um die Gunst des Nachtclubbesitzers und Dealers Gonda, der sich schließlich für Eddie entscheidet. Leda begeht Selbstmord. Eddie sehnt sich gleichzeitig nach ihrem Vater, der früh die Familie verlassen hatte. Sie ermordet ihre Mutter und deren Liebhaber um später festzustellen, dass ihr Liebhaber Gonda ihr Vater ist, der sich als er dies herausfindet umbringt. In seiner aufgebrochenen Struktur ist Funeral Parade of Roses ein einzigartiges audio-visuell abstraktes und gleichzeitig explizites, politisches und assoziatives Dokument, das den Geist der 60er Jahre atmet, Japans New Wave begründete und bis heute ein zeitloses, vitales, lebensnahes und modernes Kunstwerk ist. Der Film ist eine Interpretation der Ödipus-Sage, in Abwandlung zum Original liebt hier der Sohn den Vater. (Rapid Eye Movies)
Funeral Parade of Roses, Japan 1969
Behold!
Was für eine Achterbahnfahrt durch die Homosexuellenszene Japans Ende der 1960er Jahre. Hier kommt alles zusammen: Liebe, Hass, Eifersucht, Drogen, Mord, Selbstverstümmelung. Zutaten für ein fesselndes Drama, das durch seine unkonventionelle Machart deutlich aus der Masse hervorsticht - sofern man je davon hört…
Funeral Parade of Roses handelt von Eddie, einer Transsexuellen, deren Geschichte wir in nicht-chronologischer Erzählweise miterleben. (Ich verzichte hier bewusst of etwaige Story oder Spoiler.)
In Zeiten der medialen Omnipräsenz verschiedener sexuellen Identitäten ist es verwunderlich, dass dieses Kleinod (trotz seines Alters) nicht viel stärker in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt wird und (leider) ein Nischenfilm ist - aber nicht bleiben muss.
Die Präsentation dieses Experimentalfilms und des Themas ist für mich soweit einzigartig. Die Art der visuellen Erzählung unterstreicht den eindeutig avantgardistischen Stil, der sich durchweg durch den Film zieht. Neben der nicht vorhandenen chronologischen Erzählung finden sich auch immer wieder Wiederholungen von Szenen, die erweitert oder neu kontextualisiert werden und damit die Geschichte stetig wachsen lassen und für den ein oder anderen A-Ha-Moment sorgen. Wir als Zuschauer erfahren dadurch in kleinen Portionen immer mehr von Eddies Leben, womit die Spannung und das Interesse am Film aufrecht gehalten und durch kleine amüsante Szenen aufgelockert wird.
Der in Schwarzweiß gedrehte Film wird durch eine Vielzahl von Close-ups, gerade bei Intimitäten, sowie POV-Shoots begleitet. Durchbrochen werden diese Aufnahmen von fast dokumentarischen Szenen, in denen die Schauspieler zu Wort kommen und mitten im Film über ihre jeweiligen Rollen oder persönlichen Erfahrungen sprechen. Kurioserweise wirken diese Szenen nicht wie Fremdkörper, sondern unterstützen die Authentizität der Figuren. Einer Figur werden im Drogenrausch folgende Worte in den Mund gelegt: „All definitions of cinema have been erased. All the doors are now open.“ Damit wird die unkonventionelle Art des Films treffend beschrieben und zukünftigen Filmemachern alle Freiheiten suggeriert, wie oben genannte Brüche mit dem herkömmlichen Film belegen. Kunst um der Kunst Willen ist das Kredo des Films.
FPoR holt er uns als Zuschauer durchgehend ab, selbst wenn der Film an sich anspruchsvoll ist. Auch wenn einem nichts mit der Szene an sich verbindet, so ist die erzählte Geschichte durchaus universell. Sie gibt aber einer Subkultur, einem diskriminierten Teil der Gesellschaft eine beeindruckende Stimme und ein Gesicht. Zudem wird uns als westliche Zuschauer das Schauen des Films durch eine vielfältige Verwendung westlicher medialer Motive erheblich leichter. Beatles Poster, ein Che Guevara (von Wish), Musik von Wilhelm Tell (Kubrick lässt grüßen) - so befremdlich manch japanische Produktionen auch sind, diese ist nicht. Es empfiehlt sich, den Film völlig unvoreingenommen anzusehen und sich auf ihn einzulassen.
Abschließend bliebt der Eindruck, dass FPoR ein anachronistisches Lovechild von Stanley Kubrick und Quentin Tarantino ist, obwohl eher dieser Film die beiden Genannten in ihrem Schaffen beeinflusst hat bzw. durchaus haben könnte. Freunde beide Filmschaffender könnten durchaus ihre Freude an diesem Werk haben, obwohl es durch den offen avantgardistischen Ansatzes nicht ganz jedermanns (-fraus) Geschmack treffen könnte.
Wer bedenken wegen der Thematik haben sollte, der sollte dennoch einen Blick riskieren. Natürlich wird das Thema Homosexualität und Transsexualität behandelt, es wirkt aber nicht übertrieben aufgesetzt oder geschmacklos, wie manch zeitgenössische Produktion, die diese Themen zum reinen Selbstzweck haben. Nichtsdestotrotz ist FPoR ein gerade durch seine experimentelle Art und dramatische Geschichte ein faszinierender Film, der es mehr als Wert ist, gesehen zu werden.
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Kommentare
08.08.2022 15:34 Uhr - cecil b |
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Eine sehr interessante Vorstellung, sehr gut geschrieben!
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