Eins muss man Universal lassen. Nach zwei kommerziellen Flops in so kurzer Zeit nochmal einen Film in Auftrag zu geben, ist mutig. Bereits drei Jahre nach „Bates Motel“ entstand PSYCHO IV - THE BEGINNING. Wie man dem Untertitel entnehmen kann, erzählt der Film die Vorgeschichte des berüchtigten Norman Bates und seiner wahnsinnigen Mutter. Anthony Perkins sagte zu, dabei wollte er erneut Regie führen, doch Universal schob dem den Riegel vor. Sie trauten Perkins als Zugpferd wohl so wenig zu, dass Psycho IV, wie das Spin-Off „Bates Motel", lediglich eine Produktion für das Fernsehen wurde. Stattdessen holten sie sich den, damals noch recht unerfahrenen, Mick Garris, welcher zuvor nur Critters 2 abgeliefert hatte und später durch einige Stephen King Verfilmungen Bekanntheit erlangte, als Regisseur heran. Ein (scheinbarer) Geniestreich war, Joseph Stefano wieder als Drehbuchautor zu gewinnen, den Autor des Originals. Universal strahlte den Film im November 1990 im TV aus, und auch wenn ich keine genauen Zahlen habe, war er wohl erfolgreicher, als Bates Motel. Die Fans streiten sich bis heute über den Film, mal hört man, dass er der beste seit dem Ersten sei, und mal, dass er der schwächste von allen sei. Ich würde letzterem zustimmen, was nicht heißt, dass ich ihn nicht mag.
Spoiler
Dr. Leo Richmond (Warren Frost) spricht bei dem Radiosender der Moderatorin Fran Ambrose (CCH Pounder) über Matrizid, also Muttermord. Ein Anrufer, der nur „Ed“ genannt werden möchte, erzählt ihnen seine Geschichte. Dabei wird Dr. Richmond bald klar, dass es sich bei dem Anrufer um seinen ehemaligen Patienten Norman Bates handelt. Als dieser Ankündigt, seine Ehefrau Connie (Donna Mitchell) umzubringen, müssen Fran und Dr. Richmond handeln…
Wenn man die Story mit der anderer Slasherreihen vergleicht, muss man „Psycho IV“ lassen, dass er etwas anderes versucht. Ein Serienkiller, der in einer Radioshow anruft, ist nichts, was man etwa in „Freitag der 13.“ oder „Nightmare on Elm Street“ zu sehen bekommen würde. An sich eine originelle Idee, auch dass Dr. Richmond aus dem ersten Teil hier wieder einen Auftritt hat, nur dass er von Warren Frost statt von Simon Oakland gespielt wird. Seine Geschichte, dass er, nachdem er Norman Bates traf, sich auf Matrizid spezialisierte, ist sehr interessant. Als Norman dann in der Sendung anruft, hofft man als Zuschauer, dass es zu einer Art Konfrontation zwischen den Beiden kommt, was jedoch leider nicht passiert. Dr. Richmond wird gegen Ende sehr abrupt und unsanft aus dem Film geschrieben.
Fran Ambrose hat die größere Rolle, CCH Pounder macht ihren Job wirklich gut, ihre Chemie mit Perkins passt. Sie versucht Norman zu helfen, und ihn unterbewusst von seinem Mord abzuhalten. Obwohl sie sich nie Auge in Auge sehen, sind ihre Gespräche die Stärke des Films. Anthony Perkins gibt ein letztes Mal Norman Bates, und wirkt etwas müde und ausgebrannt, verständlich, denn Gerüchten zu folge erfuhr Perkins am Set dieses Filmes von seiner HIV Erkrankung, welche ihm knapp zwei Jahre später das Leben kostete. Er spielt sehr stark, nur fehlt die schüchterne und naive Art des Normans aus den ersten drei Filmen, vielleicht aber auch, weil er mit der Zeit weiser geworden ist. Donna Mitchell als seine Frau Connie bekommt zwar wenig zu tun, im Finale liefert sie die emotionalen Momente jedoch sehr gut ab. Ein Kuriosum ist noch, dass „American Werewolf“ Regisseur John Landis einen Mitarbeiter des Radiosenders spielt. Soweit zum Teil, der in der Gegenwart stattfindet. Sobald Norman von seiner Vergangenheit berichtet, springen wir in die 40er Jahre, und die Zeit vor dem ersten Psycho. Norman wird nun von E.T. Kinderstar Henry Thomas verkörpert. Thomas passt überraschend gut, er ist natürlich kein Vergleich zu Tony, aber man kann sich durchaus vorstellen, dass dieser Norman einmal zu dem heranwächst, den wir kennen. Ein absolutes Highlight ist Olivia Hussey als die „Mutter“ Norma Bates. Hussey hat Erfahrung im Horrorgenre, so spielte sie 1974 im frühen Slasher „Black Christmas“ das Final Girl. Norma sieht gut aus, ist aber komplett wahnsinnig. Genauso wahnsinnig, wie man sie sich aus Normans Erzählungen in den Vorgängern so vorgestellt hatte. Ihr Tod ist dadurch umso befriedigender. Psycho IV liefert keine neuen Antworten, er verbildlicht eigentlich nur das, was Dr. Richmond uns am Ende von Teil Eins erzählt hat. Dennoch ist er interessant anzuschauen, als langweilig würde ich „Psycho IV“ zu keiner Zeit bezeichnen. Auch die Gewalt hat es in sich, besonders der erste Mord ist sehr blutig. Dafür gab es von der FSK zum ersten Mal seit dem Original eine 18er Freigabe. Später wurde der Film auf 16 heruntergestuft. Sobald der Flashback Teil abgeschlossen ist, lässt einem der Film auch keine Atempause mehr. Norman fährt zu seinem alten Haus hinter dem Motel, und möchte alles ein für alle mal beenden. Der Schluss unterscheidet sich stark von denen der Vorgänger, zum ersten Mal haben wir ein Happy End. Zwar munkelt man, dass ein fünfter Teil geplant war, jedoch halte ich das für unwahrscheinlich, da das Ende hier ein wirklich endgültiger Abschluss ist. Normans Aussage „Ich bin frei!“, bezieht sich dabei auf den direkten Vorgänger: „Ich werde endlich frei sein!“.
Manch einer wird sich jetzt denken, dass sich das alles doch ziemlich positiv anhört, warum also nur 6 Punkte? Da wären zum einen die massiven Drehbuchfehler. Joseph Stefano hatte nicht nur zugegeben, Psycho seit seinem Release nicht mehr gesehen zu haben, sondern auch, dass er die Sequels noch gar nicht gesehen hatte. Dadurch ergeben sich viele Ungereimtheiten. Dr. Fred Richmond wird zu Dr. Leo Richmond. Norman, der seine Mutter mit 12 umgebracht hat, bring sie hier erst mit 15 um. Im Original erwähnt Norman, dass der neue Freund seiner Mutter sie zum Bau des Motels überredete, hier steht das Motel jedoch schon, bevor er Norma kennenlernt. Im Original wird vom Sheriff gesagt, dass Norma und ihr Liebhaber tot im Bett gefunden wurden. In Psycho IV schleppt Norman sie nach dem Mord jedoch in den Keller. Normans richtiger Vater wurde von Emma Spool ermordet, hier wird jedoch gesagt, dass er von Bienen totgestochen wurde. Mancher könnte jetzt meinen, dass das daher resultiert, dass Psycho II und III ignoriert werden. Dem ist aber nicht so. Norman erwähnt nämlich, dass die letzten Morde vor 4 Jahren stattgefunden haben, was auf Teil Drei schließen lässt. Hier ist Stephano ein weiterer Fehler unterlaufen. Psycho III erschien zwar 4 Jahre vorher, spielt aber 8 Jahre vorher, im Jahre 1982. Man merkt, er hat die Fortsetzungen nicht gesehen… weshalb wir auch keine Antwort darauf erhalten, warum Norman auf einmal wieder frei ist. Die 4 im Titel suggeriert aber ebenfalls, dass es eine direkte Fortsetzung der Sequels ist. Sonst hätte man ihn auch stumpf PSYCHO - THE BEGINNING taufen können. Besonders die Rückblenden sind ziemlich schwach geschrieben. Stephano hat wohl, wie Psycho Romanautor Robert Bloch, mit der Zeit das Schreiben verlernt.
Auch der Look ist ein harter Kritikpunkt. Der Film sieht halt einfach sehr kostengünstig aus. Wie ein TV-Film halt. Und das nach dem besonders kinematographischen Teil Drei. Der Schnitt im Finale ist ebenfalls sehr holprig und wirkt wie schnell zusammengebastelt.
Besonders Schade ist der Aspekt mit der Musik. Jeder Psychofilm hatte bis jetzt seinen eigenen, ganz individuellen Score, sogar „Bates Motel“. Psycho IV recycelt den kompletten Soundtrack von Bernard Hermann. Und wenn ich recyceln sage, heißt das, der altbekannte Soundtrack wird einfach stumpf über die Szenen gelegt und hat keinen wirklichen impact mehr. Ich dachte bei jedem Stück an die jeweilige Szene im Original, zu der die Musik natürlich viel besser passt.
Die deutsche Synchro ist für einen Direct-to-Video-Film, und das war „Psycho IV" in Deutschland, mittelmäßig. Bis auf Eckart Dux, welcher zum vierten und letzten Mal mit vollem Einsatz Norman spricht, ist mir aber keiner besonders aufgefallen, es gab sogar einige Momente, in denen die Betonung mancher Sprecher schrecklich war.
Die interessanten Ansätze, die guten Darsteller und das befriedigende Ende, werden von der billigen Machart und den Logiklöchern der Story getrübt. Für Fans der Vorgänger trotzdem immernoch eine Empfehlung!
6/10