Einstieg. Ich gestalte diesen Text etappenweise, eine Wertung gibt es dann, wenn ich das Spiel durch hab. Ich finde es aber nötig, ein paar Gedanken zu The Callist Protocol in Sprüngen loszuwerden, eben in der Art eines Tagebuches. Wobei der Begriff Tagebuch unpräzise ist, dauert das Spiel laut vieler Quellen zwischen zehn und zwanzig Stunden. Es wird wohl letztlich eher Tageheft oder gar Tageheftchen, ein Text in wohl drei Teilen.
The Callisto Protocol schmückt sich nicht von ungefähr mit dem Banner Dead Space, denn so manche Verantwortliche dieses Klassikers, welcher bald neu aufgelegt und in Konkurrenz zu The Callisto Protocol erscheint, sind auch hier federführend in Tat und Drang. Es dauert auch nicht lange, bis man das sehr direkt zu spüren bekommt. Würde der Schriftzug auf der Hülle Dead Space 4 lauten, es wäre keine abwegige Überraschung. The Callisto Protocol ist ziemlich 2008, viertes Quartal. Und die Gefühle deswegen sind widersprüchlich bis abwartend, nicht ablehnend, auch nicht voll großer Begeisterung. Für die simple Grundprämisse im All, auf dem Mond Callisto des Planeten Jupiters, hat man prominente Namen gewinnen können. Beispielsweise Josh Duhamel und Karen Fukuhara. Und dennoch wirkt der Einstieg wenig spannend, formelhaft, fad und auch ein wenig träge bis überstürzt. Da ist halt ein Frachtschiff, es wird scheinbar von Piraten gekapert und alles geht schief. Die Macher präsentieren einen glatten Antagonisten, der nicht mehr Schablone hätte sein können. Das ist alles nicht schlecht gemacht und gedacht, allerdings doch eher beliebig und wenig markant. Den Figuren fehlen ab Anfang Spitzen und Profil, Ecken und Wirken. Man läuft zunächst ein wenig teilnahmslos durch die flackernde und verschmiert zerstörte Szenerie. Das liegt auch an der Welt an sich. Ja, der Weltraum ist leer und niemand hört einen schreien und so weiter, aber rein zur Fixierung findet man sich buchstäblich im luftleeren Raum wieder. Man ist halt irgendwo und irgendwann, ideologisch und mythologisch aufgeladenes Fahrwasser gibt es wenig, The Callisto Protocol ist in seinen ersten Stunden geradezu schweigsam was die nicht unwichtige Leere der Welt angeht.
Dabei ist die dunkel geartete Technik wirklich eindrucksvoll durchdrungen, zumindest auf den aktuellen Konsolen, eher weniger auf dem PC, lauscht man den Gerüchten wegen Dauerruckeln in manchen Übergängen. Das Spiel mit dem flirrenden Licht, der pechschwarzen Tiefe und perspektivischer Flut, all das wirkt ganz stark. Auch die Figuren und deren Animationen sehen klasse aus. Das Geschehen wirkt ansehnlich, wenn auch nicht revolutionär im Ansatz, eher ein bisschen wie 2008, letztes Quartal. Doch schon damals, zu Zeiten von Dead Space, rühmte man die Lorbeeren von Doom 3 und Resident Evil 4. Erstaunlich, dass man auf diese beinahe zeitlosen Ikonen, in all den Jahren, nicht viel mehr aufsetzen konnte, Prey und Alien: Isolation mal anbei. Wer allerdings Fan der genannten Spiele ist, dem wird das hier gefallen. Score, Geräusche und Stimmen, zumindest die englischen, weniger die deutschen Sprecher, sind stimmig, packend und passend. Audiovisuell ist das Spiel gelungen in Fassung getaucht, vor allem die Hauptfigur macht in der Situation viel her. Dank an Josh Duhamel. Die ersten Widersacher können da allerdings nicht mithalten. Klobige und oft gesehene Zombies oder aufgedunsene Mutanten, schrille Infizierte oder was auch immer. Absoluter Standardbrei ohne Reiz und Konturen. Man schlägt plump drauf, weicht nur sehr grob aus und blockt stumpf, Fleischbatzen und Blutfontänen spratzeln durch die Luft und auf den kalten Boden, man verliert immer unausweichlich etwas Lebensenergie und sucht dann per Fußtritt in den Leichen nach Heil- und Wertgegenständen, Rätsel nicht vorhanden, so halb und halb Dead Space eben. Stilistisch bewegt man sich keinen Millimeter vom geistigen Vater weg, kullert sogar ehr rückwärts, verkompliziert aber die Exposition mit unhaltbaren Versprechen, holpert zu Beginn und lässt wenig Raum offenstehen. Ich bin gespannt wie es nach den ersten drei Stunden weitergeht, geheimnisvoll ist The Callisto Protocol bisher kaum, trotz Bemühungen in Richtung Träume, und schmackhafte Brotkrumen wissen die Autoren und Designer auch nicht zu verteilen, allerdings kann das noch anziehen. Die ersten Schüsse abseits des nur mäßigen Schlägereien fühlten sich gut an, allerdings auch mit der Befürchtung, das volle Potential entfaltet sich erst dann, stockt man in Fähigkeiten und Waffen ordentlich auf, was nichts schlechtes heißen muss.
Zwischenfazit. The Callisto Protocol reißt einen nicht so wie die Vorbilder mit. Das ist weniger vorläufige Entschuldigung, aber eine haltbare Begründung. Dieses Spiel ist mehr vom selben, zumindest zu Beginn. Düstere SciFi mit Gore und grandioser Klangkulisse geben sich mit mittelprächtiger Entwicklung von Geschichte und Figuren die Hand, dazu ein teils hektisches Kampfsystem, das sich nicht ganz einig ist, wie viel Souls dem Genre Survival gut steht. Dazu kommt noch der Umstand, dass das Spiel extrem linear ist, was ich persönlich mal mehr mal weniger mag. Hier hätten sich Pfade abseits dankbar angeboten, bis jetzt haben sich diese mir aber nicht aufgetan. Ich mag das Spiel bis hier hin einigermaßen, habe aber auch das Gefühl, dass die Remakes von Dead Space und Resident Evil 4 mehr können, wenn sie draußen sind. Es ist wird spannend bleiben, einfach weil The Callisto Protocol wie durch jene Vorbilder gefiltert wirkt, und zwar recht stark, beinahe verwässert. In den nächsten Tagen werde ich The Callisto Protocol beenden, bis jetzt bewegt sich die Wertung um die sechs Punkte herum, falls wer Bock drauf hat.
Fortsetzung folgt.
Ups, das ging dann doch recht schnell. Wer ein wenig dran bleibt, und zwar auf dem normalen Schwierigkeitsgrad, der sollte binnen drei oder vier Abende das ordentlich gerundete Ende sehen, in dem die Geschichte immerhin brauchbar zu einem annehmbaren Höhepunkt gebracht wird. Was in den vorherigen Absätzen steht, bestätigte sich mit fortdauernder Zeit. Die Action wird aber besser, weil das Kontern und Ausweichen sehr wichtig wird, viele Kämpfe machen Laune. Ins Blut geht dieses Gameplay allerdings nie ganz über, dafür fehlt schlicht Zeit und mehr Spielplatz. Auch ein erhofftes NG+ gibt es aktuell nicht, wo man die Fähigkeiten, die man sich hart erkämpft hat, ganz neu zelebrieren kann. Viele Punkte gefallen mir aber wirklich nicht. Zumeist erinnert The Callisto Protocol damit ans erste The Evil Within, das tolle Momente hat, aber dem Spieler ganz oft die Frage entlockt; Warum nur? Ständige Loading Gates, wo man sich durch Rohre oder Schächte quetscht - es ist absolut lästig mit der Zeit. Auch könnte das Gameplay einen Zacken direkter sein und Trial and Error sollte man wirklich lieben. Und was soll das mit den zahlreichen Audiologs, die man nicht während des Spielens anhören kann? Nein, ich muss für die recht formelhaften und teils lahmen Aufnahmen im langweiligen Menu kleben bleiben und werde damit vom Spielen abgehalten. BioShock, Prey und Alien: Isolation haben das viel sauberer integriert. Wie bereits gesagt: The Callisto Protocol ist akzeptabel, kein Reinfall und ordentliche Blaupause früherer Großtaten.
Aber reicht das im Jahr 2022/2023? Selbst im Jahr 2008, letztes Quartal, hätte das nicht gegen das nach wie vor übermächtige Dead Space angestunken, von Resident Evil 4 und Doom 3 ganz zu schweigen. Alle diese Spiele machen heute noch mehr Spaß als dieses. The Callisto Protocol wird wohl nicht der ganz großer Renner werden, auch weil es nicht ganz fertig wirkt. NG+, neue Todesanimationen und einiges mehr per Patch oder kostenpflichtigem Update? So richtig schmeckt das nicht. Wer aber nicht so viel erwartet, dürfte nett unterhalten werden, womit es den baldig Wiedergeborenen kaum den Rang ablaufen dürfte.
5/10