LOST AFTER DARK, ein Neo-Slasher...und eine Priese Terrorfilm-Exploitation.
Der Slasher, dieses Subgenre, dessen schematisches Konstrukt trotz seiner Simplizität seit Jahrzehnten immer wieder auflebt, konfrontiert mit dem urwüchsigen Prinzip des Horrors, die Angst vor dem Tod. Extreme Bösartigkeit greift die westliche Normalität an, wenn sie von Natur aus schwach ist. Die meistens jugendlichen Figuren haben in der Regel keinen Bock auf den Ernst des Lebens, sondern auf Sex Drugs & Rock and Roll. Einer Person bleibt das verwehrt, und deren Lebensziel ist es, den jungen Menschen das Licht auszublasen, und jedem, der sich ihr in den Weg stellt. Sie zu erschießen wäre nicht reizvoll genug, Hieb und Stichwerkzeuge, sowie andere grobe Gerätschaften müssen her, die bloßen Hände tuns auch. Die kultivierte Ausgrenzung des überzeugten Einzelgängers wird von einem kaum sichtbaren oder maskierten Gesicht unterstrichen. Der König dieser Mörder, Michael Myers, aus John Carpenters HALLOWEEN, behielt seine Motive ursprünglich für sich, der Film beeindruckt mich nach wie vor. Carpenter nannte Alfed Hitchcocks komplexeren PSYCHO den ersten Slasher, die Vorlage für unzählige Filme ist jedoch ganz gewiss HALLOWEEN. Wes Craven gab dem Ganzen durch seine Klassiker A NIGHTMARE ON ELMSTREET und SCREAM einen frischen Anstrich, aber, das Grundprinzip blieb immer erhalten. LOST AFTER DARK klischiert das Subgenre absichtsvoll so auf den Punkt gebracht, dass reflektierter Humor wie von selbst entsteht, sich der Automatismus bestätigt. Und da die Zensur 2015 nicht mehr ganz so streng war, durfte der Böse in LOST AFTER DARK so böse sein, wie er sein wollte. Ja, so ergibt Retro einen Sinn.
Die tragenden Figuren von LOST AFTER DARK sind am Ort des Geschehens wie gefangen, weitab vom trautem Heim. Das war bei einem Inbegriff des Slashers, der Freitag der 13te-Reihe, meistens genauso, und in Tobe Hoopers TEXAS CHAINSAW MASSACRE auch, dem Urvater des Terrorfilms. Dessen stilbildendes Territorium von wahnsinnigen, mordenden, folternden Menschen, die am Rande der Gesellschaft leben, ist Neuland für Städter. Das familiäre Leben dieser amerikanischen Wahnsinnigen, die im Gegensatz zu Slashermördern nicht gewissermaßen unsterblich sind, gab dem Horror ein neues Gesicht. Prinzipiell zwei Gegensätze einer Gesellschaft, das Oszillieren, von denen die Töten, und ihren Opfern. LOST AFTER DARK zitiert nicht nur HALLOWEEN, FREITAG DER 13TE und in einer Szene A NIGHTMARE ON ELMSTREET, sondern auch unverkennbar TEXAS CHAINSAW MASSACRE.
Im Grunde schwamm LOST AFTER DARK im Fahrwasser der Grindhouse -Filme DEATH PROOF und PLANET TERROR, ohne deren Qualität zu erreichen. Die Regisseure dieser Filme, Quentin Tarantino und Roberto Rotriguez, drehten bewussten Trash, in Anlehnung an zweitklassige Exploitationfilme. Gewollte Bildstörungen, fehlende Filmrollen, alles Markenzeichen ihrer Idee, die von LOST AFTER DARK kopiert worden sind. Die Imitation vorangegangener Filme fügte sogar eine angeblich abhanden gekommene Szene hinzu. Ein schmunzelnder Gedanke daran, wie Low- -Budget-Produkionen blutigen Erfolgen nacheiferten, manchmal unter schwierigen Bedingungen. Da erfreuten sich welche daran, die erste Welle des Slashers, die in den Achtzigern lospreschte, in Erinnerung zu bringen. Das ist richtig gut gelungen, aber zwangsweise auch nur begrenzt interessant.
ZUVERLÄSSIGER HORROR
Um der Materie gerecht zu werden, musste die Figurenzeichnung exakt abgepaust werden. Nach seiner Arbeit an ein paar Kurzfilmen und Drehbüchern verfasste Ian Kessner für sein Spielfilmdebüt ein schlüssiges Konzept, Bo Ransdell (Elle Sing' für deinen Traum) half ihm dabei. Eindimensional ist in diesem Fall authentisch. Ihre Teens tragen meistens die Vornamen von bekannten Horrorfilmregisseuren und Scream-Queens, oder der Akteurinnen, die sie spielten. Diese Figuren sind so austauschbar, wie sie es sein sollten, und wurden dementsprechend verkörpert. Jamie, Wes, John, und wie sie alle heißen, ausführlich zu beschreiben, ist entbehrlich, und das reduzierte Spiel verlangt aus meiner Sicht nicht nach Namen. Erwähnenswert sind nur wenige Akteure und Personen. Zum Beispiel der strenge Lehrer, gespielt von TERMINATOR 2 Robert Patrick, der anhand der verbissenen Ernsthaftigkeit seiner Figur Sinn für Humor zeigt. Der Mörder hat die nötige Statur und ist befriedigend präsent, wer auch immer ihn darstellte. Mein Highlight ist der Regisseur von HALLOWEEN 2 und HALLOWEEN RESURRECTION, Rick Rosenthal, der wie aus dem Gesicht geschnitten einen tollen Abklatsch von Michael Myers's Erzfeind Doktor Lomis bietet! Mit Bravour werden die Klischees bedient, und auch Kameramann Curtis Petersen ( Rambo Last Blood), Cutter Ron Wisman (Das Gesetz des Terrors) sowie Komponist Eric Allaman (Latter Days), der düstere Sounds zuzüglich zeitgenössischer Musik anfertigte, hatten nicht mit großen Anforderungen zu kämpfen.
Werft die Logik über Bord, jetzt geht es um etwas anderes.
1977 findet vor einem Haus, das nach Mord und Totschlag aussieht, Schreckliches statt. Nachdem ein erwartungsgemäßer Appetithappen des Grauens serviert wurde, und einige Jahre später, besteht die Möglichkeit, mit einem breiten Lächeln/Grinsen die vorerst zentrale Unschuldige kennenzulernen, die normalerweise alle Blessuren übersteht. Einfach köstlich, das bananengelbe Kleid mit kurzem Rock, das dem Wald folgt, der dort wächst, wo immer die Nacht vorherrscht. Sie trägt den Namen Laurie, ist neugierig, und eventuell erpicht darauf, ihre Unschuld zu verlieren, "Hoffentlich kriegt mein Vater davon (Die heimliche Party) nichts mit!" Der besorgte, liebevolle Vater meint es gut. "Sei einfach 17, O.K.?" Und wie. Gleichgesinnte versammeln sich. Ein unscheinbarer Loser, mehrere Belanglose ohne erkennbare Persönlichkeit, ein Arschloch, das mit einer dummen, jedoch willigen Blondine zusammen ist, der vernünftige liebe Kerl, auf den es die Jungfrau abgesehen hat, und eine, die als alternativ gilt, weil sie schwarze Kleidung trägt. Der Herr Lehrer hat schon alles daran getan, eine Moralpredigt nach der anderen loszuwerden. Gefühlt immer noch den Vietkong im Nacken, muss der enttäuschte, einsame Kerl, ja mal die Luft herauslassen. Pech gehabt. Hätten sie doch auf ihn gehört. Saufen, Kiffen, und die Hoffnung darauf, Sex zu haben, sind mit im Gepäck, und selbstverständlich eine klassische Rollenverteilung. Was soll nur aus ihnen werden, diesen Kids? Der offensichtlich alleinerziehende Vater der geplanten Screamqueen und der Lehrer setzen sich mit Waffen sowie Schnaps zusammen, im Hintergrund ein Bild vom Präsidenten, der die Sowjetunion das Reich des Bösen nannte, und nehmen die Misere im Angriff. Ihr Gegenpol weiß, was er macht, und bereitet sich mit altbewährter P.O.V. -Perspektive und Tötungsdelikten vor, auf das, was da kommen wird.
Nach wenig erfolgreichen Annäherungsversuchen muss die Gegend erkundet werden, am besten teilt man sich auf, damit einer nach dem anderen vor die Hunde gehen kann. Junge Frauen fragen ihre sinnlosen Fragen, danach, wie alt das Haus wohl ist, und so weiter, Männer nehmen ihre Hand, und wollen sagen was zu tun ist. Mädchengespräche debattieren darüber, wie man am besten küsst, Männer gehen eher mehr ins Detail, und bald tritt die Oberflächlichkeit in den Hintergrund. Fragt das Blondchen im eng anliegenden rosafarbenen Latex danach, wie viel Kalorien Zigaretten haben, ist endgültig alles schlüssig, und spätestens dann kann man damit beginnen, sich darüber zu amüsieren, dass jeder Dialog einen erschreckend lustigen Wiedererkennungswert hat. Haben sich genug Gesülze und ausreichende Fehlalarm-Szenen angesammelt, soll es endlich passieren, das Blut muss fließen. Angemessen düster gibt der Schauplatz alles her, was gebraucht wird, und der riesige Rüpel legt menschliche, wimmernde Köder aus, damit er seiner teilweise sadistischen Begierde weiter nachgehen kann. Sein Geschmack in Sachen Einrichtung wurde stark von TEXAS CHAINSAW MASSACRE alias Ed Gein inspiriert, eine stimmmige Angelegenheit. Die Opfer tendieren unterschiedlich, zum Fliehen, helfen, Zusammenarbeit, und jeder muss sehen wo er oder sie bleibt. Erfreulich ist, dass sich Kessner nicht gänzlich auf eine Kopie verlassen hat, sondern in drei Szenen damit spielt. So wird aus Altbekannten kurz etwas Neues, und, man glaubt es kaum, eine Überraschung ist wirksam! Aber, das ist kein großer Schritt, das typische Gemetzel muss reichen. Das ist nicht mit besonders guten Effekten ausgestattet, aber dafür kompensiert die geschickte Inszenierung jegliche Mängel. Warum Kessner noch einen Fulci-Splatter-Effekt drehte, kann egal sein, das Ergebnis ist 'schön'. Und eines ist gewiss, wird der Zuschauer zum Mordzeugen, fixiert die Kamera den Schwerpunkt der Metzelei. Der Unhold hat sichtlich Spaß daran, Mordwerkzeuge ausgiebig zu gebrauchen.
Slasher-Fans können ihren Spaß an LOST AFTER DARK haben, der versiert und mit einem Augenzwinkern die Vorliebe für dieses Subgenre zelebriert.
6/10