In Dario Argentos "Terror in der Oper" treibt ein Mörder mit schwarzen Handschuhen sein Unwesen, dessen Identität unbekannt ist, womöglich aber nicht nur etwas über ihn, sondern auch über seine Opfer verraten könnte. Eine solche Giallo-Blaupause klingt für einen Film von 1987 jetzt nicht allzu einfallsreich. Doch ist hier wieder einmal der Weg das Ziel, was in den ersten Minuten schon klar wird. Wenn das Auge eines Raben die aufnehmende Linse assoziieren lässt, geschieht das nicht bloß für die bizarre Seite des Plots, sondern auch als Einstimmung für die handwerkliche Finesse, mit welcher dem Zuschauer ein audiovisuelles Feuerwerk unterbreitet werden soll.
Die seit "Deep Red" und "Suspiria" optimierte Kamera entfaltet in dem imposanten Opernhaus ihre volle Pracht, ohne später nennenswert Schwung zu verlieren. Kraftvoll intonierte Arien aus "Macbeth" geben der Inszenierung zusätzliche Wucht. Da kann der - wie so ziemlich alles hier italienische - Speed Metal atmosphärisch nicht so ganz mithalten. Dafür setzen dann die tödlichen Handlungen des Fieslings mit dem Messer ein, bei welchen in Nahaufnahme die grausige Hinzufügung neuer Körperöffnungen zelebriert wird. Mitunter gerät das schon ziemlich gory, wird aber nicht übertrieben (Gewalt 6/10). Als besonders spektalulär erweisen sich die ikonischen Fesselungsszenen, die mit den Morden verbunden werden. Bei dem dadurch hervorgerufenen grundsoliden Horror (5/10) kann über den Einfallsreichtum schon einmal gestaunt werden.
Das hierdurch begründete hohe Niveau erhält eine wesentliche Stütze durch die motivierten Darsteller*innen. Cristina Marsillach gibt sich angemessen schockiert über das, was ihr hier als junger Diva Betty vor Augen steht. Urbano Barberini ("Dance of the Demons") mimt tadellos den sonderbar steifen Bullen Santini, während Ian Charleson ("Ghandi") als gereifter Regisseur Marco eine mögliche Identifikationsfigur ausfüllt. In den Nebenrollen steuern Daria Nicolodi ("Deep Red") und Coralina Cataldi-Tassoni ("Dance of the Demons 2", "Mother of Tears") zusätzliches Charisma bei. Bei alledem darf eine Prise sleaziger Erotik nicht fehlen, wie sie in Ex-Index-Streifen gerne gesehen ist (Sex 3/10).
"Ich hole mir immer einen runter vor Drehbeginn."
Einige eher primitive Dialoge geben ein wenig Humor (2/10) hinzu, während sie auf der Subtext-Ebene womöglich mehr hergeben als auf den ersten Blick erkennbar ist. Spannende Zuspitzungen bei den Begegnungen mit dem anonymen Übeltäter lassen zwischenzeitlich aufhorchen, bis sie schließlich in einem geradezu perfekten Finale eskalieren. Der darauf folgende, eigenwillige Epilog wäre verzichtbar gewesen, zitiert mit Alpenblick und gefangener Fliege jedoch vorzeigbar den zwei Jahre zuvor entstandenen "Phenomena".
Hinter letzterem und "Deep Red" reiht sich diese große Filmperle in die besten Arbeiten des Altmeisters ein (8/10 Punkten). Die hier zu Grunde gelegte Exportfassung bietet zusätzlich noch ein bemerkenswertes Tempo, was vielen anderen seiner Werke nicht unbedingt zueigen ist. Eine gereifte Arbeit, die neben allerlei methaphorischem Schabernack, Farbspielereien und schwindelerregenden Perspektiven nicht vergisst, auch eine hinreichend interessante Geschichte zu erzählen. Die inzwischen gültige FSK 16 hätte es dafür gerne von vornherein sein dürfen.
8/10