" Er ist einer von uns. Weißt du wieso ? Für ihn ist es ein geiles Gefühl zu jagen. Jagen und zappeln lassen. Er spielt den Jäger. Er will, dass sein Opfer leidet "
Sie gelten als verpöntes Relikt aus alten Tagen… Racheakte. Indem man einen Missetäter nicht ungeschoren davonkommen lässt, soll das innere moralische Gleichgewicht wiederhergestellt werden. Rache ist dabei so diabolisch wie kreativ und kaum etwas anderes beflügelt die menschliche Fantasie so sehr wie der Drang, eine widerfahrene Ungerechtigkeit zu vergelten. Rachegefühle sind komplex. Wir empfinden sie als befriedigend oder befreiend, dann wieder als bedrückend und beschämend. Mal wollen wir anonym bleiben und dann wiederum wollen wir, dass das Opfer sehr genau weiß, wem es die Rache zu verdanken hat.
Regisseur Kim Jee - woon, der bereits die sehr populären Werke " Bittersweet Life " (2005) und " The Good, the Bad, the Weird " (2008) inszenierte sowie später noch für Arnold Schwarzeneggers quasi Wiedereinstieg nach seiner Zeit als Gouverneur mit " The Last Stand " (2013) verantwortlich zeichnet, bescherte uns im Jahre 2010 mit " I Saw the Devil " einen erstklassigen Rache - Horror - Thriller, der von der ersten bis zur letzten Minute fesselt, absolut großartig bebildert und wahnsinnig atmosphärisch kreiert worden ist, als auch mit zwei der besten und talentiertesten Hauptdarsteller des asiatischen Kinos aufwarten kann. Der deutsche Zusatz zum Film, nämlich " Rache ist ein tiefer Abgrund ", wird diesem Werk dabei mehr als gerecht und lässt unweigerlich Erinnerungen an Nietzsches berühmten Satz " Wer mit Ungeheuern kämpft, mag zusehn, dass er nicht dabei zum Ungeheuer wird. Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein " hochkommen.
Inhaltlich geht es dabei um den Serienmörder Kyung - chul, zu dessen bevorzugter Beute junge Frauen gehören, denen er nachts in ländlichen Gegenden und an einsamen Bushaltestellen auflauert, sich durch vorgetäuschte Hilfsbereitschaft deren Vertrauen erschleicht, nur um dann mit hemmungsloser Gewalt zuzuschlagen. Als er sich jedoch an Joo - yeon, der Tochter des ehemaligen Polizeichefs, vergeht, die dazu noch von ihrem Verlobten Kim Soo - hyeon, seines Zeichens ebenfalls Polizist, schwanger ist, ahnt er nicht, dass er dadurch in Soo - hyeon einen inneren Dämon entfesseln wird, dessen Rache fürchterlich sein wird und der bereit ist, alle Grenzen hinter sich zu lassen.
Wer glaubt, hier einen gewöhnlichen Rache - Thriller zu sehen, der stupide nach Schema F abläuft, der ist ein Narr und soll eines besseren belehrt werden, denn einen derart packenden, harten und erbarmungslosen Film, der in aller Konsequenz seinen Weg unbeirrt bis zum bitteren Ende beschreitet, ist mir bis dato noch nicht untergekommen, allenfalls Alexandre Ajas " High Tension " (2003) wusste mir bisher noch die Art von Nervenkitzel zu bieten, die ich bis zur Sichtung von " I Saw the Devil " bei vielen Produktion gänzlich vermisste. Ein rohes Stück Fleisch bietet Kim Jee - woons Film dem geneigten Zuschauer, das nicht etwa fein säuberlich filetiert, denn mehr mit grobem Schnittwerkzeug geradezu zerhackt wird.
Choi Min - sik, bestens bekannt durch seine geniale Darbietung in " Oldboy " (2003) und " Lady Vengeance " (2005), mimt hier besagten Psychopathen Kyung - chul, der zunächst recht unauffällig wirkt, tagsüber Kinder in einem Schulbus nach Hause fährt, beim Eintreffen der Nacht jedoch seine bestialische Seite entfesselt und mit unbeschreiblicher Brutalität dabei vorgeht. Völlig empathielos weidet sich dieser Irre an der Angst seiner Opfer, demütig und missbraucht diese, bis er sie schlussendlich zerstückelt, gerne auch mit Hilfe einer Guillotine, die er in einem schäbigen Gewölbe aufgestellt hat, in welchem er sich in aller Abgeschiedenheit an seinen Opfern vergeht. Der Charakter dieses Mannes ist schwarz wie die Nacht, ein Herz der Finsternis wohnt seiner Brust inne und ein wahr gewordener Alptraum offenbart sich all denjenigen, die das Pech haben, seinen Weg zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt zu kreuzen.
Ganz anders hingegen der Polizist Kim Soo - hyeon, ein Mann des Gesetzes, des Rechts und der Ordnung. In seiner bisherigen Laufbahn dürfte dieser schon sicherlich so einiges gesehen und erlebt haben, doch seine schwangere Verlobte enthauptet vorzufinden, mit soetwas kann man gar nicht rechnen, wie denn auch, dermaßen surreal mutet solch eine Situation an, dass das Geschehene nicht greifbar, nicht fassbar wird. Lee Byung - hun, gesehen in " Once in a Summer " (2006) oder " G. I. Joe - Geheimauftrag Cobra " (2009), gibt der Menschlichkeit ein Gesicht, einem Antlitz, das im Moment der Erkenntnis um den grausamen Tod des meist geliebten Menschen verblasst, erlischt und zu Stein wird, so wie die Seele des Mannes, der glaubte, bereits alle Facetten der menschlichen Verdorbenheit gesehen zu haben.
Wie nahe doch Licht und Schatten beieinanderliegen, soll sich ab nun beispielhaft zeigen, indem die Grenzen zwischen Recht und Unrecht, Ethik und Moral für Soo - hyeon immer mehr verschwimmen und nur noch der Rachegedanke zählt. Es offenbart sich uns als Zuschauer ein alles verzehrender Strudel der Gewalt, der uns mit auf eine Reise nimmt, die von schonungsloser Brutalität geprägt ist, stets auf das einzige Ziel ausgerichtet, den Mörder von Joo - yeon zu fassen und ihn die gleichen Qualen durchleiden zu lassen wie all seine Opfer, besonders aber im Hinblick auf seine Verlobte und sein ungeborenes Kind.
Völlig enthemmt geht Soo - hyeon dabei mit äußerster Brutalität vor, allein schon bei der Überprüfung möglicher Verdächtiger, indem beispielsweise ein Sexualstraftäter beim onanieren von Soo - hyeon überrascht wird und die anschließende Befragung, in Kombination mit einer Rohrzange und dem sich daraus ergebenden morgendlichen Rührei, brauch an dieser Stelle wohl nicht weiter erläutert werden. Nachvollziehbar bleibt der Wandel Soo - hyeons aufgrund des erlittenen Verlusts für uns als Zuschauer durchaus, ob man solch ein Handeln aber nun gutheissen mag und ggf. selbst so handeln würde, allen moralischen Prinzipien zum Trotz, das muss ein jeder freilich für sich selbst entscheiden. Auseinandersetzen muss man sich mit derlei Fragen aber ohnehin, da Regisseur Jee - woon einem gar nicht erst die Möglichkeit lässt abzublenden und sich so vor der zentralen Frage nach der eigenen für angemessenen Gerechtigkeit und Strafe befundenen Lösung zu drücken.
Kameratechnisch werden durch Lee Mo - gae (A Tale of Two Sisters - 2004 und April Snow - 2005) hochauflösende Bilder geliefert, die jederzeit und in allen Momenten voll überzeugen können, mir persönlich besonders gut in den Augenblicken gefielen, als Kyung - chul mit seinem Schulbus nachts über die einsamen Landschaften streift, entlang der nur spärlich beleuchteten Straßen und im zart fallenden Schneegestöber im Laternenlicht unterhalb einer Bushaltestelle zum stehen kommt. Ein fast schon magischer Moment, ruhig und friedlich, so wunderschön, nur um sich im nächsten Moment in eine rasende Bestie zu verwandeln und unbarmherzig über sein Opfer herzufallen. Hier sei ganz besonders die 360 Grad Rundfahrt um ein Taxi hervorzuheben, in dessen Innenraum Kyung - chul zwei Insassen mit einem Messer auf brutalste und blutigste Art und Weise regelrecht abschlachtet.
Unterlegt werden solch Einstellungen mit den Klängen des Komponisten und Bassisten Mowg (The Outlaws - 2017 oder Unstoppable - 2018), bürgerlich bekannt unter Lee Sung - hyun, dessen dumpfe Töne drohendes Unheil subtil ankündigen, um sich in Konfrontationen dann zu entladen und unter dem Einsatz von Trommeln und Paarbecken auch höhere Oktaven anzuschlagen, ohne jedoch die Ohren dabei unangenehm zu penetrieren. Emotionale sowie melancholische Abschnitte werden uns durch sanfte Streicher, Zupfer und hohe Klaviertöne dabei genauso ergreifend näher gebracht, wie Momente des Kontrollverlustes, die nicht zwingend immer gewalttätiger Natur sind, und Kyung - chul und Kim Soo - hyeon gleichermaßen betreffen.
Die Möglichkeit, Kyung - chul zu töten, als Soo - hyeon die Möglichkeit dazu hat, lässt dieser also bewusst verstreichen und führt das gefährliche Katz und Maus - Spiel unbeirrt fort, um ihn dieselben Qualen durchleben zu lassen wie seine Verlobte. Wird er am Ende Erlösung finden oder frisst die Gier nach Rache ihn letztendlich auf ?! Was bleibt, ist ein rigoroses Meisterwerk des asiatischen Kinos; stringent in der Handlung, konsequent brutal, und die eigenen Moral - und Wertvorstellungen auf eine harte Probe stellend. Für mich einer der besten Serienkiller - Filme überhaupt und eine glasklare Empfehlung.
10/10