Nanuk, der Eskimo
Originaltitel: Nanook of the North
Herstellungsland: | USA (1922) |
Genre: | Dokumentation, Stummfilm |
Alternativtitel: | Nanook of the North: A Story of Life an Death in the Actual Arctic; Robert Flaherty's Nanook of the North |
Bewertung unserer Besucher: |
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Note: 7,50 (2 Stimmen) Details |
Inhaltsangabe:
Der Dokumentarfilmer Robert J. Flaherty lebte für diesen Film zwei Jahre lang in der nordkanadischen Subarktis mit den Inuit zusammen. Er schildert den Alltag von Nanuk und seiner Familie, ihre Jagdgewohnheiten und ihren Kampf gegen die Natur... ()
Nanuk verstaubte in meinem Regal. Denn ich wollte mir nicht entgehen lassen, die Review zum ersten abendfüllenden amerikanischen Dokumentarfilm mit den Worten zu beginnen, dass gut Hundert Jahre altes Filmmaterial garantiert selten besprochen wird. Es ist unbedingt lohnenswert, herauszufinden, warum die Ehefrau von Robert J. Flaherty diesen Satz gesagt hat:
"JEDE KUNSTFORM IST EINE ART ZU FORSCHEN"
Aber auch, sich damit zu beschäftigen, warum NANUK, DER ESKIMO kontrovers ist. Peu à peu werde ich erläutern, weshalb das so ist.
DER FORSCHER
Herr Flaherty soll von 1910 an insgesamt 6 Jahre durch das nördlichste, arktische Kanada gereist sein, ein paar Landkarten sind ihm zu verdanken, und eine Insel wurde nicht umsonst nach diesem mutigen Mann benannt. Eine Insel, die zum Territorium von indigenen Volksgruppen gehört, der Westen fasst bzw. fasste sie als Inuit oder Eskimos zusammen. Diese Begriffe sind den Wurzeln von nordamerikanischen Ureinwohnern entsprungen, Inuit ist schlichtweg ein Ausdruck für Menschen, der natürlich keine spezifischen Ethnien treffend formulieren kann. Flaherty dokumentierte Lebensweisen von Angehörigen des Stammes der Itivimuits, seine ersten Aufnahmen sollen aber den Flammen zum Opfer gefallen sein. Seine Frau sagte, ihr Gatte sei mit dem Ergebnis ohnehin nicht zufrieden gewesen. Der beschloss, einen Film zu drehen, der sehr viel mehr zu bieten hat. Er schien in Nanuk, und dessen Familie sowie Freunden, Gastgeber zu finden, die sich freundlich dazu bereit erklärten, ihr Leben vor der Kamera zu demonstrieren. Dieser Dokumentarfilm zeigt vieles, was in der puren Realität vonstattenging. Und das ist umwerfend.
EINE VEREISTE INSELWELT
In der Hocharktis ist nachts mit um die - 50 Grad °C zu rechen. Fast so groß wie England ist die Gegend, am Anfang des letzten Jahrhunderts sollen circa. 300 Menschen dort gelebt haben, wo Flaherty seinen Film gedreht hat. Nur an wenigen Stellen können Moose, Flechten und Gräser wachsen.
An diesem Ort, oder in der südlichen Tundra, tauchen ab und zu Weiße auf, die Pelze kaufen. Und Dinge mitbringen, sowie zum Tausch anbieten, die diejenigen, die von Schnee und Eis umgeben leben, sonst nicht kennen, geschweige denn haben. Die Einwohner setzen ihre Prioritäten anders. Tiere ermöglichen ihnen das Leben. Ihre Huskys ziehen Schlitten, mit denen Menschen und lebenswichtige Utensilien transportiert werden. Zum Beispiel ein Kajak, das durch das Eismeer rettet, Harpunen, Kleidung und Nahrung. Nanuk (Der Bär) tötet so viele Tiere, wie er kriegen kann. Haut sowie Fell verhindern das Erfrieren, Fleisch das Verhungern, aus Walrosselfenbein werden Messer, Pfeilspitzen und ähnliches gemacht.
Nanuk kommt mit einem Kajak auf die Kamera zu, und nachdem er an einer Eisscholle stoppt, stellt sich heraus, dass in diesem schmalen Ding viele Menschen und ein Welpe untergebracht sind. Sie lachen und lächeln. Als zu einem späteren Zeitpunkt das Packeis kommt, ist der zentrierte Mann von einem Stück Eis zum nächsten unterwegs, rutscht er aus, wartet lebensgefährliches Wasser auf ihn. Auf dem Eis liegend wartet er auf Fische, sein Köder ist aus Holz, eine Angel ist nicht in seinem Besitz, Nanuk hat andere Waffen und Werkzeuge. Niemand weiß, wie lang seine Jagden dauerten. Seine Geduld ergab sich bestimmt aus dem Wissen heraus, dass er mit seinem Fang das Überleben sicherte. Der vierjährige Junge trifft die Hasen aus Schnee noch nicht mit seinen Pfeilen. Noch. Die kalten kleinen Hände brauchen den warmen Atem des erfahrenden Jägers, der liebevoll das tut, was getan werden muss. Ein Mann, der vor meinen Augen mithilfe seines Walross-Messers ein Iglu gebaut hat. Ob mich die lebensnotwendige Statik noch mehr zum Staunen brachte als das Fenster, durch das das reflektierte Sonnenlicht das Innere der Unterkunft vor der Dunkelheit bewahrt hat? Logisch wäre es. Frauen haben an Nanuks Seite andere Aufgaben. Sie sorgen in erster Linie dafür, dass die Kinder überleben, und gut aufgehoben sind. Unter Fell, im Arm, auf dem Schoß. Jeder ist von fundamentaler Bedeutung. Robbt Nanuk auf Walrosse zu, um im richtigen Moment zuzuschlagen, ist das etwas, was ergreifen kann. Mehrere Menschen eilen zur Hilfe, ein Walross auch, der Überlebenskampf beider Seiten ist Ehrfurcht gebietend. Dieses harte Leben fordert stabile Mägen, rohes Fleisch ist Gewohnheitssache. Diese Freude, in den zum Teil blutverschmierten Gesichtern, einfach, weil niemand verhungern muss. Es braucht schon einige Huskeys, um ein paar Hundert Kilo zu transportieren. Wege gibt es nicht wirklich, aber Anhöhen, Glätte und Böen. Hunde und Menschen kämpfen zusammen um das Überleben, die Zweibeiner sind die Rudelführer der halben Wölfe. Tiere, bei denen man sich anscheinend nicht sicher sein kann, ob ein Kampf um die Rangordnung tödlich enden kann. Die Beute wird aufgeteilt, die Hierarchie eingehalten. Alle wissen was zu tun ist. Faszinierend, dass diese Menschen so fröhlich aussehen. Meine Vorstellungskraft hat natürlich viele Grenzen.
EINE KUNST FÜR SICH
Flaherty drehte dieses bemerkenswerte Zeitdokument mit der Unterstützung eines Handelsunternehmens, das sich auf den Verkauf von Pelzen spezialisiert hatte. Halbnahe und nahe Einstellungen, selten eine Halbtotale oder Totale, und nichts, was man wirklich eine Kamerafahrt nennen könnte, mussten reichen, und sie tun es bis heute. Über die oft miserablen Schnitte sehe ich hinweg, führen sie doch zu erstaunlichen Einblicken. Die Extreme waren das Objekt. Am Anfang und am Ende, stehen Aussagen von Flaherty auf dem Bildschirm geschrieben, zwischendurch sind das Kommentare, zu den jeweiligen Szenen. 1947 hat ein Orchester unter der Führung von Rudolf Schramm (Die Stunde der Versuchung) meisterhafte Musik eingespielt. 1975 gelang es Stanley Silverman (Der Augenzeuge) auch, musikalisch die vorstellbaren Emotionen zu übersetzen. Von denen, die man sieht, und angepasst an die Sichtweise der Zuschauer dieser Zeit.
Das Erstaunen lässt in wenigen Momenten nach. Denn, eine Gratwanderung ist ein zweischneidiges Schwert. Die Menschen sind von den Tieren abhängig, zwischen ihnen und den Hunden besteht eine Symbiose. Fletschen die Vierbeiner in Nahaufnahmen mit den Raubzähnen, ist das nahezu Effekthascherei, streiten sich zwei Zweibeiner um ein Stück Fleisch wie die Hunde, werden beide Spezies grenzwertig gegenübergestellt. Inspiziert Nanuk (eigentlich Allakariallak) ein Grammophon von Pelzhändlern auch mit den Zähnen, wie es wohl ein Menschenaffe tun würde, hat das einen bitteren Beigeschmack. Denn, Allakariallak wusste bereits, was für ein Gerät das ist. Er hatte schon viele Tiere mit einem Gewehr erlegt, Flaherty bat ihn und andere darum, die Jagdmethoden aus vergangenen Zeiten für den Film anzuwenden. Ein Prozess, der für die Tiere teilweise qualvoll war. Somit erntetet NANUK, DER ESKIMO später auch einiges an Kritik, und wurde in wenigen Fällen sogar mit der damals üblichen Zurschaustellung von aus der westlichen Sicht exotischen Menschen verglichen. Die Frau, die an Nanuks Seite überstand, war nicht wirklich seine Partnerin, ihre Kinder waren putzig, und sie soll einen Liebhaber mit dem Nachnahmen Flaherty gehabt haben. Was gezeigt wurde, war also stellvertretend für wahre Begebenheiten, und nicht einwandfrei. Selbst ein Interview, das mit Flahertys Frau nach dessen Tod geführt wurde, schien gestellt zu sein. So interpretiere ich jedenfalls den Blick von Frau Flaherty, die abzulesen scheint. Aber alles, was sie sagt, ist etwas, was nur befürwortet werden kann. In Zeiten, in denen Menschen in Freakshows vorgeführt worden sind, vermittelten Robert und Frances Flaherty Anerkennung diesen gegenüber, so wurden der Film und ihre Worte verkauft. Nanuk war auf einem Großteil der Welt so etwas wie ein Sinnbild für eine positive Sichtweise, bedenkt man beispielsweise Frances Flahertys Aussage, dass, wenn einen Nanuk und die anderen anlächeln, man doch auch lächle, und Unterschiede dann egal sein.
Ein Dokumentarfilm, der polarisieren kann. Aber auch eine Bereicherung für das damalige Weltbild. Trotz der Kontroversen ein sehenswertes Bildmaterial, das mehrere Seiten der Gesellschaft vor circa Hundert Jahren verdeutlichen kann.
Kommentare
09.02.2023 06:30 Uhr - Dissection78 |
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09.02.2023 17:19 Uhr - TheMovieStar |
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09.02.2023 19:22 Uhr - cecil b |
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09.02.2023 23:14 Uhr - Insanity667 |
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10.02.2023 08:29 Uhr - TheMovieStar |
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10.02.2023 17:23 Uhr - cecil b |
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