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Über den Dächern von Nizza

Originaltitel: To Catch a Thief

Herstellungsland:USA (1955)
Standard-Freigabe:FSK 12
Genre:Komödie, Krimi, Liebe/Romantik, Thriller
Bewertung unserer Besucher:
Note: 8,13 (16 Stimmen) Details

Inhaltsangabe:

Der ehemalige Juwelendieb John Robie (Cary Grant), genannt "Die Katze", ist mittlerweile solide geworden und führt ein beschauliches Dasein in den Hügeln über der Riviera. Doch nach etlichen Juwelendiebstählen in der High-Sociey-Gegend, gerät er unter Verdacht. Als er zudem noch das Ziel tätlicher Angriffe wird, will Robie auf eigene Faust den wahren Täter finden. Dabei macht er die Bekanntschaft mit der kühlen Blondine Frances Stevens (Grace Kelly), die mit ihrer Mutter (Jessie Royce Landis) an die Côte d’Azur gekommen ist, um Urlaub zu machen... ()

eine kritik von lamb:

"Über den Dächern von Nizza?"
"Ja, Über den Dächern von Nizza."

Ich selbst nenne es nur zu gerne das Über-den-Dächern-von-Nizza-Phänomen oder auch das To-catch-a-thief-Paradoxon. Es passiert mir zwar mittlerweile seltener, doch bekomme ich in Gesellschaft ungewollt Schrott vor die Augen oder fühle mich unbehaglich durch andere in einen schlimm Film gezogen, denke ich laut über dieses prunkvolle Werk von Alfred Hitchcock als Ausweichmöglichkeit nach - und greife selbstredend nicht selten darauf zurück. Das ging schon so weit, dass ich mich inmitten eines Abends abwendend verabschieden musste, denn Zeit ist kostbar und kommt nicht wieder. Dabei ist Über den Dächern von Nizza nicht unbedingt des Meisters außergewöhnlichster, spannendster oder aufregendster Film, aber gewiss sein schönstes Werk. Ich habe keinen Hitch, der ja immer eine Reise wert ist, öfter gesehen, als diesen. Der in prächtigen VistaVision-Bildern und an Originalschauplätzen der Côte d’Azur gedrehte Krimi besticht durchweg mit grandiosen Aufnahmen der azurblauen Küste. Über den Dächern von Nizza ist in jeder Szene und jedem Augenblick, sieht man mal von marginalen Rückprojektionen hier und da ab, ein absoluter Augenschmaus, dessen Blu-Ray von 2012 für mich zu den am besten gemasterten HD-Scheiben zählt, die mir bisher untergekommen sind. Die abwechslungsreiche wie sorgfältige Finesse der Bildkompositionen ist atemberaubend und der Oscar, den Kameramann Robert Burks hierfür verliehen bekam, völlig gerechtfertigt. Nach etwa 23 Minuten flüchtet der einstige Meisterdieb John Robie (Cary Grant) auf einen gut besuchten Marktplatz voller Blumen. In der malerischen Kulisse ein in allen Facetten farbenfroher, über alle Maßen knackscharfer und perfekter Hochgenuss - ich bin jedes Mal wieder gebannt, wie gut das alles nach über fünfundsechzig Jahren aussieht. Ein Meer aus Blumen. Diese Highlights ziehen sich durch den gesamten Film und die visuelle Brillanz und ein gewisser Wow-Faktor lassen jedes digital gefilmte Bild weit hinter sich zurück. Mit jeder verstrichenen Filmminute steigt die Lust dort einen Urlaub zu buchen enorm. Ein im besten Sinne makelloses Bild, dessen Korn harmonischer kaum sein könnte.

"Ach, ist das herrlich! Es gibt überhaupt nichts Schöneres auf dieser Welt. Sehen Sie doch mal diese Farben, das Meer und der Himmel und die lustigen bunten Häuser da unten. Es muss doch ein Genuss für Sie sein, auf diesen Dächern herum zu klettern."

Doch Hitchcock verkommt hier, trotz seiner einmalig gefassten Kulissen und den strahlenden Sternchen vor der Kamera, nicht zum inhaltsleeren Schönfilmer. Dafür ist eine filmische Intelligenz zu hoch. Es mag sein, dass das ziemlich unterhaltsame Skript über die auf den Punkt andauernde Spieldauer hinweg nie die famose Klasse der gefilmten Bilder erreicht - was schlicht unmöglich ist -, doch im Ganzen ist Über den Dächern von Nizza ein echter Hitchcock. Das fängt mit dem charmanten wie witzigen Cameo Hitchcocks am Anfang des Films an, schraubt sich über das oftmals schnippische und spitzzüngige Diebesrätsel unter den Protagonisten gaunerisch in die Höhe und endet für den Regisseur typisch verspielt, wenn auch angenehm zahm, sympatisch und angenehm einfältig. Wie John Robie, der zu Unrecht des Diebstahls verdächtigt wird, versucht seinen Hals aus der Schlinge zu ziehen, macht immer wieder Laune, woran die beiden Hauptdarsteller Grace Kelly und Cary Grant großen Anteil haben. Cary Grant, der ewige Gentlemen und niemals um eine treffende Bemerkung verlegene Star, ein Lieblingsschauspieler Hitchcocks, gibt hier eine seiner besten Darbietungen. Grant ist ein Original und die Chemie zwischen ihm und Grace Kelly ist zunächst abweisend knisternd, doch im Gesamten hinreißend schön. Die vielen köstlichen Dialoge, die halsbrecherische Flucht im Auto und dieser sinnliche und nicht enden wollende Kuss zu Beginn, der elegante Sinneswandel hin zu dem alternden Dieb und der betörende Maskenball am Schluss - in To catch a thief stecken doppelte Böden noch und nöcher. Schlagabtausch um Schlagabtausch eine zitierwürdige Zusammenkunft unter der Regie Alfred Hitchcocks und ein Film, welcher seine volle Blüte erst dann erreicht, dringt man durch die plastisch opulente Fassade.

"Trinken benebelt die Sinne."
"Ja, und wenn ich Glück habe, auch mein Gehör."

Ich habe das Gefühl, Über den Dächern von Nizza steht in der Gunst der Hitchcock-Fans immer etwas hinten an. Dieser humorvolle Film, der in der stärksten Schaffensphase des Master of Suspense entstand, hat nicht die Raffinesse von Vertigo oder Rear Window, nicht den tiefschürfenden Schockeffekt von Psycho, die ausweglose Abgründigkeit von Marnie oder das rastlose Tempo von Der unsichtbare Dritte, doch dieses ansehnlich entspannte, in mehrfacher Hinsicht leichtfüßige und genüssliche Kunstwerk bildet einen so galanten Entwurf ohne sich seiner rätselhaften Seele zu verkaufen - fast scheint es, als wollte Hitch mit dieser seichten und meditativ angehauchten Perle durchatmen, so spannend die letzte viertel Stunde wieder einmal geraten ist.

"Einen Juwelendieb zu fangen, ist wahnsinnig aufregend, wie ein, als wenn man ein...
"...als wenn man ein heißes Bad nimmt, hä."

Das Phänomen, das Paradoxon. Es ist völlig gleich, wer welchen Schotter anbringt oder verzapft - und die Ausbeute kann groß werden, passt man nicht auf. Zeit ist kostbar und kommt nicht wieder. Dieser Film von Hitchcock lässt die Zeit im Gegenzug auf die angenehmste Weise still stehen und ist stets ein willkommener Rettungsanker.

8/10
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Kommentare

09.02.2023 06:55 Uhr - Dissection78
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Ich liebe den Film. Aber ich mag alle Hitchcocks, auch schwächere wie "Der Fall Paradin" oder "Topas" ("Über den Dächern von Nizza" gehört für mich übrigens nicht zu seinen schwächeren). Der gute Mann inszenierte quasi für jede Gemütsstimmung einen Film. Wenn ich es düster psychothrillmäßig will, schaue ich beispielsweise "Vertigo" oder "Psycho", will ich's krimimysteriös, schaue ich "Der Mann, der zuviel wusste" oder "Bei Anruf Mord", horrormäßig gleich "Die Vögel", geschmackvoll spaßig-actionabenteuerig gleich "Der unsichtbare Dritte", schwarzhumorig gemütlich siehe "Immer Ärger mit Harry" uswusf. Es gibt natürlich Sachen von Sir Alfred, die ich öfter schaue als andere. "Über den Dächern von Nizza" gehört dazu. Der ist apart, humorvoll, elegant und aufgrund der exquisiten Kameraarbeit von Robert Burks höchst atmosphärisch. Ich gehe bei den Punkten sogar noch etwas höher :)

09.02.2023 13:03 Uhr - lamb
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Der gute Mann inszenierte quasi für jede Gemütsstimmung einen Film.


Schön gesagt. Deswegen finde ich es eben ein albern, wenn ich dann mal irgendwo lese: hier handelt es sich um einen etwas anderen Hitchcock. Die Klaviatur dieses Mannes war extrem vielseitig und ist immer eine Reise wert. Es vergeht kein Moment, in dem man nicht einen Film von ihm einlegen möchte. Meisterhaft und ohne Konkurrenz.

09.02.2023 13:56 Uhr - Insanity667
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Für mich ein klarer 10er Kandidat, Cary Garnt und Grace Kelly sind phänomenal, Hitchcock und Burk in Höchstform, absoluter Klassiker! :) Und natürlich eine tolle Vorstellung von Dir! :)

09.02.2023 17:29 Uhr - lamb
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Danke.

Insgeheim frage ich mich auch, was mich von der Höchstnote abhält. An sich ist der Film einmalig, andererseits wiegen ein paar andere Werke von Alfred Hitchcock schwerer.

09.02.2023 19:07 Uhr - Insanity667
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Also bei meinen Hitchcock - Reviews halte ich mich nicht zurück mit der Höchstwertung, verdient ist verdient! :) Und da ich, abgesehen von den TV-Produktionen, eigentlich keinem Hitch zwischen 1943 und 1959 (ja, auch dem "Rettungsboot") weniger als 10 Punkte geben würde, hat sich dieses Problem für mich automatisch erledigt! :D

09.02.2023 19:14 Uhr - lamb
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Das verstehe ich voll und ganz! Auf der einen Seite. Auf der anderen macht es schon Laune, Differenzen auszumachen und Feinheiten herauszufiltern. Letztlich ist zwar nicht alles Platin, aber genug wie bei keinem anderen Filmemacher. Hach, Hitch geht einfach immer <3

10.02.2023 12:55 Uhr - Schwachkopf79
Okay...irgendwie decken sich meine Erinnerungen an diesen Film nicht mit dem was ich hier von dir lese. Denn in meinen Erinnerungen kam dieser Film ganz schlecht weg. Es ist aber bestimmt auch schon 30 Jahre dass ich ihn gesehen habe. Denn damals schaute ich mich quasi durch den ganzen Fundus von Hitchcock durch und fand viele super und manche eher mäßig. Nochmal geschaut habe ich dann eher die S/W-Filme aus der Phase davor.
Aber weil mir deine Rezension gut gefiel, gebe ich ihm wohl nochmal ne Chance. Mit mitte 40 hab ich ja vielleicht auch einen anderen Blickwinkel auf den Film als als Teenager. :D

@insanity

Rettungsboot 10 Punkte? Wow...der liegt bei mir so eher bei 4-5 Punkte. Der ist mir dann doch zu plakativ und fast schon rassistisch.

10.02.2023 17:42 Uhr - lamb
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Über den Dächern von Nizza ist ein wunderschöner Film, dem man unbedingt etwas abgewinnen kann, mag man Filme und vor allem Filme von Hitchcock.

Rettungsboot habe ich im übrigen noch vor mir. In den Boxen von Warner und Universal und meinen zig Einzelscheiben war der noch nicht dabei. Mal sehen, wo ich den herbekomme. Klingt zumindest interessant beziehungsweise kontrovers, forscht man ein wenig im Netz.

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