"Organ" ist ein Japan-Exot aus dem Jahr 1996, der irgendwo zwischen Bodyhorror und Gangsterthriller eingeordnet sei. Dass eine weibliche Regie in diesen Gefilden hervorgehoben werden kann, kommt so oft nun auch nicht vor. Kei Fujiwara hat in "Tetsuo" mitgespielt, was in puncto "unansehnliche Veränderungen am menschlichen Körper" nicht frei von Parallelen zu dem hier besprochenen Werk ist. Die Kategorie style over substance hat es ebenfalls mit Tsukamotos 1989er Arbeit gemein.
So wird in performativer Hinsicht einiges geboten: Blechern dröhnende Drums gehen zu dissonanten Elektro-Jingles und weiteren Geräuschirritationen über. Düstere Umgebungen lassen auf Licht hoffen, nur um diesen Wunsch durch blendend kalte Leuchten gleich wieder erlöschen zu lassen. Alufolie wickelt Menschen gerade so ein, als wäre eine Riesenspinne an ihnen zugange gewesen. Sekrete mit suspekter Färbung treten aus Geschwüren aus, die "Mermaid in a Manhole" alle Ehre machen. Personen finden sich in bizarren Kokons oder gewächshausartigen Kapseln wieder, wo sie ihre Gliedmaßen vermissen. Wow.
"Es ist die Hölle, geboren zu werden."
Dennoch wird viel gesprochen, zu viel, als dass die Untertitellektüre der Japan-Shock-DVD nicht irgendwann ermüden würde. Die Sprache hört sich im Originalton seltsam bedrohlich und fetischhaft zugleich an. Debil kichernde Ganoven geben da unangenehme Sprüche von sich, ausgerüstet mit weit geschnittenen Hemden, protzigem Goldschmuck und unheilvoll konnotierten Augenklappen. Dadurch strahlen sie ihre stete Bereitschaft zur Gewalt (5/10) aus, die durch den Einsatz des Offscreens ungewöhnlich ausgewogen dosiert ist. Szenen wie eine traumatische Kindheitserinnerung mit Genitalverletzung wären ohne diese Zurückhaltung sicherlich tief im Sickolevel fortgeschritten. Schon so wirken sie reichlich krank, sind Teil des aufdringlichen Horrors (7/10). Solcher schlägt voll zu Buche, wenn die Organmafia am Seziertisch wütet, auf dem es jetzt nicht gerade hygienisch zugeht.
Auf Darstellerseite ist es nicht leicht, Wertungen zu treffen, obwohl mit Gesichtern wie Shun Sugata ("Kill Bill") durchaus nennenswerter Cast vorhanden ist. Ihre schablonenhaften Figuren bleiben aber eine Charakterisierung schuldig. Manchmal verwirren sie dafür mit kuriosem Sex (4/10), bei dem Verschrobenheit vor Einvernehmen und Erotik steht. Der inkonsistente Erzählstil verliert sich dabei immer wieder in einem Plot mit ambivalenten Polizisten und bösen Yakuza, weil Motive wie Mutationen, Krankheit, Drogen und Ausbeutung halt auch noch irgendwie hineingequetscht werden sollen, ohne diese Überdosis mit Humor (1/10) ironisieren zu wollen.
Nach alledem geht "Organ" auf seine eigenwillige Art schon in Ordnung (6/10 Punkten). Ihm mangelt es weder an Einfallsreichtum, noch an handwerklichem Können. Wer allerdings schon von Argentos wilderen Arbeiten gestresst ist, wird an diesem schrillen Erlebnis wenig Freude haben. Der Maestro sieht im Vergleich hierzu wie ein Profi im konsistenten Geschichtenerzählen aus. Harmlos geht ebenfalls anders: Was die FSK hierzu sagen würde, ist bislang unbekannt.
6/10