Autopsie - Hospital der lebenden Leichen
Originaltitel: Macchie solari
Herstellungsland: | Italien (1975) |
Genre: | Horror, Thriller |
Alternativtitel: | Autopsy Victim, The Hospital Horror |
Bewertung unserer Besucher: |
![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
Note: 6,67 (3 Stimmen) Details |
Inhaltsangabe:
Eine schreckliche Reihe von Selbstmorden beschäftigt die Polizei. Grausam entstellte Leichen treffen reihenweise zur Autopsie ins hiesige Hospital ein. Simona, eine angehende Ärztin, glaubt nicht daran, dass die Menschen sich selbst verstümmelt haben. Gleichzeitig leidet sie an Visionen. Die Leichen im Hospital fangen vor ihren Augen an sich zu bewegen. Simona geht der Sache nach und gerät in Lebensgefahr... (X-Rated DVD-Cover)
Wer sich ein wenig mit der gelben Filmkunst Italiens der 70er Jahre auskennt, der weiß, dass Gialli inhaltlich nicht immer zwangsläufig bestimmten Mustern folgten. Ein Giallo konnte – vom einfach gestrickten Krimi bis hin zum vermeintlich übernatürlichen Spuk – alles sein, hielt man sich nur an die stilistischen Rahmenbedingungen. So wurden oftmals phallische Mordwaffen in schwarzen Lederhandschuhen psychosexuell vorbelasteter Täter mit viel Blut, nackter Haut und, aus heutiger Sicht, fragwürdigen Frauenbildern vermischt, stets garniert mit visuell aufwendigem und farbenfrohem Design in eigentlich oft grimmiger Atmosphäre, und nein, das ist keinesfalls abwertend gemeint. Im Gegenteil, auf technischer Seite konnten diese Filme nicht nur oft mit den Produktionen aus Hollywood mithalten, sondern diesen auch teilweise voraus sein, denkt man da nur an den visionären Dario Argento. Nicht so visionär und mit einer bedauerlich kurzen Filmografie gesegnet, stieg Armando Crispino 1972 auch in das Geschäft mit den beliebten Italo-Thrillern ein und kredenzte dem Publikum mit „Das Geheimnis des gelben Grabes“ einen Giallo, der leider nur ein leicht überdurchschnittlicher Achtungserfolg in der Bryan-Edgar-Wallace Reihe bleiben sollte. Zurück ans Reißbrett also und 1975 startete der gute Mann, ehemals geachteter Filmkritiker, mit „Autopsy“ oder „Macchie solari“ („Sonnenflecken“) einen neuen Versuch.
Eine von bizarren Suiziden begleitete Hitzewelle rollt über Italien und die junge Pathologin Simona ist mit ihren Kollegen völlig am Ende. Leiche um Leiche muss obduziert werden, Akte um Akte gewälzt, Todesursache um Todesursache dokumentiert…Doch eine junge Frau, die auf Simonas Tisch landet, scheint nicht den Freitod gewählt zu haben sondern wurde ermordet und ehe sie sich versieht, findet sich Simona in einem Albtraum aus religiösem Wahn, Mord und Intrigen wider…
Einer der wohl interessantesten Storykniffe aus Lucio Battistradas („Das Geheimnis des gelben Grabes“, „Allein gegen die Mafia 7“, „Himmelfahrtskommando El Alamein“) Feder, der hier das Drehbuch verfasste, ist die Einbeziehung einer Naturkatastrophe – in diesem Falle Sonnenflecken, die Leute willkürlich in den Selbstmord treiben – in deren Schatten ein Mörder versucht, seine Spuren zu verwischen. Dies erzeugt, neben überfüllten Leichenschauhäusern und halluzinierenden Pathologinnen kurz vor dem Hitzschlag, eine extrem bedrückende und unheimliche Atmosphäre. Der dadurch entstehende Kontrast zwischen depressiv-melancholischer Grundstimmung und dem giallotypischen visuellen Stil entfaltet in „Autopsy“ von der ersten Minute an eine unheimliche Sogwirkung, vergleichbar mit Pupi Avatis „Das Haus der lachenden Fenster“ oder Narciso Ibáñez Serradors „Ein Kind zu töten“, vielleicht auch ein Hauch „The Wicker Man“. Leider vergallopieren sich Crispino und Battistrada etwa ab der Mitte des Films ein wenig und dehnen den Erzählrahmen etwas über Gebühr aus, so dass ein paar unnötige Längen, verloren in Glaubenskrisen und wenig zielführenden Gewaltausbrüchen, die Geduld des Zuschauers strapazieren. Glücklicherweise reißt das Finale dann wieder einiges raus und führt „Autopsy“ mit einem religiös-apokalyptisch angepinselten Set-Piece zu einem runden Abschluss.
Mit Mimsy Farmer („Das Parfum der Dame in Schwarz“) hat man für die Rolle der sympathischen und bodenständigen Leichenbeschauerin Simona eine tolle Schauspielerin gefunden, die sich zu diesem Zeitpunkt bereits mit der Darstellung ähnlicher Figuren innerhalb des italienischen Genrekinos bestens auskannte. An ihrer Seite spielt Barry Primus („Avalance“, „Die Straßen von San Francisco“) den etwas eigenwilligen Pfarrer Lenox, dessen Schwester Betty – die wahrscheinlich schönste Leiche aller Zeiten - als vermeintlicher weiterer Suizid auf Simonas Tisch landet. Dass da etwas nicht stimmt, merken nicht nur die beiden sondern auch Ray Lovelock („Das Leichenhaus der lebenden Toten“, „Die Banditen von Mailand“) als Riccardo und Angela Goodwin („Schwestern teilen alles“), hier zu sehen als unfreiwillige Freudenspenderin Danielle, die auch öfter Besuch von Simonas schmierigen Vater Gianni, großartig gespielt von Massimo Serato („Anna und der Henker“, „Wenn die Gondeln Trauer tragen“), bekommt. Die Darstellerleistungen sind überzeugend, im Hinblick auf die beiden Hauptrollen stellenweise sogar erstklassig, manchmal jedoch bekommt man es bei den Nebencharakteren als unfairen Ausgleich mit auffallenden Ausreißern der Marke Overacting zu tun.
Inszenatorisch bewegt sich Regisseur Crispino mit Kameramann Carlo Carlini („Black Emanuelle“, „Die Spionin von Gibraltar“) absolut stilsicher im gehobenen Giallo-Style-Segment. Von wundervoll farbenfrohen Außenaufnahmen mit südländischen Flair über Einblicke in dreckige, versiffte Behausungen diverser Suizidkandidaten, bis hin zu psychedelischen Albtraumsequenzen und hitzeinduzierten Halluzinationen in kalten Leichenhallen, ist alles dabei. Neben dem typischen Maß an nackter Haut und Sex kann „Autopsy“, mit einigen recht drastischen und blutigen Szenen, auch im Punkto grafischer Härte überzeugen, besonders zu Anfang des Films gibt es Augenblicke, die auch gestandenen Schlitzerexperten einen unangenehmen Schauer über den Rücken jagen dürften. Dem zuträglich ist ebenso der schaurige und melancholische Score von Italo-Legende Ennio Morricone („Spiel mir das Lied vom Tod“, „Die neunschwänzige Katze“, „Malastrana“), dessen Kompositionen eigentlich immer ein Garant für vorzügliche musikalische Untermalung sind.
„Autopsy“ lief in Italien bereits 1975 in den Kinos an, die USA und Kanada mussten bis 1977 warten. In Deutschland und dem Rest Europas sollte es bis Anfang der 80er Jahre dauern, bis der Film ein breiteres Publikum erreichte, leider zu spät, um einen angemessenen Ertrag an den Kinokassen erzielen zu können, denn die Erfolgswelle des Giallos war zu diesem Zeitpunkt bereits am Abebben.. Dennoch konnte sich der Streifen, hierzulande mit dem reißerischen - und unpassenden - Titelzusatz „Hospital der lebenden Leichen“, und auch überall, wo er es sonst auf VHS ins Heimkino schaffte, eine kleine Fangemeinde erspielen und mauserte sich in den glorreichen Zeiten der Videotheken sowie als heißer Kandidat der „Video Nastys“ zum Geheimtipp. Anno 2023 kann man „Autopsy“ im brillanten HD auf der Blu Ray von Vinegar Syndrome bestaunen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, vergessene Klassiker im Rahmen ihrer „Forgotten Gialli“ – Reihe wiederzubeleben. Von der deutschsprachigen DVD von X-Rated sollten Interessenten jedoch die Finger lassen, die Qualität ist unterirdisch, was für einen Film, dessen visueller Stil so weit im Vordergrund steht, nur von Nachteil sein kann.
Fazit:
Allein die ersten 20 Minuten dieses psychedelischen und grotesken Fiebertraums von Giallo sind eine Sichtung wert. Die pseudophilosophisch aufgeblasene Story ist auf der einen Seite – wie so oft - freilich ungelenk und etwas überzogen, auf der anderen Seite jedoch belohnt „Autopsy“ mit guten Darstellern, einem angemessenen Finale, starker Symbolik, schönen Szenenbildern, einer tollen Optik und geht neue Wege, abseits der ausgetretenen Genrepfade. Als Sahnehäubchen kommen vor allem die derben Gewaltspitzen obendrauf und das reicht dann auch schon für eine Empfehlung zu Crispinos bizarrem aber höchst interessanten Werk aus.
7/10 Punkte
Mehr Reviews vom gleichen Autor
Kommentare
23.02.2023 21:43 Uhr - cecil b |
|
24.02.2023 14:31 Uhr - Dissection78 |
|
24.02.2023 15:03 Uhr - Insanity667 |
|
Um Kommentare auf Schnittberichte.com veröffentlichen zu können, müssen Sie sich bei uns registrieren.

