Inferno unter heißer Sonne
Originaltitel: Al tropico del cancro
Herstellungsland: | Italien (1972) |
Genre: | Abenteuer, Krimi |
Bewertung unserer Besucher: |
![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
Note: 7,25 (4 Stimmen) Details |
Inhaltsangabe:
Dr. Williams ist Arzt auf Haiti und hat ein seltsames Serum hergestellt, welches sofort das Interesse verschiedener Leute auf sich zieht. Währenddessen findet eine Voodoo-Zeremonie statt, auf der ein Mann tot umkippt. Der Doktor muss feststellen, dass sich in seiner Leiche kein Blut mehr befindet. Genau das gleiche hat er kürzlich erst bei der Leiche seines Assistenten festgestellt. Kurze Zeit später wird Dr. Williams von einem skrupellosen Geschäftsmann gezwungen sein Serum auszuhändigen. Da er sich weigert, wird er fast umgebracht. Inzwischen sind mehrere Leute an das geheimnisvolle Serum interessiert, sogar ein alter Freund von ihm, der über Leichen geht wenn es sein muss. Langsam wird es auf Haiti für alle Beteiligten zu heiß... ()
Zur Blütezeit des Giallos, also um 1970 herum, gab es in Italien kaum einen Regisseur, kaum einen Schauspieler oder Produzenten, der sich nicht auch mal in diesem erfolgreichen Genre versuchen wollte. So kam es mitunter zu interessanten Kolaborationen zwischen gestandenen Spaghetti-Western-Veteranen, Sandalenfilmautoren, Kannibalenexperten oder Horrorregisseuren. Die kreativen Möglichkeiten, die das Genre bot, waren immer ein Anreiz, auch mal exotische Pfade einzuschlagen und Projekte zu realisieren, für die man außerhalb der gelben Wohlfühlblase wohl kaum Abnehmer bei Studio und Publikum gefunden hätte. Ein sonniger Drogenthriller mit Merkmalen des Mondo-Films um Voodoobräuche und Bewusstseinsveränderung, mit schönen Frauen, Sprüche klopfenden Machos und einem maskierten Mörder im heißen Karibiksetting südlich von Kuba? Kein Problem für die beiden Drehbuchautoren und Regisseure Giampaolo Lomi („Der letzte Schrei des Dschungels“, Addio, Onkel Tom) und Edoardo Mulargia („Ein Fressen für Django“, „Django – Dein Henker wartet“) sowie den zusätzlichen Ideenlieferanten Anthony Steffen, die 1972 mit „Inferno unter heißer Sonne“ zusammen einen solchen Film in die Kinos brachten.
Der Forscher Dr. Williams arbeitet an einem geheimen Serum, welches nicht nur Tarantelgift neutralisiert, sondern auch für fiebertraumartige Visionen sorgt, und gerät in den Fokus korrupter Organisationen, die seine Forschungsergebnisse auf dem Südamerikanischen Rauschmittelmarkt zu Geld machen wollen. Als ob das nicht genug wäre, versetzt auch noch ein mysteriöser Killer das Urlaubsdomizil in Williams Wahlheimat in Angst und Schrecken…
Die erzählerische Ausgangslage um einen Exilanten, der in Haiti an experimentellen Drogen und Heilmitteln forscht und sich damit selbst zur Zielscheibe diverser zwielichtiger Gestalten macht, ist schon mal die halbe Miete im Drehbuch von Mulargia, Lomi und Steffen, die die Geschichte gemeinsam ausgearbeitet haben. Es ist einfach mal was anderes, und schön zu sehen, dass die Umsetzung zu großen Teilen auch gelungen ist und auf angestrebter Unterhaltungsebene als groß angelegtes Murder-Mystery funktioniert. Exotisches Flair, verbunden mit dem nötigen sowie durchdachten Maß an Spannung und solide ausgearbeiteten Figuren machen „Inferno unter heißer Sonne“ zumindest nicht zum beliebigen Fließbandprodukt – was gerade zur Hochphase der Filmgattung nicht unüblich war – aber auch nicht automatisch fehlerfrei. So braucht es insgesamt einen ordentlichen Anlauf, bis die ganze Geschichte ins Rollen kommt, das machohafte Verhalten der beiden Protagonisten ist etwas drüber und auch bezüglich der Darstellung haitianischer Volksbräuche wurden hier und da ein paar unnötige Klischees bemüht, die im pseudodokumentarischen Stil eines typischen Mondo-Streifens eben beinahe wie Fremdkörper wirken. Ganz witzig am Rande ist übrigens, dass der brasilianische Superstar Anthony Steffen hier unter seinem richtigen Namen Antonio Luiz De Teffè und Mulargia wiedeum unter seinem englischen Pseudonym Edward G. Muller am Drehbuch arbeitete.
Steffen („Django kennt kein Erbarmen“, „Der letzte Zug nach Durango“, „Ein Engel für den Teufel“), welcher sich nicht nur vertraglich eine gewisse Anzahl an Nahaufnahmen seines Gesichts hat zusichern lassen, sondern auch ein Mitwirken am Drehbuch zur Bedingung für seinen Auftritt machte, schrieb sich seine Rolle quasi selbst auf den Leib und gibt hier den charismatischen Dr. Williams, für dessen Forschungsergebnisse gierige Geschäftsmänner, die um ihn wie Fliegen um einen Misthaufen schwirren, über Leichen gehen würden. Beistand erhält Williams von seinem früheren, mindestens genauso charismatischen, Schulfreund Fred Wright, gespielt von Gabriele Tinti („Der Flug des Phoenix“, „Nackt unter Kannibalen“) und dessen Ehefrau Grace, traumhaft verkörpert durch Anita Strindberg („A Lizard in a Woman’s Skin“, „Der Schwanz des Skorpions“). Dieses Dreiergespann reicht auch völlig aus, um die Handlung zu tragen und auch Unterstützung in Form von Italo-Western-Legende und Steffens schauspielerischen Wegbegleiter Stelio Candelli („Der letzte Mohikaner“, „Ein Fressen für Django“) oder Pierre Richard Merceron überzeugt schauspielerisch. Allerdings – wie so oft – muss man mit allerhand unfreiwilliger Komik und Overacting in den Nebenrollen, z.B. von Gordon Felio („Jungfrau – reich garniert“, „Nick Carter – Zum Frühstück Blondinen“) rechnen, warum bekommt das niemand in den Griff?
Der Ausbruch aus dem gewöhnlichen Umfeld eher klassischer Gialli zu dieser Zeit in das traumhaft schöne Inselparadies tut „Inferno unter heißer Sonne“ dagegen aber ausgesprochen gut, nicht dass Schauplätze in Italien weniger schön wären, doch selbst 1972 hat man sich an vielen Lokalitäten im südlichen Europa bereits ein bisschen sattgesehen und die haitianische Atmosphäre der geschichtsträchtigen Hauptstadt Port-au-Prince wirkt hier eben frisch und unverbraucht. Auf inszenatorischer Ebene also ein Traum, kompetent eingefangen von Kameramann Marcello Masciocchi („Betrachten wir die Angelegenheit als abgeschlossen“, „Racket“), der unter dem Löwenanteil von Mulargias Regie sein Können vor allem in geschmeidigen Zooms, beeindruckenden Totalen und wunderschönen Panoramen unter Beweis stellt. Ebenfalls schön anzusehen, obwohl oft, wie weiter oben schon erwähnt, klischeehaft romantisiert und hochstilisiert, ist die Einbindung der bunten Inselfolklore in das Gezeigte, womit nicht ausschließlich - von Lomi in guter alter Guerrila-Manier gefilmte - nackt tanzende Voodoo-Priesterinnen gemeint sind, die steigern bestenfalls den erotischen Aspekt des Films, zu dem die brutalen, aber ästhetisch ausgespielten Morde eines Stilecht gewandeten Mörders und die kühle, moderne Luxusausstattung des Hotels einen ansehnlichen Kontrast bilden. Was allerdings völlig überflüssig ist, sind Dinge wie reale Hahnenkämpfe oder rituelle Schlachtungen, auch wenn sie zur örtlichen Kultur gehören mögen. Obwohl im Nachhinen beide Regisseure versuchten, dem jeweils anderen dafür den schwarzen Peter zuzuschieben, wird mit dem Hintergrundwissen, dass Lomi bereits mit den Herren Prosperi und Jacopetti an diversen Skandaldokus arbeitete, relativ schnell klar, wer für solche Szenen verantwortlich war. Der Score von Piero Umiliani („Bleigewitter“, „Foltergarten der Sinnlichkeit 2“, „Die Bumsköpfe“) ist ab und zu ein wenig zu discolike geraten, kommt es aber z.B. zu den Morden, gehen diese dann sehr stimmungsvoll und gruselig untermalt vonstatten. Erwähnenswert im Zusammenhang mit der Musik ist vielleicht auch noch die beinahe schon epische Szene, in der sich Anita Strindberg lasziv in einem roten Korridor räkelt, Assoziationen zu Dario Argentos später erschienenen Referenzwerken in Sachen Giallo inklusive.
„Inferno unter heißer Sonne“, im Original „Al tropico del cancro“ lief im September 1972 in den italienischen Kinos an, der Rest Europas und auch die USA kamen offensichtlich - genauere Daten scheint es nicht mehr zu geben - erst 7 Jahre später in den Genuss dieses außergewöhnlichen Streifens, wo er unter dem Titel „Tropic of Cancer“ fortan regelmäßig mit der Romanverfilmung „Im Wendekreis des Krebses“ von 1969 verwechselt wurde. In Deutschland blieb dann 1982 nur noch die Heimkinoauswertung auf VHS. ILLUSIONS UNLTD. films und Camera Obscura veröffentlichten den Streifen bisher nur auf DVD in relativ bescheidener Bild – und Tonqualität. Für eine adäquate HD Veröffentlichung sorgte jüngst Vinegar Syndrome, allerdings ohne deutschen Ton.
Fazit:
Abseits ein paar vereinzelter unschöner Beigeschmäcker und der wirren Entstehungsgeschichte ein toller Giallo mit exotischem Setting, charismatischen Schauspielern und einer Prise Erotik, in dem heftig gestorben wird. Die auf den ersten Blick etwas unrunde Story mit Lomis gewöhnungsbedürftigen Kultureinschüben funktioniert im weiteren Verlauf überraschend gut, die Spannung geht spätestens ab der Hälfte durch die Decke und Fans werden mit einer wunderschönen Optik belohnt, sollte man als Freund italienischer Filmkost auf jeden Fall mal gesehen haben!
7/10 Taranteln*
*Da Tiersnunff in dieser Form keinen handlungsrelevanten Mehrwert hat, habe ich mir erlaubt, 1,5 Punkte abzuziehen, darf ich ja auch, ist ja mein Review!
Kommentare
11.03.2023 14:14 Uhr - dicker Hund |
|
11.03.2023 23:23 Uhr - Insanity667 |
|
12.03.2023 11:30 Uhr - Dissection78 |
|
12.03.2023 14:25 Uhr - cecil b |
|
![]() Moderator ![]() ![]() |
Immer wieder erstaunlich, wie du filmhistorische und direkte Eindrücke vom Film kombinierst, und meistens eher weniger bekannten Filmen hier einen so formidablen Platz schenkst!
|
13.03.2023 20:40 Uhr - Insanity667 |
|
Um Kommentare auf Schnittberichte.com veröffentlichen zu können, müssen Sie sich bei uns registrieren.

