Das spanische Horrorkino der 70er Jahre kann man rückblickend getrost als gleichermaßen grobe wie auch wilde Sause betrachten, für Fans von allerhand B-Murks, Exploitation und Eurotrash, im absolut positiven Sinne versteht sich. Neben Amando de Ossorios wahlweise reitenden, schwimmenden, seltener fliegenden Leichen wurden Michael Armstrongs „Hexen bis aufs Blut gequält“ und sich ausgiebig in Jorge Graus „Leichenhaus der lebenden Toten“ herumgeprügelt, aber auch nur, weil Jess Franco mal wieder die Särge offen gelassen hat. Den Stein so richtig ins Rollen brachte aber ein ganz anderer Herr, die Rede ist von Paul Naschy, der sich als Drehbuchautor 1968 mit „Die Vampire des Dr. Dracula“ und 1970 mit „Dracula jagt Frankenstein“ die Rolle seines Lebens als verfluchter Werwolf Waldemar Daninsky selbst auf den Leib schrieb. Obwohl beide Streifen weniger erfolgreich und noch viel weniger gut waren, gab sich Naschy nicht geschlagen und tat sich für den 1971 erschienenen „La Noche des Walpurgis“, in Deutschland „Die Nacht der Vampire“, mit dem argentinischen Regisseur León Klimovsky („Bleigewitter“, „Die Rebellion der reitenden Leichen“, „Todeskreis Libelle“) und dem Münchner Studio HIFI-Stereo-70 Filmvertrieb KG, welches zuvor den oben bereits erwähnten „Hexen bis aufs Blut gequält“ aka „Mark oft he Devil“ mitproduzierte, zusammen und verhalf damit schließlich dem spanischen Horror – zumindest anteilig - zu einer fortan stets wachsenden Fangemeinde.
Der vermeintlich tote Wolfsmensch Wladimir Daninsky erwacht in seiner Gruft zu neuem Leben, als man ihm die tödlichen Silberkugeln, die er sich eingefangen hat, aus dem Leib zieht. Zurückgezogen auf sein Schloss und in ständiger Sorge vor den möglichen Entgleisungen in der nächsten Vollmondnacht, muss er sich zu allem Überfluss nun auch noch gegen eine dem Grabe entstiegene Vampirfürstin zur Wehr setzen…
Wie auch in den beiden Vorgängerfilmen, die übrigens nicht offiziell zum Kanon der „Hombre Lobo“ – Reihe zählen, präsentieren Klimovsky und Naschy eine klassische Horrormär, ganz in der Tradition der beliebten Monster Mashups des Studios Universal aus den 40er Jahren sowie deren Hammer-Remakes der 60er und 70er, gewürzt mit deutlich mehr Zeigefreudigkeit in Sachen Sex und Gewalt und der unverkennbaren Ästhetik von schmutziger 70‘s Exploitation. Dass man dabei keine Story für den Literaturnobelpreis erwarten darf, sollte jedem Interessenten klar sein. Der Unterhaltungswert des nächtlichen Treibens in Gruften und Gräbern ist aber auf jeden Fall hoch genug, um keine Langeweile aufkommen zu lassen und auch die durchgehend tragische und ambivalente Figurenzeichnung - mit nur wenigen Ausnahmen - war eine gute Drehbuchentscheidung, die die Spannung nicht abebben lässt. Mehr gibt es dazu dann aber auch nicht zu sagen, „Die Nacht der Vampire“ ist ein simpel gestrickter Grusel-Exploiter, der sich unnötige Längen durch Pseudophilosophie und moralapostolisches Gequängel spart, damit man sich auf das klassische, schnörkellose Guilty-Pleasure des einfachen Geschichtenerzählens konzentrieren kann, und das funktioniert in diesem Rahmen gut.
Allen Schauspielerinnen und Schauspielern voran ist Paul Naschy hier zum dritten mal – eigentlich zum vierten mal, aber das ist eine andere Geschichte – in seiner Paraderolle als „Hombre Lobo“ Waldemar Daninsky zu sehen, der es diesmal mit den blutgierigen Vampirscherginnen und verfaulten Untoten unter Patty Shepards („Dracula jagt Frankenstein“, „Der Mann aus El Paso“) Gräfin Wandesa Dárvula zu tun bekommt. Eine davon, die traumhafte Genevieve, wird von der spätern deutschen Autorin Barbara Capell („Alle Kätzchen naschen gern“, „Ständig in Angst“) gespielt, die auch versucht, ihre Freundin und Waldemars Liebesgespielin Elvira – Gaby Fuchs („Hexen bis aufs Blut gequält“, „Schmetterlinge weinen nicht“) – auf die dunkle Seite zu ziehen. Ein wenig ins Hintertreffen gerät die Rolle von Andrés Resino („Der Teufel kennt kein Halleluja“, „Panik im Casino“) als Inspektor Marcel, der versucht, dem paranormalen Treiben auf den Grund zu gehen, dabei aber nur mäßigen Erfolg hat, ziemlich hilflos in eine Falle nach der anderen tappt und von der holden Dame der Schöpfung schließlich gerettet werden muss, mal eine schöne Verkehrung des damals oft in Stein gemeißelten Rollenbildes, auch wenn der handlungsrelevante Beitrag des Herren so oder so ins Leere gelaufen wäre, auch unabhängig davon, welche Fassung man sich anschaut.
Auf inszenatorischer Ebene versuchten Regisseur Klimovsky und Kameramann Leopoldo Villaseñor („Trip in die Hölle“, „Die Qual der Geiseln“), den Wünschen Naschys entsprechend, die andersweltliche und traumartige Atmosphäre seiner Schriftvorlage einzufangen. Dafür wurden alle übernatürlichen Segmente, in die Untote oder Vampire involviert waren, in Zeitlupe gedreht, was für einen befremdlichen und schaurigen Look sorgt, zumindest in den meisten Fällen, wenn die Gewänder und Haare der nokturnalen Brut geheimnisvoll im Zwielicht flattern. Manch andere Szenen wirken jedoch ziemlich albern, wenn zum Beispiel ein schlecht geschminkter Kuttenzombie – der ganz offensichtlich auf dem Weg ans Set von Amando De Ossorios „Die Nacht der reitenden Leichen“ war - am helllichten Tag in Zeitlupe einer verschreckten Dame nachstellt und dann erdolcht wird, kann man sich vor Lachen kaum noch auf der Couch halten. Abseits solcher unfreiwillig komischer Einlagen sieht „Die Nacht der Vampire“ aber wirklich toll aus und hat neben einer guten Portion Sleaze auch einiges an Blut und Gekröse, sowie eine ganz ordentliche Werwolfverwandlung zu bieten, freilich nicht ansatzweise so beeindruckend wie gut 10 Jahre später in „The Howling“ oder „An American Werewolf in London“, aber immerhin, für die damalige Zeit und das schmale Budget, nicht verkehrt. Abgerundet wird das Ganze dann durch die gruseligen und atmosphärischen Kompositionen von Antón García Abril („Die Nacht der reitenden Leichen“, „Django, der Rächer“, „Bis aufs Blut“) der beinahe zu jeder Stimmungslage den richtigen Ton trifft.
„La Noche des Walpurgis“ wurde im November 1970 gedreht und kam im Mai des drauffolgenden Jahres in die spanischen Kinos. Das deutsche Publikum durfte sich dann im Oktober 1971 an dem Werk erfreuen und Großbritannien sowie die USA und Kanada waren pünktlich zu Halloween 1972 dran. Unter anderem wurde der Film dort umgetauft in „Shadow of the Werewolf“ bzw. „The Werewolf vs. Vampire Women“. 84 Entertainment veröffentlichte den Streifen 2012 hierzulande erstmalig auf DVD, 2014 folgte dann die Blu-Ray von Subkultur, die sich auch vieler anderer Klimovsky/Naschy-Klassiker annahmen.
Fazit:
Ein Hochglanzvampirstreifen im Werwolfspelz ist „Die Nacht der Vampire“ bei weitem nicht, aber dennoch ein durchaus solider Auftakt zu einer B-Movie-Exploitation-Reihe, die dem spanischen Horrorkino der 70er Jahre einen soliden Grundstein legte und ambitionierten Trashfans ausreichend Kurzweil, Unterhaltung und Spaß bieten dürfte.
8/10 Zeitlupen-Zombies
8/10