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Tunnel der lebenden Leichen

Originaltitel: Death Line

Herstellungsland:Großbritannien (1973)
Genre:Horror
Alternativtitel:Raw Meat
Bewertung unserer Besucher:
Note: 6,17 (6 Stimmen) Details

Inhaltsangabe:

In einem stillgelegten Abschnitt der Londoner U-Bahn wächst ein neuer, geradezu unmenschlicher Menschenschlag heran: Lebende Leichen, die nur durch Kannibalismus ihr Überleben sichern können. Ihre Opfer sind die ahnungslosen Passagiere auf nächtlichen U-Bahnstationen.
Die Vorgeschichte dieses Horrordramas ist eine furchtbare Katastrophe. Im Jahre 1892 ist ein großer Abschnitt des Londoner U-Bahnnetzes eingestürzt. Die in den Tunnelröhren eingeschlossenen Passagiere sind dabei ums Leben gekommen. Nur einige wenige haben das Unglück überlebt, ohne sich jedoch aus dieser "Unterwelt" befreien zu können. Von den Nachfahren dieser unglücklichen Opfer bleiben schließlich nur noch zwei übrig - ein Mann und eine Frau, dazu verurteilt, ihr Dasein an der äußersten Grenze menschlicher Erniedrigung zu fristen - als Kannibalen. Ihre Opfer finden die lebenden Leichen nachts. Von einsam gelgenen U-Bahnstationen verschleppen sie ahnungslose Passagiere in ihre unterirdische Tunnelwelt.
Nur der Zufalls bringt die Existenz der Kannibalen schließlich ans Tageslicht. Die Polizei beginnt ihre Nachforschungen, als eine Studentin das Geheimnis der lebenden Leichen entdeckt, dann aber ebenfalls verschwindet - gekidnappt von dem letzten Überlebenden des Kannibalenstammes, dessen Gefährtin gerade gestorben ist. Für Inspektor Colquhoun und seine Leute beginnt jetzt der Wettlauf gegen den Tod: Sie müssen die junge Frau finden, bevor auch sie zum Kannibalenopfer wird. (Thorn Emi Video VHS-Cover)

Diese Kritik enthält Informationen über den späteren Handlungsverlauf der Geschichte.
eine kritik von punisher77:

                                                    TUNNEL DER LEBENDEN LEICHEN

Tunnel Der Lebenden Leichen ist ein Film, dessen Titel mir immer wieder in (Horror-)Filmmagazinen sowie auf Internetseiten und Filmbörsen begegnete, und der mich aufgrund der Teilnahme von Donald Pleasence (Halloween – Die Nacht Des Grauens, 1978) und Christopher Lee (Dracula, 1958) und der vom Titel suggerierten Zombie-Thematik schon immer interessiert hat. Zudem deuteten die Nominierung des von Gary Sherman (Tot Und Begraben, 1981) inszenierten Streifens in der Kategorie „Bester Horrorfilm“ beim Saturn Award sowie eine euphorische Kritik in The Village Voice, die den Tunnel Der Lebenden Leichen als besser einstufte als George A. Romeros Die Nacht Der Lebenden Toten (1968), auf einen überdurchschnittlichen Genrestreifen hin, auch wenn Auszeichnungen und gute Kritiken natürlich keine echten Gradmesser sind und letztlich der eigene Geschmack entscheidet. Das Cover der DVD des Films ziert ein Artwork, auf dem es vor Zombies nur so wimmelt. Leider handelt es sich beim Tunnel Der Lebenden Leichen um einen der größten Etikettenschwindel, die es auf dem deutschen Filmmarkt gibt…

Die britische Studentin Patricia (Sharon Gurney – Schmelztiegel Des Grauens, 1971) und ihr amerikanischer Freund Alex Campbell (David Ladd – Die Wildgänse Kommen, 1978) finden in der U-Bahn-Station Russel Square einen bewusstlosen Mann. Die beiden rufen einen Polizisten zu Hilfe, doch als der Gesetzeshüter die Station erreicht, ist der Mann verschwunden. DA es sich bei dem Verschwundenen um einen Politiker handelt, werden Ermittlungen angestellt, die von Inspektor Calhoun (Donald Pleasence) geleitet werden. Wie sich herausstellt, sind am Russel Square bereits mehrere Menschen spurlos verschwunden …

Tunnel Der Lebenden Leichen, der im Original Death Line heißt und in den USA in einer von den Produzenten umgeschnittenen, Raw Meat genannten Fassung erschien, ist alles, nur kein Zombiefilm, da hier keine einzige lebende Leiche auftaucht. Und auch wer gehofft hat, dass Donald Pleasence und Christopher Lee hier zusammen (z.B. als Ermittler) vor der Kamera agieren, wird bitter enttäuscht. Zwar sind die beiden gemeinsam im Film zu sehen, allerdings in nur einer Szene, die gleichzeitig Christopher Lees einzige ist. Er hat im Tunnel Der Lebenden Leichen lediglich ein Cameo, das sich von der Länge her mit Klaus Kinskis Auftritt in James Glickenhaus´ Actionfilm Der Söldner (1981) vergleichen lässt. Lee-Fans verpassen also nichts, wenn sie sich den Tunnel Der Lebenden Leichen entgehen lassen. Und auch mit der Qualität des Films hapert es, so dass die oben genannte Nominierung sowie die The Village Voice-Lobeshymne meiner Meinung nach nicht ganz nachvollziehbar ist.

Was auffällt ist, dass Regisseur Gary Sherman offenbar Schwierigkeiten hatte, aus Ceri Jones´ Drehbuch einen abendfüllenden Spielfilm zu machen, obwohl die Story zum Film von ihm selbst stammt. Vier der gerade mal 84 Filmminuten gehen für eine Creditsequenz drauf, in der man sieht, wie James Cossins (James Bond 007 – Der Mann Mit Dem Goldenen Colt, 1974) durch die Gegend läuft. Des Weiteren gibt es eine ellenlange Kamerafahrt durch das unterirdische Versteck von Hugh Armstrong (How To Get Ahead In Advertising, 1989), der hier keinen Zombie darstellt, sondern einen Kannibalen, der entfernt an den von George Eastman dargestellten Man – Eater (1980) erinnert. Ausgedehnte Kamerafahrten sind kein Problem, wenn der Regisseur ein Meister seines Fachs ist, aber da Sherman nun mal kein Stanley Kubrick (2001: Odysee Im Weltraum, 1968) oder Alfred Hitchcock (Vertigo – Aus Dem Reich Der Toten, 1958) ist, wirkt die Szene etwas langatmig, auch wenn sie die Hintergrundgeschichte des Kannibalen und seiner Frau visuell umsetzt. Apropos Kannibale: für dessen Rolle soll ursprünglich mal Marlon Brando (Endstation Sehnsucht, 1951) im Gespräch gewesen sein, und es wäre interessant gewesen zu sehen, ob er diesen Part genauso unfreiwillig komisch angelegt hätte wie Armstrong...die Szene, in der er einem Opfer hinterher stolpert und dabei ständig „Vorsicht an den Türen!“ ruft, ist  meiner Meinung nach nur zum Schreien und untergräbt den intendierten Schrecken dieser Sequenz. Und überhaupt … warum haben der pestverseuchte Man Eater-Vorläufer und seine Gattin ihr Dasein eigentlich die ganze Zeit im Untergrund verbracht? Wenn er und seine Vorfahren es geschafft haben, an die Oberfläche zu kommen, um sich menschliche Beute zu suchen, warum haben sie dann nicht Nägel mit Köpfen gemacht und sind an die Oberfläche gegangen, anstatt immer wieder in ihr Gefängnis zurückzukehren, zumal es ganz einfach zu sein scheint, dort hinein und wieder raus zu kommen?

Während man mit ihm aber wenigstens aufgrund seiner tragischen Hintergrundgeschichte noch etwas Mitleid haben kann, halten sich die Berührungspunkte mit dem Gros der übrigen Figuren in eng gesteckten Grenzen – so wirkt z.B. David Ladd in der Rolle des amerikanischen Studenten Alex Campbell, der eigentlich der Held des Films sein soll, eher unsympathisch und taugt kaum zur Identifikationsfigur.

Nach all der Kritik sollen aber auch die (spärlichen) Stärken des Films erwähnt werden. Das As im Ärmel des Films ist Donald Pleasence, der in der Rolle des Inspektor Calhoun eine Art Karikatur des stockkonservativen englischen Polizisten spielt und dabei sichtlich Spaß hat, so dass er teilweise einen humorigen Gegenpol zur ansonsten bierernsten, düsteren Handlung bildet. Und so klein Christopher Lees Rolle im Tunnel Der Lebenden Leichen auch ist – er dominiert die Szene, in der er auftritt und bleibt auch nach Filmende noch dauerhaft in Erinnerung. Hinzu kommt, dass der Tunnel Der Lebenden Leichen, auch wenn er es bezüglich der optischen Darstellung der Kannibalen-Behausung etwas übertreibt, einige atmosphärische Aufnahmen des Londoner Undergrounds enthält, die das beklemmende Gefühl, sich dort allein aufzuhalten, bzw. aufhalten zu müssen, deutlich spürbar machen. Außerdem scheut sich Gary Shermans U-Bahn-Horrorstreifen nicht vor einer gewissen Ästhetik des Ekels, die sich – sie muss noch einmal erwähnt werden – in der Darstellung der Behausung von The Man und seiner Frau widerspiegelt. Außerdem erschlägt The Man eine Ratte (Hoffentlich kein Tiersnuff …) und attackiert in der einzigen, aber effektvoll inszenierten Splatterszene des Films, die heutzutage allerdings keine 18er-Freigabe mehr rechtfertigt, ein paar U-Bahn-Arbeiter. All das macht aus dem Tunnel Der Lebenden Leichen keinen wirklich guten Film, wertet ihn aber zumindest etwas auf.

Auch wenn viele Kritiken darauf verweisen, dass der Tunnel Der Lebenden Leichen vieles vorwegnimmt, was man später in Filmen wie The Texas Chainsaw Massacre (1974), The Hills Have Eyes (1977) oder gar Creep (2004) gesehen hat, macht dieses Trio vieles besser als das vermeintliche Vorbild, weshalb zumindest die ersten beiden Filme als Klassiker ihres Genres gelten, mit denen sich der Tunnel Der Lebenden Leichen nicht messen kann. Für mich ist Gary Shermans U-Bahn/Kannibalen-Horrorstreifen ein bestenfalls mittelmäßiger Streifen, der nicht gerade zu den Highlights des Horrorfilms der Siebzigerjahre zählt.

4-5/10

5/10
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Kommentare

26.03.2023 09:10 Uhr - dicker Hund
2x
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Den Hype hast Du ja mal nüchtern untertunnelt.
;-)

Die Sache mit der reißerischen Titelverunstaltung hat sich ja inzwischen auf Repacks eingeschossen, verwirrt im Informationszeitalter aber nicht mehr so wie früher.

Den Film habe ich noch nicht gesehen. Restlos abgeschreckt bin ich bisher auch nicht.

26.03.2023 13:21 Uhr - cecil b
1x
Moderator
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Auf die Qualität deiner Reviews ist Verlass, Punisher77.

Bildung für das Filmlexikon. :)

26.03.2023 13:45 Uhr - Punisher77
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Vielen Dank, ihr beiden.

@Dicker Hund:
Wer weiß, vielleicht gefällt er Dir ja.

26.03.2023 23:48 Uhr - TheMovieStar
1x
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Wieder eine exzellent verfasste Kritik Puni! Habe ich sehr gern gelesen. Bei deinem Schreibstil, der eine tolle Mischung aus Information und Meinung beinhaltet, erscheinen auch besprochenen Filme interessant, die ich sonst eher selten oder gar nicht beachte.

Diesen hier habe ich noch nicht gesehen, bekomme aber anhand deines Textes einen vielsagenden Eindruck vom Film.

Saubere Arbeit!

27.03.2023 14:50 Uhr - Punisher77
DB-Helfer
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Vielen Dank.
Es freut mich immer sehr,wenn einer meiner Texte dieses Ziel erreicht.

29.03.2023 18:03 Uhr - immi666
1x
Ein wirklich interessanter und skurriler Film mit einer ganz eigenen Handschrift.
Die Szene, in der der letzte Überlebende der Verschütteten der
entführten Frau vermitteln will, dass sie nichts zu befürchten hat, er es aber nicht schafft, es ihr mitzuteilen, da der Satz " MIND THE DOORS!" der einzige Satz ist, den er je gelernt hat, geht mir echt ans Herz... Man spürt förmlich seine einsame Verzweiflung in dieser Szene, die mir über lange Jahre im Gedächtnis geblieben ist.

Meiner Meinung nach ein Film, der mehr Aufmerksamkeit verdient hat.

31.03.2023 17:24 Uhr - Punisher77
DB-Helfer
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Freut mich, dass Dir der Film gefallen hat, und den Aspekt, den Du genannt hast, kann ich auch nachvollziehen.
Leider kommt er für mich persönlich nicht über einen Durchschnittsfilm hinaus. Eine eigene Handschrift hat der Film allerdings.

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