Obwohl Jim Cummings, welcher schon 2005 als Tontechniker, Spezialeffektdesigner und Set-Ausstatter in verschiedensten Bereichen der Indie-Filmbranche tätig war, bereits im Jahr 2010 mit dem Jugenddrama „No Floodwall here“ sein Langfilmdebut gab, sollte ihm erst nach mehreren Kurzfilmen im Jahre 2018 mit „Der Chaos Cop“ – einem Remake seines eigenen 2016 erschienenen und mehrfach ausgezeichneten Shorts „Thunder Road“ – der große Durchbruch gelingen. Dieses Karrieresprungbrett nutzte der talentierte Allrounder, welcher regelmäßig sowohl als Regisseur, Autor, Produzent und Schauspieler in Erscheinung trat, um 2020 direkt mit seinem Horrorthriller „The Wolf of Snow Hollow“ nachzulegen.
Eine Kleinstadt wird von einer Serie grausamer Morde erschüttert, die Opfer sind zugerichtet, als hätte sie ein wildes Tier zerfleischt. Für die kleine Polizeiwache des verschlafenen Städtchens beginnt ein wahrer Albtraum und ein Wettlauf gegen die Zeit, um dem bestialischen Treiben Einhalt zu gebieten…
Die Story von Cummings, der hier ebenfalls als Autor tätig war, ist durchdacht und clever, gespickt mit allerhand Ironie und schwarzem Humor. Zu dem großen Mysterium um eine Bestie, die vornehmlich Frauen abschlachtet und dabei auch vor kleinen Kindern nicht Halt macht, und dem gnadenlosen Dauerfeuer erboster Kleinstadtbewohner auf die träge Polizeiarbeit, kommen noch einige selbstreferenzierende Genre-Gimmicks, ein bisschen Coming of Age, ein Schuss Familiendrama und die graue, niederschmetternde und melancholische Charakterstudie des Protagonisten, dessen Ehrgeiz und Alkoholsucht ihn aufzufressen drohen. Man merkt deutlich, dass sich Cummings hier wirklich Gedanken gemacht, und viel Wert auf profilierte Figuren mit Ecken und Kanten gelegt hat. Das nötige Maß an Spannung und düsterem Grusel, inklusive der pathologisch/wissenschaftlichen Polizeiarbeit sowie des eifrigen Rätselratens um die übernatürlichen Hintergründe der grausigen Morde in klassischer Whodunit-Manier, runden „The Wolf of Snow Hollow“ somit zum fast perfekten Horrorfilm ab. Einzig der verwirrende Nebenhandlungsstrang um einen Meth - und Heroinsüchtigen Wohnwagen-Junkie der in seiner Phantasie Kleintiere und nackte Frauenleichen grillt, wirkt da etwas deplatziert, auch wenn man damit den Zuschauer nur auf eine falsche Fährte locken wollte, was aber gar nicht nötig gewesen wäre...
Jim Cummings selbst spielt den alkoholabhängigen und alleinerziehenden Deputy John Marshall, dem man als letzten Menschen auf der Erde Objektivität und rationale Entscheidungsfähigkeit bezüglich der Werwolfangriffe zutrauen würde. Dennoch behält der unerträgliche Miesmacher und Choleriker dank seines blinden Strebens nach väterlicher Anerkennung so ziemlich als einziger den Durchblick, wenn er dabei auch ein stets egoistisches, wie auch unsympathisches Rindvieh ist und seine verletzlichen Momente lieber mit sich selber klärt, anstatt mit den Menschen, denen er regelmäßig das Leben schwer macht. Deswegen benimmt sich vermutlich auch seine Tochter Jenna, gespielt von Chloe East („Die Fabelmans“, „Generation“, „Next Level“) ihm gegenüber wie der letzte Dreck und hält selbst in emotionalen Situationen 3 Armlängen Abstand von ihrem Vater. Auch die übrigen Deputys der kleinen Polizeiwache, mit Ausnahme von Riki Lindhome („Hell Baby“, „Wednesday“, "The Last House on the Left") als Julia und Grindhouse-Legende Robert Foster („Der Horror-Alligator“, „Jackie Brown“, „Das schwarze Loch“) in seiner letzten Rolle als Sheriff Hadley, sind totale Arschlöcher und Idioten. Das trägt natürlich, im absolut positiven Sinne, zur eher trostlosen Grundstimmung im verschneiten Kaff Snow Hollow bei, denn die schauspielerischen Leistungen aller Beteiligten hier sind durchgehend überzeugend, wenn man sich auch manchmal ein bisschen mehr Wärme wünscht...
Inszenatorisch wird hier ebenfalls eine gehobene Klasse, dank der ansehnlichen Arbeit von Kamerafrau Natalie Kingston („Lost Bayou“, „Black Bird“, „Shapeless“) und dem überaus kreativen Schnitt von Patrick Nelson Barnes („No Man of God“, „Mr. Mom“) und R. Brett Thomas („Burros“), geboten. Die kalte, beinahe farblose und unwirtliche Landschaft der südlichen Rocky Mountains wechselt sich mit warmen und kuscheligen Interieurs ab, die mit allerhand Weihnachtsdeko und Neujahrsvorfreude aufwarten, das Tempo und die Szenenabfolgen, zusammen mit der Musik von Ben Lovett („The Ritual“), unterstreichen den sehr speziellen und zynischen Erzählstil von „The Wolf of Snow Hollow“. Insgesamt mag man visuell hier eine gewisse Altbackenheit erkennen, ähnlich der grobschlächtigen und blassen Grindhousestreifen der 70er Jahre, aber auch diese Form des bewegten Bildes hat ja zum Glück seine Fans. Die groben und teils derben Effekte sowie das Ausmaß des blutigen Treibens präsentieren sich durchgehend zeigefreudig und handgemacht, was zusätzliche Sympathiepunkte einbringt.
Am 9. Oktober 2020 lief der Film für kurze Zeit in wenigen ausgesuchten Kinos der USA an und startete am selben Tag auf diversen VOD-Plattformen, u.a. Vudu. Bis vor Kurzem war „The Wolf of Snow Hollow“ auch mit deutscher Synchronisation noch im Angebot von Amazon Prime enthalten, wo er allerdings leider nicht mehr zu finden ist. Alternativen bieten sowohl die amerikanische Blu-Ray, als auch die britische sowie die belgische DVD.
Fazit:
Ein genialer Horrorthriller mit einer ordentlichen Portion schwarzem Humor, verqueren Charakteren und zynischen Grausamkeiten vor toll gefilmter Kulisse, eine große Überraschung! Jim Cummings als Multitalent vor und hinter der Kamera liefert hier einen der besten Indie-Genrebeiträge der letzten Jahre ab, glasklare Empfehlung!
8,5 - 9/10 Eichhörnchen grillende Methopfer!
9/10