I spit on your Grave (2010)
Mit Remakes von Horrorfilmen ist das immer so eine Sache. Bleibt man dem Original weitestgehend treu und ändert kaum bis gar nichts, wird wegen mangelnder Kreativität gemeckert, ändert man viel, ist es laut vieler Fans eine Schande für das Original und hat damit angeblich nichts mehr zu tun. Meine Erfahrung hat mir gezeigt, dass Neuinterpretationen nach Jahrzehnten meist gelingen, amerikanische Remakes von jüngst erschienenen ausländischen Filmen jedoch furchtbar sind. Zum Glück kann man das Remake immer noch getrost ignorieren und sich das präferierte Original ansehen. Heute soll es jedoch um mein persönlich liebstes Remake eines Horrorklassikers gehen, welches obendrein noch einen meiner liebsten Rachefilme und meiner Meinung nach einen der besten Vertreter des „Rape and Revenge“ Genres darstellt: Die Neuverfilmung „I spit on your Grave“ von Steven R. Monroe aus dem Jahre 2010.
Die Schriftstellerin Jennifer Hills (Sarah Butler) mietet sich eine Blockhütte irgendwo im Nirgendwo an, um dort in Ruhe an ihrem neuen Roman schreiben zu können. Schon an der Tankstelle in der Nähe ihrer Unterkunft fällt die hübsche Frau einigen Männern auf, doch sie weist die Flirtversuche von einem der Männer zurück, welcher sich gedemütigt fühlt. Zusammen mit seinen Freunden redet er sich immer mehr in Rage, und so dringen die Männer eines Nachts in die Hütte ein und bedrohen und erniedrigen die wehrlose Jennifer. Doch ihr gelingt es, in einem glücklichen Moment zu entkommen und sie läuft im Wald panisch in die Arme des Sheriffs (Andrew Howard), welcher ihr zuerst seine Hilfe anbietet und mir ihr gemeinsam in die Hütte zurück geht, um die Männer zu stellen, doch schnell entpuppt er sich als deren Freund und Komplize und die Männer fallen zusammen brutal über Jennifer her. Halb tot fällt sie schließlich in einen Fluss und wird weggetrieben, und versteckt im Wald wartet sie und sinnt auf Rache. Die Täter werden leiden müssen, wie sie leiden musste…
Anhand der Handlung sieht man schon, „I spit on your Grave“ hält sich sehr nah an der Story des Originals, nur leichte, jedoch meiner Meinung nach sinnvolle Veränderungen wurden getätigt. So verschwindet Jennifer nach der Vergewaltigung erst für eine ganze Zeit und lässt die Männer im Glauben, sie sei gestorben, bevor sie ihnen Schritt für Schritt Hinweise zuspielt, dass sie doch noch lebt und Rache will. Dieser Verlauf der Handlung beseitigt zu einen Logiklöcher, die mich beim Original störten, als auch macht es den Film deutlich spannender und teils sogar richtig unheimlich, wenn der beeinträchtigte Junge Matthew Visionen von der toten Jennifer hat oder Stück für Stück nachts die Habseligkeiten von ihr oder einem der verschwundenen Täter auftauchen.
Die größte Stärke von „I spit on your Grave“ ist die absolut effektive und gnadenlose Inszenierung, welche ihre Wirkung nicht verfehlt. Ein riesengroßes Lob an Regisseur Monroe, denn wenn mich ein Film selbst bei der Zweitsichtung noch so mitnimmt und mir ein großes Unwohlsein bereitet, wie es hier der Fall ist, wurde sehr viel sehr richtig gemacht. Besonders die erste Hälfte ist an Intensität und Psychoterror kaum noch zu überbieten und ist so wohl, außer in den Filmen der französischen Terrorwelle wie zum Beispiel „Martyrs“ oder „Inside“ oder der Fortsetzung „I spit on your Grave 2“, in keinem anderen Film zu finden, der für das Kino konzipiert wurde. Man kann die Schändung von Jennifer und die perversen Verhaltensweisen der Täter kaum ertragen, leidet mit der armen Frau mit, will ihr helfen und wünscht sich ihre Rache regelrecht herbei. „I spit on your Grave“ wird ziemlich sicher keinen Zuschauer kalt lassen, und Hass ist genau die Emotion, die der Film auslösen will, denn dann funktioniert die nachfolgende Rache umso besser.
Einen großen Teil trägt hierzu Sarah Butler bei, welche einfach nur herausragend spielt. Derartige Szenen mit sexueller Gewalt fordern viel Mut und Überwindungskraft, und hiermit möchte ich auch meinen allergrößten Respekt an dieser Stelle ausdrücken, eine solche Performance würde definitiv nicht jeder schaffen. Butler drückt jedes Gefühl, den Schmerz, die Verzweiflung ihres Charakters perfekt aus, und man vergisst schnell, dass es sich hier um Schauspiel handelt. Auch im späteren Racheteil brilliert sie in jeder Szene, legt als gnadenloser Racheengel einen Sadismus und eine Kaltschnäuzigkeit an den Tag, den man ihrem Charakter zuerst gar nicht zugetraut hätte. Und doch spürt man unter der Oberfläche noch ihren Hass und ihre Wut, welche sich teils in Wutausbrüchen und Kontrollverlusten manifestieren. Jennifer Hills wurde gebrochen, doch sie wird ihre Peiniger mit in den Abgrund reißen und in die Hölle schicken, welche sie hier auf Erden durchleben musste. Oscarreif gespielt.
Auf der Gegenseite sticht besonders Andrew Howard als sadistischer Sheriff Storch hervor. Seine Darstellung könnte verabscheuungswürdiger nicht sein, und besonders die Wandlung des psychopathischen Vergewaltigers und Mörders zum liebenden Familienvater ist so grandios gemacht wie unheimlich. Wie kann ein Mann, der zuvor eine Frau mit drei anderen Männern vergewaltigt hat und sie anschließend ermorden wollte, am Tag danach seine Tochter in den Arm nehmen und seiner schwangeren Frau Blumen bringen? Man begleitet für eine lange Zeit die Täter, sieht ihren Alltag und versucht, irgendwie dahinterzukommen, wie man so eine grausame Tat vollbringen kann. Ich würde zwar nicht so weit gehen, „I spit on your Grave“ den Status einer Charakterstudie zu geben, aber der Film zwingt den Zuschauer, sich mit den Figuren der Vergewaltiger auseinander zu setzten, deutlich länger als das Original. Es sind keine bloßen Schablonen, jede der Figuren hat gewisse Charakterzüge, welche über das bloße „Täter sein“ und das spätere „Opfer sein“ hinausgehen und sie trotz der Abscheu ihnen gegenüber interessant machen.
In meiner Kritik zum Original bemängelte ich noch den für heutige Verhältnisse zu laschen Rachepart und ein unlogisches Verhalten von Jennifer Hills bei ihrem Rachefeldzug. Das alles ist bei der Neuverfilmung nicht mehr so, hier werden keine Gefangenen gemacht und Jennifer Hills geht mit einer gnadenlosen Effizienz und sadistischer Kreativität zu Werke. Augenlieder werden mit Angelhaken fixiert, sodass Krähen die Augen aushacken können, Gesichter langsam mit Säure aufgelöst, Zähne gezogen, mit der Heckenschere kastriert und eine Schrotflinte dorthin geschoben, wo nie die Sonne hin scheint.
„You said you were an ass man, sheriff.“
Neben der schon erwähnten unglaublichen Performance von Sarah Butler gesellen sich noch hervorragend gemachte Spezialeffekte bei den Tötungsszenen hinzu, welche sich wirklich sehen lassen können. Die Gewalt wirkt nie übertrieben oder wird besonders ästhetisch dargestellt, sie dient als Mittel zum Zweck: Rache, grausam und realistisch, ohne Glorifizierung. Wer nur aufspritzendes Blut oder eine pure Effektschau erwartet, wird enttäuscht werden. Hier soll Gewalt nicht unterhaltsam oder leicht konsumierbar sein, genauso wenig wie es die Vergewaltigung zuvor war. Auge um Auge, Zahn um Zahn, immer mit der moralischen Zwickmühle im Hinterkopf.
Einen weiteren Punkt, den ich bei „I spit on your Grave“ richtig stark finde, ist das Spiel mit der Umgebung der Hütte und ein sehr intelligentes Andeuten der späteren Gewaltszenen. So erkundet Jennifer am Anfang bei einer Joggingrunde ihre Umgebung und findet eine leerstehende Ruine von Hütte im Wald, und dort auch einige Utensilien, welche sie später bei ihrem Rachefeldzug verwenden wird. In einem Schuppen neben ihrer Unterkunft entdeckt sie zum Beispiel giftige Stoffe, welche noch den Weg in das Gesicht eines Peinigers finden werden. Durch diese kleinen Vorausblicke werden spätere Logiklücken im Voraus verhindert, und man frägt sich nicht, woher Jennifer auf einmal die ganzen Mordwerkzeuge auftreiben konnte. Sehr clever gemacht, gerade bei einer Zweitsichtung lässt sich hier noch vieles entdecken.
Alles in allem ist „I spit on your Grave“ für mich ein Meisterwerk, welchem ich auch das Prädikat „einer meiner Lieblingsfilme“ einräumen würde. Der Film brilliert in allen Aspekten, egal ob Inszenierung, Schauspiel, Effekte, Härtegrad oder Charakterzeichnung, und ich habe hier wirklich nichts zu bemängeln. Zudem sind verdammt brutale Rachefilme einfach genau mein Ding, und der Film liefert mir einfach alles, was ich bei so einem Film erwarte, auch die Zweitsichtung hat ihre Wirkung nicht verfehlt und ich habe „I spit on your Grave“ mit Sicherheit nicht zum letzten Mal gesehen!
„Fuck you!“
„Oh, you already did that. That wasn`t nice for me. And now it`s my turn to fuck you.“
10/10