Verdammt man die Action in der Welt von John Wick, müsste man fast jedweden zweiten Hongkong-Actionfilm , der seit Iron Angels, mit ihren Shootouts, A Better Tomorrow, der traurig blutigen Gangsterballade, über die Serie Mission Impossible bis hin zur Kino-Reihe, über Matrix oder hin zum aktuellen Bullet Train, oder Gunpowder Milkshake, verdammen der bis hierhin gedreht wurde und weitere Beispiele gäbe es genug.
Da dies mein Review ist, wird alles, was ich darin schreibe, ausschließlich meine Empfindungen und Sichtweise widerspiegeln, so wie all meine Reviews dieser Seite es taten und tun werden, und da ich die Welt des Neo, oder John Wick und alle anderen welche mir erzählt werden und mich zu faszinieren schaffen akzeptiere, akzeptiere ich in diesem Film auch nun mal deren Gesetzmäßigkeiten.
In dieser Welt schafft es ein einzelner Mann nun mal, hunderte Angreifer auszuschalten und auf Ballett artig spektakuläre, aber eben nicht zwingend innovative Art und Weise ins Jenseits zu befördern.
Jeder, der sich diese Filme ansieht, wird dies entweder tun, weil er, wie ich, genau diese Unterhaltung sucht, oder eben, um kurzfristig darüber herablassend kommentieren zu können, wie wenig cineastisch und gekünstelt, vor allem zu computeranimiert all dies sei, und wie wenig gutes Schauspiel man doch bekommt.
Nun, ich für meinen Teil, der ja schon über Jahre hinweg Fan von Mr. Reeves ist, der zugegeben nicht in jedem Film, wie zum Beispiel Little Buddha oder Der Prinz von Pennsylvania, zu überzeugen weiß, an sich jedoch eine starke Ausstrahlung und Persönlichkeit in seine Rollen zu legen versteht und mir seit Bodycheck, Young Streetfighters, aber spätestens Bill und Ted, ein immer wieder gern gesehener Gast meines visuellen Vergnügens ist, finde seine Darbietung und Einstellung zu der Figur Wick, genau richtig, um nicht zu sagen treffend.
Vor allem ist es aber Keanu Reeves überhaupt erst zu verdanken, daß wir uns nicht nur die Welt von Neo nun nicht mehr anders vorstellen wollen, sondern daß John Wick, nicht wie im ursprünglichen Drehbuch, namens Scorn, von einem seit fünfundzwanzig Jahren pensionierten, und somit 75-Jährigen Mann a lá Harrison Ford oder Clint Eastwood gespielt wurde, denn es wäre einerseits kein tempobehaftet, sich Action mäßig selbst fast überschlagendes Gewaltfeuerwerk geworden, und man hätte andererseits, bestimmt keinen Gefallen an vier Teilen davon gefunden.
Gott sei Dank kam es anders und schon mit der ersten Minute, in der Lawrence Fishburne, einen unheilschwangeren Satz einläutet und man John, in guter alter Eastern-Martial Arts-Trainingsmanier auf einen mit Seilen gebundenen Stumpf seine Fingerknöchel blutig schlagen sieht, weiß man, daß die kommenden Filmminuten keinen Zweifel an sich überflügelnder Action lassen werden und das man seine Gehirnzellen für den restlichen Verlauf auf Goodfeel-Modus einstellen kann.
Die gesamte Action des Films ist, für mich eine einzige Hommage an das Hongkong-Actionfilmkino, aber vor allem dem asiatischen Kino vergangener Jahre.
Sei es Hiroyuki „Henry“ Sanada´s Mitwirken, als Leiter des Osaka Continental, dessen Schwertkampfkunst, wie alle Schwertkampfszenen eine Verbeugung vor dem Samurai-Genre ist, welche gleichsam durch die Figur des blinden Caine, nicht nur an die 80er Jahre Kung-Fu Serie, sondern auch an Zatoichi, den blinden Samurai erinnert, sondern zudem durch eine weitere lebende Legende des Hongkong-Actionfilms, Donnie Yen, verkörpert wird und deren Duell schon allein ein Highlight unter den fast unzähligen Highlights des Films darstellt.
Die Hommage von Keanu und seinen Nunchaku Sequenzen, mit denen er Gegner ähnlich kunstvoll auszuschalten sucht, wie einst der legendäre Bruce Lee selbst in seinen Werken, oder die Massenflut der Gegner, die auf Wick einstürmen, als wäre The Raid oder The Night comes for us, kein Maßstab dafür gewesen.
John Wick selbst, scheint auch eine eigene Hommage an sich selbst, in der Figur des Tracker, dargestellt von Shamier Anderson, zu erhalten, erinnert sie doch sehr an die Ursprünge der Figur und könnte somit auch gesondert einen Film erhalten, wie es ja schon mit einer gewissen Ballerina, welche weit weniger Screenzeit hatte, geschah.
Davon abgesehen, ist jedes Aufeinandertreffen von Sanada mit Yen, Yen und Reeves oder Keanu mit Adkins, allein schon ein Augenschmaus, sondern gleichen, daß die fast unglaubwürdigen Shootouts in maßgeschneiderten, Kevlarbesetzten-Anzügen, schon allein in den Schatten stellen.
Man kann dies alles sehen, oder aber leugnen und behaupten Chad Stahelski, hätte all dies neu erdacht und nicht unter Albert Pyun, als Second Unit Kameramann gelernt oder gar die legendäre Rolle von Brandon Lee in The Crow als Körperdouble zu Ende gespielt, als dieser wegen jenem Film den Tod fand.
Sei es wie es will und mag jeder denken was er über John Wick denken will. Für mich beginnt der Film stark, mit dem Anschluss an Teil 3 und der konstanten Weitererzählung der Geschichte um John in dessen Welt, die Ian McShane, wiedereinmal avantgardistisch in der Rolle des Winston bevölkert und dessen rechte Hand erneut von dem zu früh verstorbenen Lance Reddick, als Charon gegeben wird, welcher im Vorgänger John mehr als nur mit Worten unterstützte.
Die Handlung tritt natürlich ob der Action in den Hintergrund, aber bietet gerade genug roten Faden um eben neue Feinde und Freunde zu etablieren und die Geschichte drum herum nicht nur spannend , sondern auch amüsant zu erzählen.
Amüsant deshalb, weil mir die fast drei Stunden in keinem Moment langweilig erschienen, zudem einzelne Gastauftritte, des ewigen Highlander-Bösewichts, Clancy Brown, oder insbesonderen Scott Adkins, ein staunendes Schmunzeln ins Gesicht zauberten, oder aber weil es Showdowns über Showdowns gibt, und man im eigentlichen Finale auf dem Weg zu dessen fulminantem Schauplatz, Sacre Coeur, drei Minuten, mal wieder als eine Ewigkeit im Film erscheinen lässt und 237 Stufen, eben nicht gleich 237 Stufen sind.
Apropos Bösewicht. In einer Welt, in der jeder zweite Killer schon fast eine Besonderheit ist, sollten die Oberschurken meiner Meinung nach ein wenig mehr Schrecken erzeugen und nicht nur gecastet werden weil sie einen schrecklichen Clown spielen und sich selbst arrogant genug in Szene setzten können wie der gute Bill Skarsgård hier, dessen Darbietung für mich im Kontext der Welt in der er lebt, einfach marginal ist.
Dieser Film ist eine sich konstant selbst zu übertreffend suchende Superlative des Actionfilms, und Übertreibt es durchaus mit all seinen Ingredienzien, jedoch mit Recht und einem gewissen Stil, der zwar wie gesagt nicht neu erdacht, aber neu gemacht scheint und dürfte jedem gefallen, der sich eben auf die jeweilige Welt und ihre Gesetzmäßigkeit zwanglos einlassen kann.