Boogey Shoes...
Wenn mich etwas noch mehr gruselt als Orthographie und Grammatik zum Davonlaufen, wenn mich etwas noch mehr schaudert als schwache Musikalität in der Stimme bei offensichtlich mäßiger Intelligenz, dann ist es ein Filmemacher, der den Schuss in den eigenen Blähkopf nicht mehr gehört hat, bevor der Schädel wie der Film selbst zu Boden saust. Knock at the Cabin ist definitiv ein Film, wie es lange keinen gab, ein monströser Quatsch. M. Night Shyamalan hat die letzten Jahre viel Boden gut gemacht, Fan um Fan wieder zurückgewonnen, manchmal sogar begeistert. Ein guter Film reihte sich an den nächsten. Alte Stärken, außergewöhnliche Wendungen, viel Gaga und Schabernack, vor allem kreative Ausreißer innerhalb der Filmlandschaft. Kostengünstige Sonderlinge, schiefe Platzer und breite Grimassen. M. Night Shyamalan hat in den letzten drei Jahrzehnten viele, zumeist absonderlich schöne Wundertüten geschnürt und übergeben, die Freude an diesen Ausnahmen waren immer da. Egal wie absurd es oftmals wurde, es war immer etwas besonderes und schräges. Knock at the Cabin bricht damit mehrfach. Der Film ist eben nichts besonderes, aber dafür stechend ärgerlich und oberflächlich geraten.
M. Night Shyamalan, zwei weitere Autoren, Ron Weasley und knapp 20 Millionen Dollar halten mit dem Heiland am Kreuz und fürchterlichen Psalmen in der Hand dagegen. Knock at the Cabin ist über weite Teile wahnsinnig gut inszeniert, die audiovisuellen Effekte sind im Angesicht des Rahmens ordentlich und einprägsam, schicke Wellen und Flugzeuge die vom Himmel fallen. Soundtrack, Schnitt und Kameraarbeit machen viel her, umschiffen plumpe Grausamkeiten, ohne an Effektivität einzubüßen. Manchmal keimt Bewunderung auf, sieht man sich diesen Film losgelöst von dem Schotter an, der darin verborgen ist. Am Ende, also nach der Bewunderung, bleibt nur die Verwunderung. M. Night Shyamalan kann sparsam und hochwertig filmen, kann mit Bravour inszenieren, kann begabte Schauspieler führen und all seine Wurzeln zuspitzen. Nach und nach schraubt er das Konglomerat Knock at the Cabin in Höhen und Verzweiflung, in Bitterkeit und Unverständnis, beinahe wird es spannend, am Ende nichts als dürre Luft. M. Night Shyamalan hat Dave Bautista und andere, sehr ambitionierte Akteure in und an seiner Hand, alle liefern ab, alle schillern, alle machen einen guten Job, wie man so schön sagt. Da sind die prophetischen Eindringlinge, die wirklich mysteriös geraten sind, da sind die sympathischen Protagonisten, die glaubhaft und empathisch agieren. Da ist Shyamalan, der letztlich, auf diesem Grund, wirklich gar nix draus macht. Ob die Buchvorlage mehr kann? Nach der schöngeistig geschriebenen Leseprobe ist das möglich, aber eventuell unwahrscheinlich.
Für was?
Wozu?
Knock at the Cabin entpuppt sich ganz am Ende als lasche Platzpatrone. M. Night Shyamalan, der Herr des Twists, verpasst die Chance, etwas wirklich entwaffnendes, etwas wirklich aufwühlendes, schlicht, etwas überraschendes zu erzählen. Knock at the Cabin fällt nicht nur ab, vor allem neben Old, The Visit und Glass, sondern kann ganz einfach überhaupt nichts. Ich habe selten so einen leeren, holen und faden Film gesehen. Für was und wozu? Die Frage kann der Film nicht auflösen, nicht gut zumindest. Eine schale und dumpfe Mär nach Art einer Bibelgeschichte. Der böse Teil in mir, der die Geschichte des Films tatsächlich verfolgt hat, konnte einfach nicht ablassen, keinesfalls eine eigens gewählte Opfergabe zuzulassen. Flutwellen, Viren, Flugzeugabstürze und der Untergang der Welt, was soll's. Hat mal wer die Spezies Mensch in letzter Zeit betrachtet? Kaum eine Bewegung hat den Fortgang verdient, keiner soll davon kommen! Wenn das Jetzt der Fortschritt ist, dann taugt dieser nichts, keine Träne wird zu Recht fließen, auf zum Galgentanz! M. Night Shyamalan meint diesen Firlefanz auch nicht zwinkernd oder gar spiegelnd, also dem Galgen nah. Dafür ist die Basis zu schmal, die Schicksale im Film total egal. Das ist keine Farce, keine Satire, das ist straffer Ernst mit esoterischem Wünscheleinschlag. Für Knock at the Cabin muss man stark sein, sehr stark. Shyamalan kann sich das leisten, denn seine Herangehensweise ist stets Haare spaltend. Doch diesmal taugt es so wenig wie nie zuvor und schlägt zu weit daneben. Dave Butista, Kristen Cui und die beiden Hauptdarsteller Ben Aldridge und Jonathan Groff. Es hilft nichts, auch wenn sie überzeugen. Alle agieren im Schnitt, alles sieht gut aus und hört sich sauber an, doch die Botschaft ist Murks. Die schlimme Überraschung ist, dass es keine schlimme Überraschung gibt. Das muss man auch einem Filmemacher sagen können, der sonst recht gut bei Laune hält, das nächste Mal bitte wieder mehr Schräglage. Keiner will solch einen Shyamalan, dafür hat der Filmemacher die letzten Jahrzehnte selbst gesorgt. Davor kann er sich nicht verstecken, nicht mehr.
Ich saß da, spulte zurück, schaute den Film noch einmal, doch es war nichts zu machen. Knock at the Cabin ist Mist, wenn auch ansehnlich gerahmt. Doch hier liegt der Krucks. Egal wie schön man Kot beleuchtet und auf ein Podest hebt, egal wie nett man derlei Ausscheidungen einführt, edel im Raum präsentiert und in lodernden Brand setzt, es bleibt Kot. Es schmerzt es doppelt, denn Shyamalan beweist Gespür für sensible Beziehungsgeflechte, betucht eine natürlich wirkende Aura, wenn es um familiären Zusammenhalt geht. Alles reißt und konterkariert er mit prophetischen Mummenschanz nieder.
Das Böse in mir hätte gern Protagonisten gesehen, die den Untergang dieser Welt herbeigesehnt hätten, denn nichts anderes hätte sie verdient, gerne auch mit einer Hintertür, zu welcher der aktuelle Schlag Mensch schlicht keinen Zugang erhalten würde. Das Gute in mir hätte gern Protagonisten gesehen, die in einen Dialog getreten wären, ob denn diese Welt solch einen Wert hat, sie überhaupt zu retten. Das findet ja durchaus statt, doch am Ende ist das nichts, Appellieren sieht anders aus. Das Hässliche in mir hätte der Welt beim Brennen zugesehen. All diese Gegensätze hätte man ertragen können, vielleicht durch die Gegenseite widerlegt ertragen müssen, doch Knock at the Cabin stellt mit derlei Höhen nichts an, windet sich in Sentimentalitäten und Binsenweisheiten, luftigen Rückschlüssen und Kitsch. Am Ende wie am Anfang läuft Boogey Shoes von KC & The Sunshine Band. Nichts anderes hat dieser Film verdient.
3/10