Es war eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis bei all den Blockbustern, die auf den reichhaltigen Fundus der griechischen Mythologie zurückgreifen, auch der gute alte „Hercules“ sein Leinwand Comeback feiern durfte. Das dies jedoch gleich mit zwei, beinahe zeitgleich produzierten Filmen der Fall sein sollte, ist dabei aber schon bemerkenswert. Renny Harlins „The Legend of Hercules“ ging als erster an den Start und landete prompt einen Mega- Flop, der aufgrund des dargebotenen Edel- Trashs auch niemanden verwunderte (aber das ist eine andere Geschichte).
Ein paar Monate später ging Brett Ratners „Hercules“ an den Start und machte seine Sache dann auch wesentlich besser. Allerdings fußt Ratner seinen Film nicht direkt auf der eigentlichen Sage, sondern vielmehr auf der Graphic- Novel „Hercules: The Thracian Wars“ von Steve Moore. „Hercules“ ist also genaugenommen eher eine Comic- als Sagen- Verfilmung, die ein grundsätzliches Problem mitbringt:
Diverse marktstrategische Äußerungen zu diesem Film versprachen die „wahre Geschichte“ von „Hercules“. Zusammen mit dem Trailer, der viele Szenen beinhaltete, die Tatsächlich auf eine „Werkgetreue“ Verfilmung der griechischen Mythologie hindeuteten, wurde munter eine komplett falsche Erwartungshaltung beim Zuschauer aufgebaut.
Denn anstelle einer Verfilmung, die dem Mythos treu bleiben will, bietet Ratners Film einen eher locker- flockigen, selbstironischen Story Ansatz, in dem „Hercules“ der Anführer einer Söldnertruppe ist, die im verborgenen seinen Heldenhaft- Übermenschlichen- Ruf lediglich herbei- inszenieren. Damit untergräbt der Film gleich zu Beginn dermaßen unverschämt die aufgebauten Erwartungshaltungen beim Publikum, dass sich vielerorts mit Sicherheit blanke Entrüstung breitmachen wird aufgrund des, für eine simplifizierte Filmhandlung komplett verzerrten und zurechtgestutzten „Herkules- Mythos“.
Schafft man es jedoch, sich komplett unvoreingenommen an den Film zu wagen, geht der Story Ansatz dieses Films durchaus auf und bietet dem Zuschauer ein ironisches, im Film mehrfach sehr humorvoll eingebautes Spiel mit diversen Heldenmythen und Legenden. Und das erweist sich über weite Strecken des Films als äußerst unterhaltsam. Vor allen Dingen wenn man sich etwas in der griechischen Mythologie auskennt, beinhalten viele Szenen und Dialoge schon recht spöttische Schenkelklopfer (warum dieses reizvolle Konzept so leichtsinnig durch ein komplett in die Irre führendes Marketing aufs Spiel gesetzt wurde ist mir ein Rätsel, denn so wurde aus dem Pfund mit dem der Film eigentlich Wuchern möchte gleichzeitig sein größtes Problem).
Getragen wird der Film selbstverständlich von seinem Hauptdarsteller Dwayne Johnson, der seine Titelrolle wie immer in beeindruckender physischer Präsenz verkörpert, aber auch die dramatischen Momente im Film souverän und glaubhaft meistern kann. Auch der Support- Cast in Form eines bunt zusammengemixten Söldnertrupps bietet einige bekannte sowie charismatische Gesichter. So tauchen in der munteren Truppe u.a. Rufus Sewell als zynischer Messerstecher Autolycus, Ian McShane als orakelnder Kampfmönch Amphiaraus sowie die aus der „Cold Prey“- Trilogie bekannte Norwegerin Ingrid Bolsø Berdal (die hier übrigens der jungen Nicole Kidman zum Verwechseln ähnlich sieht) als amzonenhafte Bogenschützin auf. Das absolute Highlight in der Söldnertruppe stellt aber der mir bisher völlig unbekannte Norweger Aksel Hennie als stummer, verwilderter und unberechenbarer Axtschwinger Tydeus dar. Des Weiteren schaut auch John Hurt als König Cotys vorbei, er bleibt allerdings den ganzen Film über sträflich unterfordert.
Abseits der sehenswerten Schauspieler darf Regie- Handwerker Brett Ratner natürlich auch inszenatorisch aus den Vollen schöpfen. Die Optik des Films ist famos: pralle Farben, schöne Landschaftsaufnahmen, gute bis sehr gute Effektarbeit, eine bemerkenswerte Ausstattung. „Hercules“ ist vom Produktionsstandard ein waschechter Blockbuster. Und auch die zahlreichen, teilweise großangelegten Actionszenen präsentieren sich wuchtig, toll choreographiert und, zumindest in der „extended Version“, auch ausreichend blutig und brutal. Die Kameraarbeit während der ganzen Keilereien fällt sehr angenehm dynamisch, aber nie störend unruhig auf.
Allerdings: einen nicht ganz unerheblichen Kritikpunkt konnte man besonders innerhalb der Action- Szenen ausmachen. Während die ganzen Side- Kicks in ihren Action-Szenen spektakulär und akrobatisch gleich jeweils vier, fünf, manchmal sogar sechs Gegner gleichzeitig platt machen dürfen, darf Hercules zwar ziehmlich brachial, im dirketen Vergleich zu seinen Mitstreitern aber etwas seltener die Muskeln spielen lassen. Besonders Aksel Hennies Wüterich Tydeus, der sich wild brüllend und mit zwei Äxten gleichzeitig durch die Gegnerhorden pflügt avanciert dabei sehr schnell zum „Show- Stealer“. Zwar hat auch Hercules im weiteren Verlauf des Filmes seine "Highlights" (Stichwort "Cerberus"), aber besonders bei den ersten beiden großen Schlachten fällt dieses Ungleichgewicht doch etwas störend auf.
Ein weiterer kleiner Kritikpunkt betrifft die Steigerung der Action. Die Actionszenen sind zwar in einem stimmigen Rhythmus über den Film verteilt, lassen jedoch einen leichten Abwärtstrend innerhalb der Laufzeit erkennen. Die eindrucksvolle Eröffnungsszene, die den „Herkules- Mythos“ quasi im Schnelldurchlauf abhandelt und mit der Hydra, dem nemeischen Löwen sowie dem erymanthischen Eber gleich drei mythologische Untiere auf unseren Helden loslässt, passt als Aufhänger (oder Aufreger, je nach dem ;-)) ) und Einstieg in die Handlung sehr gut. Und die ersten zwei Filmdrittel bieten dann die zwei bereits erwähnten Schlachten, wobei allerdings die erste leicht spektakulärer ist. Der Showdown gestaltet sich da im direkten Vergleich etwas schwacher, auch wenn hier immer noch spektakuläre Schauwerte dominieren. Es ist Jedoch die erste Schlacht, die als viel zu frühes Action- Highlight im Gedächtnis bleibt.
Insgesamt wiegen diese angesprochenen Kritikpunkte aber nie so schwer, als dass der Unterhaltungswert des Films massiv drunter leiden müsste. Als positiv stellt sich zudem auch die Drehbuchentscheidung heraus, der Titelfigur durch eine düstere Familientragödie einen ernsten Background zu verpassen, die den sonst vorherrschenden locker- flockigen bis selbstironischen Tonfall etwas ins dramatische umkehrt und der Figur Raum zur Weiterentwicklung bietet.
Insgesamt ist Brett Ratners „Hercules“ ein unterhaltsamer, kurzweiliger Fantasy- Action- Film, der trotz der geradezu brüskierenden Untergrabung diverser Erwartungshaltungen für Laune sorgt.
Natürlich kann man sich darüber aufregen, was der Film alles NICHT ist, bzw. was er hätte sein können (das geht sehr gut sogar ;-)) . Man kann aber auch die überkritische Betrachtungsweise fallen und dem Spieltrieb seines inneren 12- Jährigen freien Lauf lassen. Dann kann man sich über diese durch und durch sympathische, selbstironische Kraftmeierei köstlich amüsieren. Ich hab mich für letzteres entschieden und dafür gibt’s von mir rundum zufriedene 7,5 von 10 Punkten. Wesentlich besser als Renny Harlins Stümperei ist er in jedem Fall… auch wenn das nun wirklich keine „Herkulesaufgabe“ darstellt… ;-))
7/10