Das kennt wahrscheinlich jeder. Gelegentlich gibt es Filme, über die man vorher kaum etwas liest, von denen man wenig bis gar nichts gehört hat oder die dem persönlichen Radar vielleicht sogar komplett entgehen weil ihnen zu wenig verdiente Aufmerksamkeit zu Teil wird. Und hinterher sitzt man begeistert vor der Kinoleinwand (oder in so einem Fall wahrscheinlicher eher vor dem TV-Gerät) und fragt sich „Warum ist dir eigentlich DER Film nicht schon vorher aufgefallen?“. Ein solcher Fall ist der australische Endzeit-Thriller
THESE FINAL HOURS
von dem ich auch nicht viel mehr wusste, dass er von Menschen im Angesicht der nahenden, ultimativen Katastrophe handelt und dass er in Australien entstanden ist. Da aber das australische Kino in der Vergangenheit schon öfter für positive Überraschungen gut war, insbesondere auch im Bereich des Horror-/SciFi-/Fantasy-Kinos (jemand hat sogar mal den Begriff vom „Auspocalypse-Kino“ geprägt), bin ich neugierig, aber ohne allzu hohe Erwartungen an den Film herangegangen. Das Ergebnis war mehr als beeindruckend...
Aber kommen wir zunächst zur Story. Es ist passiert. Das Ende der Menschheit (und wahrscheinlich allen zumindest überirdischen Lebens) ist eingetroffen. Kurz vor Beginn der Handlung ist, wie man aus einer der letzten Nachrichtensendungen im Radio erfährt, ein gewaltiger Meteorit im Nordatlantik eingeschlagen. Große Teile der amerikanischen Ostküste, der afrikanischen Küste wurden bereits von der Landkarte radiert und Westeuropa ist ebenfalls komplett zerstört. Australien verbleiben noch genau 12 Stunden bis die todbringende... (ja was eigentlich? Flutwelle? Sonneneinstrahlung? Aschewolke? Feuerwalze? Lasst euch überraschen) die Westküste bei Perth erreicht. Eine wie auch immer geartete öffentliche Ordnung gibt es nicht mehr. Jeder ist sich selbst der nächste. Auf der Straße herrscht das Recht des Stärkeren. Die Leute flüchten sich in den Wahnsinn oder religiöse Hoffnung, begehen kollektiv Selbstmord oder suchen Zuflucht im totalen Rausch von Drogen, Sex und Alkohol. Auch James (Nathan Phillips) hat keine Lust das herannahende Armageddon bei vollem Bewusstsein zu erleben. Also lässt er seine Freundin Zoe (Jessica De Gouw) zurück, die ihm kurz vorher noch gebeichtet hat, dass sie schwanger ist. Unfähig, die Nachricht emotional zu verarbeiten, macht er sich auf zur „Party to end all parties“ seines Kumpels Freddy, um sich dort vorher nochmal mit einer anderen Freundin so richtig die Seele aus dem Leib zu vögeln und mit genügend Alkohol zu betäuben damit er vom Weltuntergang nichts mitbekommt. Unterwegs beobachtet er, wie zwei Männer ein ca. 10 jähriges, sich wehrendes Mädchen in ein Haus schleppen, offensichtlich um es zu vergewaltigen. Eigentlich eher widerwillig rettet er die junge Rose (Angourie Rice) vor ihren Peinigern. Rose wurde von ihrem Vater getrennt und ist jetzt auf der Suche nach ihm (bzw. nach dem Punkt, wo sich ihre Familie treffen wollte). Plötzlich hat James, der sich vorher seinen Verantwortungen immer entzogen hat, nun dieses Mädchen am Hals, das ohne ihn hoffnungslos verloren wäre und welches ihn nun bittet, sie zu ihrem Vater zu bringen. Obwohl er weiterhin beabsichtigt zu Freddys Weltuntergangsparty zu fahren, beschließt er Rose zu helfen und sie zu ihrer Familie zu bringen. Nach und nach wird James auf der Reise für Rose zu einer Art Ersatzvater (deutlich vor allem, wenn er mit Rose im Schlepptau auf der Party aufkreuzt, diese aber bald wieder angewidert verlässt). Durch den Kontakt mit dem ungezwungenen, ehrlichen und letztendlich auch unglaublich tapferen Mädchen erkennt James, was ihm in diesen letzten Stunden der Menschheit wirklich wichtig ist. Doch reicht die Zeit noch, um einige Fehler wieder auszubügeln???...
Aber hallo! Es gibt sie also doch noch, die echten Überraschungen. Nach dem Ende von „THESE FINAL HOURS“ muss man zunächst einmal tief durchatmen, kräftig schlucken und das gerade Gesehene erst einmal verdauen. Schon nach wenigen Minuten hat den Zuschauer dieses unglaublich dichte, intensive Drama gepackt und lässt ihn bis zum Ende nicht mehr los. Trotzdem ist es kein Film, der den Zuschauer völlig deprimiert zurücklässt, sondern ihm klarmacht (auch wenn das jetzt kitschig klingen mag) auf welche Dinge es im Leben wirklich ankommt.„THESE FINAL HOURS“ ist einer der wenigen Filme, die nicht NACH der Apokalypse spielen („Mad Max“ (1979), „The Road“ (2009), „The Day“ (2011), „Book of Eli“ (2010), „Hell“(2011) etc.), sondern die quälende Zeit VOR dem nahenden Untergang behandeln. „THESE FINAL HOURS“ liegt somit eher in der Nähe von Filmen wie dem ebenfalls australischen „Die letzte Flut“ (1977), „Miracle Mile“ (1988, welcher die wenigen Stunden vor einem drohen Nuklearkrieg behandelt), „Knowing“ (2009), „Auf der Suche nach einem Freund fürs Ende der Welt“ (2012) oder Lars von Triers „Melancholia“ (2011)). „Auf der Suche nach einem Freund fürs Ende der Welt“ würde als Titel sicherlich auch für diesen Film passen. Natürlich erinnert die Roadmovie-ähnliche Machart von „THESE FINAL HOURS“ an Werke wie den oben erwähnten „The Road“ oder auch „The Rover“ (2014) (ebenfalls mal wieder „Made in Australia“, welchen ich aber streckenweise als recht zäh empfunden habe). Am auffälligsten sind aber die Parallelen zu Stanley Kramers Verfilmung des gleichnamigen Nevile Shute-Romans „On The Beach – Das letzte Ufer“ (1959, einer relativ frühen Warnung vor dem Horror der atomaren Vernichtung; u.a. mit Gregory Peck, Ava Gardner und Fred Astaire) bzw. der TV-Neuverfilmung „USS Carleston – Die letzte Hoffnung der Menschheit (2000) Hier haben sich nach dem thermonuklearen Schlagabtausch der Supermächte, welcher den Rest der Erde in eine Todeszone verwandelt hat, die letzten Überlebenden in Australien (aha!) versammelt. Doch es ist nur noch eine Frage der Zeit bis die tödlichen Wolken Australien erreichen und die Radioaktivität auch hier alles Leben vernichten wird. Wie in „THESE FINAL HOURS“ begehen beispielsweise auch hier die Leute reihenweise Selbstmord, um nicht qualvoll an der radioaktiven Verseuchung zu Grunde zu gehen (immerhin freundlich gefördert durch von der Regierung ausgegebene Selbstmord-Pillen).
Bei all diesen Parallelen will ich aber betonen, dass es sich bei „THESE FINAL HOURS“ KEINESFALLS um einen Actionfilm handelt. Es gibt zwar durchaus ein paar dramatische Konfrontationen und spannende Momente, aber die reinen Adrenalin-Junkies sollten vielleicht doch eher auf andere Filme ausweichen. Die meiste Zeit kommt der Film ohne übertriebene Hektik oder überflüssige Gewalteinschübe aus. Solche Szenen sind zwar ebenfalls vorhanden (der Verrückte, der mit einer Machete bewaffnet zu James ins Auto steigt) aber es dominieren die nachdenklicheren Momente. Gerade wenn des Grauen am Rande, fast beiläufig gezeigt wird, ist der Effekt umso größer. Um mal ein Beispiel zu nennen (und ohne jetzt groß etwas zu spoilern): Irgendwann macht James (begleitet von Rose) im Haus seiner Schwester Zwischenstopp, findet aber nur noch in der Dusche die Leiche von ihr und ihrem Mann, welche kurz zuvor Selbstmord begangen haben. Während Rose im Garten erfreut den Pool benutzt, gleitet die Kamera zu einer Sandkasten- und Spieleecke wo ein frisch aufgeworfener Erdhügel mit 3 Holzkreuzen zu sehen ist. Im Haus sieht man dann ein Foto mit 3 kleinen Mädchen und die Sache wird klar. Die Eltern haben offensichtlich kurz vor ihrem Selbstmord ihre Töchter getötet, um ihnen das Grauen der Apokalypse zu ersparen. Bei solchen Szenen verspürt dann auch der hartgesottenste Zuschauer ein mulmiges Gefühl in der Magengegend. Wirklich (und ohne Übertreibung) herzzerreißend ist dann eine der Szenen gegen Ende des Films (die ich jetzt NICHT nennen werde) und die finale Sequenz, die visuell atemberaubend und großes Kino ist. Während des gesamten Films fragt man sich natürlich als Zuschauer besonders „Wie würde ich selber in so einer Situation reagieren?“ (Eine Frage, die übrigens auch der Trailer stellt). Sich komplett zudröhnen, mit einem Knall abtreten, sich einen Logenplatz für das Ende der Welt aussuchen oder doch lieber im Sinne des Martin Luther zugeschriebenen (aber nicht belegten) Zitats handeln: „Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt untergeht, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen“? Gar nicht so leicht, darauf eine Antwort zu finden.
Regisseur und Drehbuchautor Zack Hilditch war mir bis zu diesem Zeitpunkt völlig unbekannt. Er hat ein paar Kurzfilme und 2 oder 3 Komödien gedreht. Zumindest nach diesem Film sollte man den Namen aber sicherlich mal im Hinterkopf behalten. Alle Bemühungen wären hier natürlich nutzlos gewesen, hätte Hilditch nicht auf tolle Schauspieler zurückgreifen können, die z. B. auch in vergleichsweise kleinen Parts überzeugen könnten. Auch dass die Darsteller zumindest hierzulande eher weniger bekannt sind, macht die Sache eigentlich erst interessant. An erster Stelle wäre natürlich Hauptdarsteller Nathan Phillips zu nennen, der überzeugend eine sehr zwiespältige Figur verkörpert. James ist zunächst alles andere als ein Held, er ist sogar noch nicht einmal sonderlich sympathisch. Am Anfang verlässt er seine Freundin um sich dem Weltuntergangs-Rausch hinzugeben und ist zudem nicht in der Lage, die Nachricht, dass er in einer normalen Welt Vater werden würde, angemessen zu verarbeiten. Auch dass er Rose vor den Pädophilen rettet, geschieht eigentlich eher zufällig. Allerdings wächst der Mensch ja bekanntlich mit seinen Aufgaben und dass der Zuschauer James nicht nur als egoistisches Arschloch wahrnimmt, ist sicher auch ein Verdienst von Nathan Phillips. Im Horror-Bereich ist er vielleicht einigen bereits aufgefallen, hat er doch in Filmen mitgespielt wie „Snakes on a Plane“(2006), „Wolf Creek“ (2005), „Chernobyl Diaries“ (2012) oder der TV-Serie „The Bridge-America“(2014). Auch Jessica De Gouw (TV-Serien „Dracula“ und „Arrow“) hinterlässt in ihren wenigen Szenen einen bleibenden Eindruck. Die größte Überraschung im Film ist aber das heute dreizehnjährige Nachwuchstalent Angourie Rice, eine echte Entdeckung. Ihre erste große Hauptrolle, die zugleich ein nicht gerade einfacher Part ist, meistert sie mit Bravour. Kinder in solchen Rollen können schon mal leicht in Richtung „nervig“ tendieren, in „THESE FINAL HOURS“ besteht diese Gefahr aber nicht. Ihren nächsten Part hat sie übrigens im neuen Film von Shane Black „The Nice Guys“, an der Seite von Stars wie Ryan Gosling, Russel Crowe und Kim Basinger.
Zu These Final Hours gab es übrigens im Stile von Blair Witch Project einige verdammt real wirkende News, wie z. B. Nachrichtensendungen über den bevorstehenden Meteoriteneinschlag, Regierungsverlautbarungen (5 Monate vorher, 3 Monate vorher, 3 Wochen vorher) und die von der Regierung geplanten Gegenmaßnahmen (Interkontinental-Raketen), inklusive einem immer nervöser werdenden Regierungssprecher, gefakte "Twitter"-Nachrichten, und "Privatfotos", welche den Verfall des Landes und der Zivilisation dokumentieren. Wer nach Ansicht des Films mehr über die Hintergründe der Meteoriten-Story erfahren möchte, dem kann ich per PN auch weitere interessante Informationen dazu geben!
Unterm Strich ist „THESE FINAL HOURS“ ein ungeheuer dichtes, emotional äußerst packendes und bewegendes Drama, welches den Zuschauer auch noch lange nach dem (übrigens totenstillen) Abspann berührt und beschäftigt. Eine unbedingte Empfehlung.
Trotz eines leichten Stolperns im Handlungsfluss bewerte ich den Film mit hervorragenden 9 von 10 Punkten.
9/10